Wie die Zolliker zu ihren Seevillen kamen

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6. Februar 2024 – Der Kanton soll mit einer Verfassungs-Initiative dazu angehalten werden, einen durchgehenden Seeuferweg zu bauen. Da lohnt sich ein Blick zurück ins Jahr 1838, als Zollikon seinen Seeuferweg verlor und dafür stattliche Villen bekam. (2 Kommentare)

6. Februar 2024 – Der Kanton soll mit einer Verfassungs-Initiative dazu angehalten werden, einen durchgehenden Seeuferweg zu bauen. Da lohnt sich ein Blick zurück ins Jahr 1838, als Zollikon seinen Seeuferweg verlor und dafür stattliche Villen bekam.

Gemälde Ringger
Um 1830: Zolliker Seeuferweg (Maler: Rudolf Ringger, Abb.: Zolliker Ortsmuseum)

Vor 200 Jahren konnte man von der Zolliker Schifflände bis zum Tiefenbrunnen direkt am Seeufer spazieren. Der Fussweg war allerdings in einem denkbar schlechten Zustand, wie einem Brief des Bezirksstatthalters vom 17. September 1834 an den Zolliker Gemeinderat entnommen werden kann: «Besonders hinderlich für die Wanderer seyen die über den Fussweg hinhängenden Baumäste und an einigen Stellen seye der Weg so schmal, dass kaum zwey Personen neben einander gehen können.»

Dessen ungeachtet blieb der Fussweg bestehen, bis 1838 die Seestrasse gebaut wurde, die für Warentransporte bequemer war als die hügelige, schmale alte Landstrasse weit oben am Hang. Auf dem nachfolgenden Kartenausschnitt ist gut zu sehen, dass die Seestrasse grossmehrheitlich direkt dem Ufer entlang führte. Um sie zu bauen, musste an etlichen Stellen Land aufgeschüttet werden.

Seestrasse zwischen Zollikon (Gstad) und Zürich um 1891
Seestrasse zwischen Zollikon (Gstad) und Zürich um 1891

Zollikon war diesbezüglich kein Einzelfall. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts kam es rings um den Zürichsee zu massiven Landaufschüttungen, um Platz für Strassen, Bahnlinien, Fabriken und Häuser zu gewinnen. In unserer Gemeinde wurde beim Gstad zunächst eine hafenähnliche Anlage erstellt…

Hafenähnliche Anlage beim Gstad
Hafenähnliche Anlage beim Gstad

… die alsbald vollständig mit Schutt aufgefüllt wurde. Auf das neu gewonnene Land bauten die Eigentümer Villen mit direktem Seeanstoss und grosszügigen Parks, Boots- und Badehäusern.

Aufschüttung beim Gstad, auf der Villen direkt am See entstanden
Aufschüttung beim Gstad, auf der Villen direkt am See entstanden

Der aktuelle Kartenausschnitt (unten) zeigt von links nach rechts die Zolliker Villen an der Seestrasse 16 bis 42 zwischen Tiefenbrunnen und Gstad (Zolliker Schifflände) – allesamt auf aufgeschüttetem Land gebaut. Das kleine blaue Signet markiert die Bushaltestelle Zollikon-Seestrasse der Linie 910.

Häuser Seestrasse 16 bis 42 auf aufgeschüttetem Land (Grafik: rs)
Häuser Seestrasse 16 bis 42 auf aufgeschüttetem Land (Grafik: rs)
Luftaufnahme der Zolliker Seevillen mit ihren Parks um 1960 (Foto: Swissair Foto AG)
Luftaufnahme der Zolliker Seevillen mit ihren Parks um 1960 (Foto: Swissair Foto AG)

Einschränkung des Eigentums

Aufgeschüttetes Land wird als «Konzessionsland» bezeichnet. Konzessionsland deshalb, weil der Kanton mit den Besitzern Verträge abschloss, die sie unter anderem dazu verpflichteten, die Ufermauern, Badehäuser und Stege auf eigene Kosten zu unterhalten. Viele mussten beim Kauf des Grundstücks aber auch weitere Einschränkungen des Eigentums in Kauf nehmen.

Im Grundbuch- und Konkursamt Riesbach sind dieses Einschränkungen (auch Servitute genannt) in einer «Beilage zum Grundbuch der Gemeinde Zollikon» festgehalten. Ein zentraler Passus lautet:  «Sollte früher oder später diese Landanlage oder ein Teil derselben für eine Quaianlage, d.h. für die Quaistrasse, öffentliche Anlagen, Verbindungsstrassen mit der Seestrasse etc. beansprucht werden, so ist das betreffende Gebiet gegen Ersatz der Erstellungskosten abzutreten.»

Laut Auskunft des zuständigen Beamten im Notariat Riesbach sind diese Einträge nach wie vor gültig: «Sie können nicht einfach gestrichen werden.» Der Kanton könnte also seine alten, verbrieften Rechte einfordern und einen Seeuferweg bauen.

In Zollikon ist die Hälfte der Seeliegenschaften mit Grundbucheinträgen versehen, die Eigentumsbeschränkungen hinsichtlich eines Uferwegs enthalten. Rings um den Zürichsee gibt es laut Auskunft der kantonalen Baudirektion rund 10’000 einschränkende Abmachungen zwischen dem Kanton und den privaten Eigentümern von Seeliegenschaften.

Bei einem Ja zur Uferinitiative müssten die Eigentümer dem Kanton gegen Entschädigung einen Streifen Land am Seeufer abtreten. Bei einem Nein würde die Bevölkerung des Kantons Zürich enteignet: der Kanton könnte seine alten Rechte, die in den Grundbüchern eingetragen sind, definitiv nicht mehr durchsetzen. (rs)

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Teil 1: Der erbitterte Kampf ums Seeufer
Teil 2: Wie die Zolliker zu ihren Seevillen kamen
Teil 3: Fixfertige Pläne für den Zolliker Seeuferweg
Teil 4: Wie der Begriff «Seeuferweg» beseitigt wurde
Teil 5: Kommentar: Jetzt steht der Gemeinderat in der Pflicht

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2 KOMMENTARE

Interessanter Artikel. Ich teile ihre Einschätzung nicht, dass der Kanton bei einem Nein seine Rechte verlieren würde. Da gibt es keinen direkten Zusammenhang.

Danke für Ihren Kommentar, Herr Meier. Ich habe nicht geschrieben, dass der Kanton seine Rechte verlieren würde. Er würde sie behalten, aber er könnte sie politisch nicht mehr durchsetzen.

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