Seilziehen im Gemeinderat

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1. Oktober 2024 – Am Mittwoch entscheidet der Gemeinderat, welchen Vorschlag er der Gemeindeversammlung vom 4. Dezember zur Erhaltung des Restaurants Trichtenhausermühle vorlegen will. Dem Vernehmen nach findet im siebenköpfigen Gremium ein Seilziehen statt.

Neonschriftzug des «Wilden Kaisers» in der Trichtenhausermühle (Fotos: ZN)

Zur Erinnerung: Vor eineinhalb Jahren schlug der Quartierverein Zollikerberg dem Gemeinderat vor, die Gemeinde solle die Trichtenhausermühle kaufen und das Restaurant weiterführen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Besitzerfamilie Heer den Betrieb einstellen und im geschichtsträchtigen Gebäude Wohnungen einrichten wollte, wofür seit längerem eine Baubewilligung vorliegt. Der Gemeinderat wies das Ansinnen des Quartiervereins «nach sorgfältiger Prüfung» zurück – ein Kauf mache für die Gemeinde «keinen Sinn».

Daraufhin lancierte der Quartierverein eine Einzelinitiative, mit der er den Gemeinderat beauftragen wollte,  «direkt oder indirekt sicherzustellen, dass das Restaurant Trichtenhausermühle mit Saal im Zollikerberg erhalten bleibt». Die Gemeindeversammlung nahm die Initiative im Juni an, obwohl sie der Gemeinderat zur Ablehnung empfohlen hatte – mit der Begründung, dass er es nicht als Gemeindeaufgabe betrachte, «zu Lasten der Steuerzahlenden einen Restaurantbetrieb zu erhalten, welcher auf Grund des hohen baulichen Investitionsbedarfs nicht rentabel weitergeführt werden kann».

Dann trat Christian Krahnstöver auf den Plan, richtete in der «Trichti» mit fünfstelligen Investitionen aus der eigenen Tasche den «Wilden Kaiser» ein und erschütterte mit seinem erfolgreichen Wiener Gastrokonzept die These von der fehlenden Rentabilität.

Dümmlers Bemühungen

Unmittelbar nach Annahme der Einzelinitiative bemühte sich Gemeinderat Patrick Dümmler (FDP) intensiv um eine Lösung. Nach Dutzenden Sitzungen und Gesprächen mit dem Quartierverein, Architekten, Planern und der Familie Heer war für den Liegenschaften-Vorsteher klar, «dass alles auf eine Entscheidung hinausläuft, die Kauf oder Nichtkauf heisst – alle andern Varianten haben sich als nicht machbar erwiesen.» («ZollikerNews» vom 24. Mai 2024)

Aus Dümmlers damaliger Sicht kam der Kauf nicht in Frage, weil die Familie Heer der Gemeinde ein Angebot in einem unrealistisch hohen einstelligen Millionenbereich unterbreitet hatte.

Als diese Karte nicht stach, machte die Familie einen neuen Vorschlag: die Gemeinde könnte sich stattdessen mit einem namhaften Betrag an den Sanierungskosten beteiligen und es den Besitzern damit ermöglichen, das Restaurant weiterhin in eigener Regie zu verpachten und aus den Räumen über dem Restaurant 5 bis 10 Hotelzimmer zu machen. Dieser Idee konnte auch Krahnstöver einiges abgewinnen, schien sie doch geeignet, die Ertragslage des Betriebs weiter zu verbessern.

«Wir würden uns fast lächerlich machen»

Doch für Dümmler war auch das keine Option, zumindest zu jenem Zeitpunkt. Gegenüber den «ZollikerNews» sagte er: «Mit einem solchen Vorschlag würden wir uns an einer Gemeindeversammlung fast lächerlich machen und mit Sicherheit krachend scheitern.» Es sei «nicht Aufgabe der Gemeinde, die Immobilien von Privatpersonen mit öffentlichen Geldern zu sanieren, ohne dafür selber ein Eigentumsrecht zu bekommen.»

Eine Einigung mit der Familie Heer und Krahnstöver schien somit vom Tisch, zu verfahren war die Situation. Kam dazu, dass der «Wilde Kaiser» auf einen raschen Entscheid drängte. Wenn er bis zu den Sommerferien nicht wisse, wie es in der «Trichti» weitergehe, werde er sich anderweitig orientieren. Er trage für seine acht Mitarbeitenden die Verantwortung und habe mehrere gute Optionen, um Ende Jahr vom Zollikerberg wegzuziehen.

Kehrtwende I

Dann kam es zu einer überraschenden Kehrtwende, der ersten in dieser Geschichte. Der Gemeinderat sprach sich – dem Vernehmen nach einstimmig – für die Lösung aus, von der Dümmler kurz zuvor noch gesagt hatte, man mache sich damit lächerlich und werde krachend scheitern. Das Gremium einigte sich darauf, die Familie Heer 30 Jahre lang mit je 50’000 Franken zu unterstützen, ohne dafür Eigentumsrechte an der «Trichti» zu bekommen. Die Familie würde sich im Gegenzug verpflichten, das Restaurant 30 Jahre lang weiterzuführen. Weil der Gemeinderat in eigener Kompetenz nur 1,2 Millionen bewilligen darf, war klar, dass er mit dem 1,5-Mio-Paket vor die Gemeindeversammlung muss.

