Wenn der eigene Trainer den Kurs setzt
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Balz Spörri: «Kürzlich fand in Madonna di Campiglio ein Weltcup-Slalom der Männer statt. Nach dem ersten Lauf lag der Schweizer Daniel Yule auf dem fünften Rang. Die Experten rechneten damit, dass er am Ende ganz vorne sein würde, denn ausgerechnet sein eigener Trainer war als Kurssetzer für den zweiten Lauf ausgelost worden.»
VON BALZ SPÖRRI
Kürzlich fand in Madonna di Campiglio ein Weltcup-Slalom der Männer statt. Nach dem ersten Lauf lag der Schweizer Daniel Yule auf dem fünften Rang. Die Experten rechneten damit, dass er am Ende ganz vorne sein würde, denn ausgerechnet sein eigener Trainer war als Kurssetzer für den zweiten Lauf ausgelost worden.
Nach der Besichtigung der Strecke motzte Yules österreichischer Konkurrent Manuel Feller bereits: «Der Schweizer Trainer hat diesen Lauf komplett für den Yule gesetzt, der wird schwer zum Biegen sein.»
Feller liest vermutlich keine wissenschaftlichen Studien. Sonst wüsste er, dass es nicht immer von Vorteil ist, wenn der eigene Trainer den Kurs setzt.
Ein Team von Wissenschaftlern um Martin Gschwend von der Universität St. Gallen hat die Leistungen von 1247 Männern und 1039 Frauen in sämtlichen Weltcup-, WM- und Olympia-Rennen von 2001 bis 2020 ausgewertet. Berücksichtigt wurden nur die Disziplinen Slalom, Riesenslalom und Super-G, da in der Abfahrt jeweils ein neutraler Kurssetzer zum Zug kommt.
Das Fazit für die technisch anspruchsvollste Disziplin, den Slalom, überrascht: Im ersten Lauf spielt die Teamzugehörigkeit des Kurssetzers weder bei den Frauen noch bei den Männern eine Rolle. Im zweiten, entscheidenden Lauf jedoch scheiden die Männer signifikant häufiger aus, wenn der Kurs vom eigenen Trainer gesetzt wurde.
Warum? Die Forscher haben folgende Erklärung: Der Trainer kann den Kurs zwar so setzen, dass er perfekt auf die Fähigkeiten seines Schützlings zugeschnitten ist. Aber dadurch erhöhen sich die Erwartungen an den Fahrer enorm. Und unter diesem Druck scheitern viele Athleten. So auch Daniel Yule in Madonna di Campiglio.
Bemerkenswert ist, dass bei den Frauen der gegenteilige Effekt auftritt. Wenn der eigene Trainer den zweiten Slalomlauf setzt, schneiden Frauen besser ab und gewinnen mehr Weltcup-Punkte. Anders formuliert: Frauen können mit dem erhöhten Druck besser umgehen als Männer.
Die Forscher schlagen deshalb einen Bogen zur Wirtschaft. Als Grund für die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen werde oft ins Feld geführt, dass Männer unter hohem Druck bessere Leistungen erbringen würden als Frauen: «Unsere Daten lassen an dieser Theorie Zweifel aufkommen.»
Studie: Expectations, gender, and choking under pressure: Evidence from alpine skiing
Balz Spörri (geb. 1959) lebt als Journalist und Autor in Zürich.