Küsnachter Liegenschaftenpolitik als Vorbild
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24. Januar 2024 – Immer mehr StadtzürcherInnen ziehen nach Zollikon und Küsnacht. Das stellt beide Gemeinden in Sachen Liegenschaftenpolitik und -strategie vor Herausforderungen. Wir haben die lokalen Konzepte verglichen und stellen fest: Küsnacht hat die Nase deutlich vorn.
In den letzten fünf Jahren sind 2445 StadtzürcherInnen nach Zollikon gezogen und 1997 nach Küsnacht. Damit liegen die beiden Seegemeinden in den Top-Ten der Wunschdestinationen.
Dass Zürich trotz den Abgängen kräftig wächst, hat mit dem Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte aus dem Ausland zu tun. Die Stadt reagiert auf die steigende Nachfrage nach Wohnraum mit dem Kauf von Liegenschaften. Dafür hat sie im letzten Jahr 358 Millionen Franken ausgegeben, dieses Jahr werden es laut dem zuständigen Stadtrat Daniel Leupi (Grüne) 500 Millionen sein.
Den Landerwerb sieht die Stadt als wichtiges Mittel, um günstige Wohnungen zu erhalten. In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» nahm Leupi aber auch die umliegenden Gemeinden in die Pflicht: «Ich bin klar der Meinung, dass die Agglomerationsgemeinden aktiver werden und für mehr Wohnungen für den Mittelstand sorgen sollten.»
Ein Konzept mit menschlicher Wärme
Wie sieht es damit in Zollikon und Küsnacht aus? Bemühen sich die Gemeinden, mehr Wohnraum für den Mittelstand zu schaffen? Das aktuelle Küsnachter Liegenschaftenkonzept stammt vom 25. Januar 2017. Es ist verständlich formuliert und beschreibt die Probleme der Wohngemeinde differenziert. Es lohnt sich, einige Auszüge zu lesen:
- Die Gemeinde Küsnacht ist unter anderem dank der Nähe zur Stadt Zürich, der landschaftlich reizvollen Lage am See, einem konstanten, tiefen Steuerfuss und der gut ausgebauten Infrastruktur ein attraktiver Wohnort. Deshalb sind die Mietkosten für Wohnungen überdurchschnittlich hoch. Bei den Neubauten dominieren teure Eigentumswohnungen. Der Zuzug wohlhabender Personen schreitet voran, und die Preise im Immobiliensektor sind nach wir vor überdurchschnittlich hoch.
- In Küsnacht lebt ein hoher Anteil älterer Personen. Junge Küsnachterinnen und Küsnachter sind wegen des angespannten Wohnungsmarktes sehr oft gezwungen, das Dorf, in welchem sie aufgewachsen sind, zu verlassen. Küsnacht läuft Gefahr, zum Schlaf- und Repräsentationsort zu werden. Zweitwohnungen beziehungsweise wenig bewohnte Wohnungen nehmen tendenziell zu.
- Für eine gut funktionierende Dorfgemeinschaft ist eine sozial und altersmässig durchmischte Bevölkerung unabdingbar. Weil gemeinnütziger Wohnraum beste Voraussetzungen für eine vielfältige Bevölkerungsstruktur bietet, unterstützt die Politische Gemeinde den sozialen bzw. gemeinnützigen Wohnungsbau. Die Wohnungen werden an Familien bzw. an Personen vermietet, welche nicht in der Lage wären, die in Küsnacht auf dem freien Wohnungsmarkt üblichen Mietzinsen zu bezahlen.
- Der gemeinnützige Wohnungsbau ist zu erhalten und weiterhin zu fördern, wobei für 10 bis 15% der Einwohner Wohnraum angeboten werden soll, der nach dem Grundsatz der Kostenmiete vermietet wird.
- Die Gemeinde unterstützt Wohnbaugenossenschaften und Stiftungen, indem sie Land im Baurecht abgibt. Insbesondere für Personen, welche Sozialhilfe beziehen, bietet sie zudem Wohnraum zu erschwinglichen Mietzinsen an.
