«Die KI ist alles andere als intelligent»

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18. Mai 2024 – Zum letzten Talk der Saison 2023/24 empfing Barbara Lukesch den KI-Unternehmer und GLP-Gemeinderat Dorian Selz. Er hatte eine Menge zu den technologischen Entwicklungen zu sagen und entwarf nebenbei ein revolutionäres politisches Konzept für die Gemeinde.

Dorian Selz und Barbara Lukesch im Talk am Puls
Online bis zum letzten Moment: Dorian Selz mit Barbara Lukesch vor dem Talk (Fotos, Video: ZN)

Laut einer Umfrage verschiedener Hochschulen sieht etwa ein Drittel der Schweizer Bevölkerung in der Künstlichen Intelligenz eine «grosse oder sehr grosse Gefahr für die Gesellschaft». Barbara Lukesch nützte die Gelegenheit, um den KI-Insider Selz zu fragen, wie er die Lage einschätze.

Selz holte ziemlich weit aus und beschrieb zunächst die stürmischen Entwicklungen im digitalen Bereich seit den 1990er-Jahren. Damals habe es weder Handys noch ein Internet gegeben. Als er mit St. Galler Studienkollegen der Bankgesellschaft vorgeschlagen habe, die erste Website der Schweiz zu programmieren, habe man ihnen gesagt: «Wir brauchen keinen Internetauftritt, die Leute kommen zu uns in die Filiale.» Damals sei es üblich gewesen, Ende Monat bei der Bank Geld abzuheben und es zur Post zu tragen, um dort mit Hilfe des gelben Büchleins Einzahlungen zu machen. Später seien die Social Media erfunden worden mit dem unerwarteten Ergebnis, dass dort mehr Hass als Zuneigung verbreitet werde. Kurzum: man wisse einfach nicht, wohin der rasante technologische Wandel in den verschiedenen Bereichen noch führen werde, «aber die Veränderungen», so Selz, «werden fundamental sein».

Die Migros und die KI

Er möge dem Publikum doch an einem konkreten Beispiel aus dem Alltag zeigen, wohin die KI-Reise gehen könnte, bat Barbara Lukesch, «zum Beispiel bei der Migros».

Grossverteiler seien im Grund genommen reine Logistikunternehmen, führte Selz aus, es gehe darum, «frühmorgens mit einem Lastwagen genau so viele Äpfel in die Filiale zu bringen, die benötigt werden, nicht mehr und nicht weniger». Diese ganzen Berechnungen, reine Routineaufgaben, werde schon bald die KI übernehmen. Die Kunst der Unternehmen bestehe darin, das frei werdende Personal mit anspruchsvolleren Aufgaben zu beschäftigen.

Die Moderatorin hakte nach: «Wie intelligent ist denn nun die KI wirklich?» Da kam Selz für einmal schnell auf den Punkt. «KI hat nichts mit Intelligenz zu tun, sie ist weit weg von echter Intelligenz», sagte er, und fügte hinzu: «Die Systeme sehen schlau aus, aber sie rechnen nur.» Die zu Grunde liegenden Algorithmen seien bereits in den 1950er-Jahren erfunden worden, also vor mehr als 70 Jahren. Als einziges Element sei die viel schnellere Rechenleistung dazu gekommen. Die Kunst bei der Anwendung der KI bestehe darin, «in die übernächste Geländekammer zu schauen», also zu merken, welche Bedürfnisse mit dieser hohen Rechenleistung befriedigt werden können.

