Fünf-Seen-Wanderung im Tessin

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Edwin van der Geest: «Das Val Piora bildet eine reizvolle Verbindung meiner Ost-West-Transversale vom Ritomstausee zum Lukmanierpass. Wir reichern das etwas an und machen daraus den ‹Sentiero cinque laghi del Ticino›.»

VON EDWIN VAN DER GEEST

Es dauert, bis wir von Zürich mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Talstation der Ritom-Seilbahn in Ambri erreichen. Aber es lohnt sich, die abenteuerliche Seilbahn macht die lange Anreise gleich vergessen. Im Nu erscheint die durch Eisenbahn und Autostrassen vergewaltigte Leventina nur noch wie eine überfüllte Märklin-Landschaft. Oben angekommen, folgen wir dem sanft steigenden Asphaltsträsschen und haben bis zum Staudamm unsere Beine gut aufgewärmt.

Auf dem Damm des Ritomsees. Links oben der Piz Taneda
Auf dem Damm des Ritomsees. Links oben der Piz Taneda

Eine Wanderautobahn führt um den See ins Val Piora, wir verlassen sie etwa bei der Seemitte und steigen zur Alp di Tom auf. Die Kühe sind längst wieder im Tal, es ist still auf den Weiden. Eine Handvoll Wanderer vergnügt sich am Sandstrand des prächtigen Tom-Seeleins. Ein stimmiges Bild. Nur ein Helikopter knattert mehrmals über uns hinweg, er trägt Baumaterial zur Cadlimo-Hütte und kündigt damit das nahende Bergsaisonende an.

Sandstrand!
Sandstrand am Ufer des kleinen Tom-Sees

Vor uns erhebt sich der Piz Taneda mit seiner eindrücklichen Steilflanke, noch trennen uns 600 Höhenmeter von ihm. Es steigt sich vorerst leicht, der Weg ist «kuhgerecht» ausgebaut worden bis zum nächsten, namenlosen Seelein. Ich frage mich, ob diese abgelegene Hektare Weidland die Subvention rechtfertigt… Dann passieren wir die Taneda-Seelein, wo wir pausieren, Chris‘ Magen schreit nach Kohlenhydraten. So bleibt Zeit für ein schönes Foto der drei gestaffelten Seen: hinreissend.

Drei Stufen, drei Seen
Drei Stufen, drei Seen – hinreissend!
Auf der Kante zum Lago di Scuro, hier verlassen wir den Pfad
Auf der Kante zum Lago di Scuro – hier verlassen wir den Pfad

Es wird immer steiniger, auf der Geländekante vor dem Lago Scuro verlassen wir den Pfad und steigen in die geröllig-blockige Flanke des Piz Tenada ein. Chris murrt etwas, aber die Abkürzung überzeugt auch ihn. Auf dem nördlichen Gratrücken stossen wir auf Pfadspuren und Steinmännchen, die uns zielstrebig zur Steinmännchen-Kolonie auf dem Gipfel führen.

Das Gipfelplateau ist grosszügig und flach, der Piz Teneda steht ziemlich frei, und so beginnt ein ausgedehnter Geografieunterricht für Chris. Nicht nur der Blick auf die Seen gefällt, sondern auch die Fernsicht durchs Bedrettotal zum Blinnenhorn und ins Cristallina-Gebiet bis zum Basadino. Aber auch ein paar Berner Grössen lassen sich erkennen, im Osten die Adulagruppe. Ein schöner Picknickplatz!

Blick ins Cadlimo-Tal, wodurch wir die Route nach Osten fortsetzen werden
Blick ins Cadlimo-Tal, wo wir die Route nach Osten fortsetzen werden
Gipfelgruss an Cuno (Blinnenhorn ganz hinten in der Bildmitte am Ende des Bedrettotals)
Gipfelgruss an Cuno

Nach einer langen Pause folgen wir den Steinmännchen hinunter in Richtung Cadlimo-Hütte, zweigen dann aber beim Lago Scuro nach Osten ab und folgen dem Bachlauf weglos bis zum fünften See, dem Lago dell Isra. Ich rieche nach getrockneten Kräutern, als ich mich auf den Boden lege, um das vom Wollgras eingebettete Wasser zu fotografieren. Die Sonne wärmt sommerlich, das Licht verrät die Sanftheit des Herbstes.

Der Taneda von hinten
Der Taneda von hinten
Herbstfreuden
Herbstfreuden

Es folgt ein längerer «Gwaggel» durch das Val Cadlimo, zwischendurch wechseln wir ein paar Worte mit einem Schafhirt und seiner grossen Hundefamilie. Kurz nach einem kleinen Stauwerk zweigen wir ab und umrunden den Schenadui in Richtung Passo dell‘ Uomo. Der Blick auf den Lukmaniersee ist nett, aber noch viel schöner sind die rotglänzenden Blättchen der Heidelbeerstauden am Wegrand, die die Berghänge edel färben.

Es zieht sich jetzt etwas in die Länge, aber bald sorgt das Auftauchen des Campanitts – eine Art Mailander Dom des Lukmanier-Gebiets – wieder für Kurzweile. Wir haben die Wahl, ihn links über den Passo delle Columbe oder rechts über den Passo del Sole zu umgehen, und entscheiden uns für Letzteren. Das fahler werdende Herbstlicht entfaltet seine volle, sinnliche Wirkung, als wir gegen fünf Uhr den Pass überschreiten.

Der Campanitt, rechts davon der Passo del Sol
Der Campanitt, rechts davon der Passo del Sol

Der Abstieg ins Bleniotal nach Acquacalda entpuppt sich als schönes Wander-Dessert. Bei der Baumgrenze beginnt ein friedvolles Promenieren durch den Selvasecca, eine Heimat für Zirbelkiefer und Fichten und ihre Mitbewohner, die vor etwa 15 Jahren unter Schutz gestellt wurde. Ich erinnere mich etwas beschämt an die späten 80er-Jahre, als wir mit den Lastwagen und Kanonen der gezogenen Artillerie durch dieses herrliche Gebiet gefegt sind. Heute zieren nur einige hübsche Ferienhäuschen die Abfolge von Rücken, Schluchten, Torfmooren und Sümpfen im hügeligen Wald.

Selvasecca I
Selvasecca I
Selvasecca II
Selvasecca II

Schliesslich erreichen wir die Passtrasse und damit das gepflegte kleine Hotel von Pro Natura in Acquacalda, wo wir einen gemütlichen Abend mit feinem Steinpilz-Risotto und einer guten Flasche Rotwein verbringen. Ich ziehe meine Nase nochmals voll mit frischer Bergluft, bevor ich in die weichen Daunen sinke.

Anforderung: 24,4 km, 1’174 m auf- und 1’222 m abwärts, 7 ¾ Stunden.

Route: PDF von SchweizMobil

Edwin van der Geest

Der Zolliker Edwin van der Geest ist ein begeisterter Wanderer. Er beschreibt regelmässig seine Lieblingstouren, die sich insbesondere für gut trainierte Wandersleute eignen.

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