Alles schien in bester Ordnung: Einigkeit im Gemeinderat, Erhalt der «Trichti» als Restaurant und Begegnungsort, Betriebsgarantie für 30 Jahre, vertretbare Kosten für die Gemeinde, Volkswillen erfüllt. Auch der «Wilde Kaiser» war zufriedengestellt, obwohl man ihm angesichts der noch ausstehenden Gemeindeversammlung keine schriftliche Garantie für das Gelingen des Plans abgeben konnte. Dessen war er sich bewusst, er vertraute den mündlichen Zusagen.

Kehrtwende II

Doch dann kam es – wiederum völlig überraschend – zur zweiten Kehrtwende. Vom «ZollikerZumikerBoten» zur absehbaren Lösung in der «Trichti» befragt, gab sich Gemeinderat Dümmler plötzlich unverbindlich: «Wir werden das im Gemeinderat diskutieren und entscheiden, ob  dieser oder allenfalls ein anderer Vorschlag dem Souverän vorgelegt werden soll.»

«Dieser oder allenfalls ein anderer Vorschlag?» Krahnstöver fiel aus allen Wolken. Die konkreten Zusagen der letzten Monate – alles nur Schall und Rauch? Der «Wilde Kaiser», arg erschüttert in seinem Vertrauen, stellte dem Gemeinderat ein Ultimatum. Wenn er bis am 11. September, 22 Uhr, kein eindeutiges Bekenntnis zum ausgehandelten Plan bekomme, werde er den Betrieb Ende Jahr einstellen und den Zollikerberg verlassen. Nur mit Mühe und diplomatischen Anstrengungen gelang es, ihn zumindest bis zum 2. Oktober hinzuhalten. Dann nämlich – morgen – will der Gemeinderat entscheiden, welchen Antrag zur «Trichti» er der Gemeindeversammlung vom 4. Dezember stellt.

Liberal oder volksnah? Das ist die Frage

Offensichtlich findet im Gemeinderat ein Seilziehen statt zwischen jenen, welche liberale Grundsätze hochhalten wollen (Zurückhaltung bei staatlichen Subventionen) und jenen, denen die praktische Lösung in diesem Fall näher liegt (Weiterbetrieb der «Trichti» im Interesse der Bevölkerung mit einem überblickbaren finanziellen Einsatz der Gemeinde).

Dümmler nutzte erneut den Kanal des Amtsblatts, um in einem Interview Zweifel an den ursprünglich geäusserten Absichten des Gemeinderats zu säen. Er wisse nicht, welche Idee sich im Gremium nach der Kenntnisnahme aller Argumente durchsetze. Er selber habe nur eine von sieben Stimmen.

Offensichtlich fürchten einige Gemeinderäte, dass die finanzielle Unterstützung der «Trichti» und der Familie Heer Begehrlichkeiten bei den anderen Zolliker Restaurantbetreibern (Traube, Zolliker Stube, Badi Zollikon, das neue Restaurant im Fohrbach) wecken könnte. Der geplante Vertrag sei eine ordnungspolitische Sünde. Noch letzte Woche liefen bei der Gemeinde dem Vernehmen nach Abklärungen, um alternative Finanzierungsmodelle auszuloten und vertragliche Abmachungen zu justieren.

Der Zielkonflikt

In Dümmlers Brust schlagen zwei Herzen. Als FDP-Gemeinderat steht er staatlichen Subventionen kritisch gegenüber, als Ressortleiter Nachhaltigkeit und Wirtschaftspolitik beim Schweizerischen Gewerbeverband müsste ihm aber auch die Sicherung der acht gewerblichen Arbeitsplätze beim «Wilden Kaiser» ein Anliegen sein.

Was man nicht vergessen sollte: Der Gemeinderat setzt sich aus vier FDP-, zwei GLP-Mitgliedern und einer Vertreterin des Forums 5W zusammen. Angesichts dieser Kräfteverhältnisse halten es Beobachter für möglich, dass der Gemeinderat der Stimmbevölkerung zwar vorschlagen könnte, das Restaurant Trichtenhausermühle mit 1,5 Millionen Franken zu subventionieren und damit zu erhalten. Dass er dann aber seinen eigenen Vorschlag aus den oben genannten ordnungspolitischen Gründen zur Ablehnung empfiehlt – und damit an der nächsten Gemeindeversammlung lieber eine weitere Niederlage riskiert, statt sich zum Erfolg seiner beachtlichen Anstrengungen gratulieren zu lassen. (René Staubli)

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