Die Zentralbank und das Eichhörnchen

«Können Sie das an einer Geschäftsbeziehung Ihrer Firma verdeutlichen?», bat Barbara Lukesch. Selz erzählte, dass er mit Squirro unter anderem für die Europäische Zentralbank tätig sei. Deren Analysten hätten das Problem, von Banken eingereichte, dicke Unterlagen über ihren Geschäftsgang auf Risiken abzuklopfen. Die KI sei in der Lage, in einer solchen Papierflut selbst gut versteckte Probleme zu orten. Die menschliche Intelligenz werde dann eingesetzt, um der Sache auf den Grund zu gehen und die nötigen Schlüsse zu ziehen. Das Publikum erfuhr bei dieser Gelegenheit, woher der Name Squirro kommt – vom italienischen Squirre, was Eichhörnchen bedeutet. «Wie Eichhörnchen suchen wir nach versteckten Nüssen», schmunzelte der Unternehmer, der 2022 im Wahlkampf von sich gesagt hatte, er sei «Ehemann, Vater, Digitalunternehmer, Eisenbahnenthusiast».

Eisenbahnenthusiast? Ja, in jungen Jahren habe er es mit seinem Bruder ins Guiness-Buch der Rekorde geschafft. Es sei darum gegangen, in der Schweiz innert 24 Stunden mit dem Zug möglichst viele Bahnhöfe zu passieren. Sie seien kurz nach Mitternacht in Brig in den Simplon-Express gestiegen und Richtung Lausanne gefahren, anschliessend nach Zürich, von wo sie der Roma-Express nach Chiasso mitgenommen habe. Unter dem Strich kamen so 389 Bahnhöfe zusammen.

Philosophischer Exkurs

Natürlich wollte die Interviewerin wissen, woher der Wille komme, sich bei dieser immensen beruflichen Belastung auch noch ein politische Amt aufzubürden. Da wurde Selz schon fast philosophisch. In keinem anderen Land könne ein Bundesrat unbehelligt zweiter Klasse von Basel nach Bern fahren, schwärmte er. Es gelte, in gesellschaftlichen Fragen einen Ausgleich zwischen links und rechts, oben und unten zu finden. In der Wirtschaft werde zuweilen wie im Krieg erbittert gefochten: Sieg oder Niederlage. Auf Dorfebene seien seines Erachtens die Parteien überflüssig, denn «hier geht es nicht ums Gewinnen oder Verlieren, wir leben miteinander und müssen über die Parteigrenzen hinweg gemeinsame Lösungen finden».

Dass Selz im Berufsleben durchaus andere Mittel einsetzen kann, zeigt die folgende Videosequenz:

Zebrastreifen statt Unterführungen

Bei den anschliessenden Wortmeldungen aus dem Publikum erfuhr man unter anderem, dass der Kanton gegen den Willen der Gemeinde plane, die Unterführungen im Zollikerberg zu schliessen und sie durch Zebrastreifen zu ersetzen. Einerseits um Geld für den Unterhalt zu sparen, anderseits, weil sie nicht behindertengerecht seien.

Sofort wurde klar, dass dieses Vorhaben zu einer weiteren, erbitterten Verkehrsdiskussion im Zollikerberg führen wird. Frauen werden froh sein, dass ihnen nachts der Gang durch die Unterführungen erspart bleibt, Eltern werden sich um ihre Kinder ängstigen, wenn sie auf dem Schulweg die stark befahrene Forchstrasse überqueren müssen. Ausserdem könnte die Massnahme zu noch mehr Staus führen.

Eine bunte Gästeschar

Am Donnerstag ist die «Talk am Puls»-Saison 2023/24 zu Ende gegangen. Zu Gast waren Christian Walti (ref. Pfarrer, Gründer des Death Cafés), Christoph Berger (Kinderarzt und Impfpapst), Antoine F. Goetschel (Tieranwalt), Claudia Denzler (Blumenrain-Gärtnerin mit Platzspitz-Vergangenheit), Giovanni Marti (Kommunikationschef des Fifa-Museums und ZSC-Speaker), Ruth Baumgartner (Leiterin der Schule 3×3) und zuletzt Dorian Selz.

Die Saison 2024/25 eröffnen Barbara Lukesch und Gastgeber Simon Gebs im Oktober mit Ferri Hermida, dem Präsidenten des Sportclubs Zollikon. (René Staubli)

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