- Neben den Wohnbaugenossenschaften leistet die Gemeinde selber als Eigentümerin eines bedeutenden Immobilienportefeuilles einen wichtigen Beitrag zu einer ausgewogenen sozialen und altersmässigen Durchmischung der Bevölkerung.
- Sie zieht die Abgabe von Liegenschaften im Baurecht einem Verkauf in der Regel vor.
- Bei allen Entscheiden stehen die Bedürfnisse der Bevölkerung an oberster Stelle. Es ist stets zu beurteilen, wie sich Entscheide im Liegenschaftenbereich ökonomisch, ökologisch und sozial auf die Gemeinde auswirken.
Der Zolliker Gemeinderat diskutiert
Was liegt in Zollikon vor? Ein ausformuliertes Konzept gibt es nicht, lediglich eine Auskunft der zuständigen Abteilung zum Stand der Dinge:
Der Gemeinderat diskutiere derzeit die Grundzüge der Wohn(bau)politik. Die Erkenntnisse sollen «bald in ein entsprechendes Dokument fliessen». Themen seien z.B. Wohnen im Alter, vergünstigtes Wohnen (Genossenschaften) etc.
Daraus leite man ab, welche Strategie die Gemeinde mit ihren eigenen Liegenschaften verfolge. Dieses Papier liege «verwaltungsintern im Entwurf vor» und werde «im ersten Quartal 2024 vom Gemeinderat diskutiert und verabschiedet».
Derzeit würden für jede Liegenschaft im Gemeindebesitz die Informationen über die Nutzung, den Stand der technischen Anlagen und die finanziellen Kennzahlen auf den neusten Stand gebracht. Man überlege sodann, welche Strategie die Gemeinde mit jedem Objekt langfristig verfolgen wolle. Diese Grundlagenarbeit werde im ersten Quartal 2024 abgeschlossen.
Das Renditeprinzip
Das jüngste verfügbare Papier zur Liegenschaftenstrategie der Gemeinde Zollikon stammt vom 15. November 2011. Im Gegensatz zum Küsnachter Konzept wirkt es wenig volksnah und einseitig auf den Gedanken der Rendite ausgerichtet:
- Der Liegenschaftsbestand soll mittelfristig eine moderate durchschnittliche Rendite abwerfen. Er soll durch gezielte Ver- und Zukäufe optimiert werden können und in Umfang und Qualität Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich Ortsplanung und Sozialpolitik gewährleisten.
- In den vergangenen fünf Jahren hat die Gemeinde einen Viertel ihrer Liegenschaften im Finanzvermögen verkauft, sie liessen sich aus der Perspektive der Gemeinde keinem sinnvollen Zweck zuordnen, dienten also weder dem Gemeinnutz, noch einem relevanten wirtschaftlichen Ziel. Der Gesamterlös von 11.5 Millionen Franken floss in die Gemeindekasse.
- Wohn- und Geschäftsliegenschaften des Finanzvermögens sollen einen Beitrag zur Gesundung der Gemeindefinanzen leisten. Das können sie nur, wenn sich auf dem Liegenschaftsbestand eine angemessene Rendite erwirtschaften lässt. Sie soll – bezogen auf den Gesamtbestand und gemessen am Gebäudeversicherungswert – im Durchschnitt mindestens dem Zinssatz einer Bundesobligation entsprechen. Damit dieser Durchschnitt erreicht werden kann, müssen einzelne Wohnungen zu einem gehobeneren Mietzins vermietet werden. Um Quersubventionierungen zu vermeiden, dürfen keine Wohnungen zu nicht kostendeckenden Mietzinsen abgegeben werden.
Gespannte Erwartung
Der damalige Zolliker Gemeinderat schrieb auch noch folgenden Satz in sein Konzept: «Verfolgt man die politische Diskussion in Zollikon, so entsteht ab und zu der Eindruck, die Liegenschaftenstrategie habe sich einzig der Sanierung des Gemeindehaushalts zu unterwerfen.» Diesen Eindruck könnte man tatsächlich bekommen.
Inzwischen ist der Zolliker Finanzhaushalt saniert, und man wartet gespannt auf die Schwerpunkte in der Liegenschaftenstrategie des neuen Gemeinderats. (rs)
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