«Es gibt nur wenig wirklich fassbare Erfolge»

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20. Dezember 2024 – In unserer sechsteiligen Serie hatte der Gemeinderat Gelegenheit, seine bisherige Arbeit und die erzielten Erfolge vorzustellen. Wie kommt die Zwischenbilanz bei der Bevölkerung an? Wir haben den politisch breit interessierten Riccardo Wahlenmayer um eine Einordnung aus persönlicher Sicht gebeten. (1 Kommentar)

20. Dezember 2024 – In unserer sechsteiligen Serie hatte der Gemeinderat Gelegenheit, seine bisherige Arbeit und die erzielten Erfolge vorzustellen. Wie kommt die Zwischenbilanz bei der Bevölkerung an? Wir haben den politisch breit interessierten Riccardo Wahlenmayer um eine Einordnung aus persönlicher Sicht gebeten.

Einordnung aus persönlicher Sicht (Abb.: ZN)

VON RICCARDO WAHLENMAYER*

Der Start liess Böses ahnen, als der Gemeinderat – notabene nach mehrtägiger Retraite – als Ergebnis stolz «Wortwolken» präsentierte. Die Substanz entsprach etwa dem, was ein paar Zolliker Gymnasiasten nach einem stündigen Brainstorming abgeliefert hätten: ein Potpourri profaner Worthülsen und Allgemeinplätze, wie «Lebendigkeit» oder «Aufwertung».

Trotzdem war das Echo erstaunlicherweise positiv. Hüben und drüben machte sich Zuversicht breit, und man glaubte, Aufbruchstimmung bei der neugewählten Exekutive feststellen zu können.

Die anschliessend an der Gemeindeversammlung vom 15. März 2023 vorgestellten Legislaturziele konnten sich dann tatsächlich sehen lassen. Erfreulicherweise hatte der Gemeinderat in seinem Grundsatzpapier nicht nur hehre Ziele, sondern auch die notwendigen Massnahmen festgelegt, um diese zu erreichen.

Wer allerdings genauer hinschaute, dem wurde klar, dass sich der Gemeinderat mit den oft wenig konkreten bzw. messbaren Formulierungen nicht allzu viel Druck aufsetzen wollte. Eigentlich schade, denn es ist besser, ein ambitiöses Ziel (noch) nicht erreicht zu haben als nur «wischi-waschi»-Ergebnisse anzustreben, hinter denen sich jeder verstecken kann, wenn er zur Rechenschaft gezogen wird.

Offensiver kommunizieren

Umso mehr war man gespannt auf die Beantwortung der Fragen, welche die «ZollikerNews» dem Gemeinderat bei Halbzeit der Legislatur stellten. Hier wurde ein echtes Manko aufgedeckt: Die Legislaturziele und die entsprechenden Massnahmen werden vom Gemeinderat viel zu wenig als Führungsinstrument eingesetzt.

Bei Vorlagen und Abstimmungen sollte jeweils konsequent und explizit auf die damit verbundenen Legislaturziele verwiesen werden. Der Gemeinderat hätte es dann leichter, sich den jeweils gerade aktuellen Forderungen irgendwelcher Interessengruppen entgegenzustellen und die eigene strategisch orientierte Agenda zu verfolgen.

Andere Gemeinden publizieren ihre Legislaturziele prominent auf der Website und halten in regelmässigen Abständen fest, welche Massnahmen getroffen und welche Fortschritte erzielt worden sind. Das ist in Zollikon bisher nur ansatzweise der Fall – beispielsweise, als der Gemeinderat zum Thema «Förderung von sicheren Velorouten in Zollikon» eine Umfrage bei der Bevölkerung startete und dabei explizit auf sein Legislaturziel verwies.

Wenig Konkretes, Nachprüfbares

In materieller Hinsicht darf dem Gemeinderat zugute gehalten werden, dass er in allen Bereichen einiges zumindest in Bewegung gebracht hat. Aber wirklich fassbare Erfolge sind, jedenfalls zurzeit, nur wenige zu verzeichnen oder nur als marginale Zwischenschritte zu bewerten. So wird beispielsweise bei der Ortskerngestaltung im Dorf nach über zwei Jahren seit der Erledigung der Initiative Widmer lediglich die schlichte Verlängerung des Mietvertrages mit der ETH im Beugi ins Feld geführt.

Es fällt auf, dass offenbar alles sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Nur schon für den Start eines Projektes zur Ortskerngestaltung im Zollikerberg dauerte es bereits rund zwei Jahre, und bis zur Durchführung eines Workshops mit den Anspruchsgruppen, wo erfahrungsgemäss wenig Beschlussreifes zu erwarten ist, vergeht praktisch nochmals ein Jahr.

Vielen der wortreich vorgetragenen Rechenschaften haftet – analog zu den verabschiedeten Zielsetzungen – der Mangel an Konkretem und Nachprüfbarem an. Oder sie reklamieren das, was bisher schon gut funktioniert hat, als Erfolg der eigenen Anstrengungen.

Mit Formulierungen wie «sind angestossen worden» oder «werden Gespräche geführt» wird jedoch nur die magere Bilanz kaschiert. Das Fokusthema Jugendpartizipation wird so ungeniert «im nächsten Jahr priorisiert», und als aktuelle Massnahme kommt offenbar nichts anderes in Frage, als der völlig lebensfremde und hilflose Aufruf an die jüngere Bevölkerung, dem Gemeinderat «kreative Ideen» einzureichen.

Die zahlreich in Auftrag gegebenen externen Studien, Untersuchungen und Umfragen mögen wohl sinnvoll sein, jedoch nur dann, wenn die gewonnen Erkenntnisse nicht nur in Konzepte münden, sondern rasch und konsequent in Taten umgesetzt werden. Davon ist tatsächlich nicht viel zu spüren. Bei der Frage der Einführung von Tagesschulen wird nach Besuchen von verschiedenen Modellen vor Ort durch die Leitungspersonen der Schule die weltbewegende Erkenntnis aufgeführt, dass nur ein anderer Name – «erweiterte Tagesstruktur» statt «Tagesschule» – zum Ziel führt. Mehr nicht!

Mehr Selbstkritik und Selbstsicherheit

Bemerkenswert ist zudem, dass in all den Antworten des Gemeinderats praktisch nie mit klaren Worten Ziele oder Massnahmen erwähnt werden, bei denen die Umsetzung scheiterte, nicht einmal beim totalen Fiasko der angestrebten Umwandlung der Forchbahn in ein Tram im Zollikerberg. Der Gemeinderat hatte sich da auf einen von Anfang an zum Scheitern verurteilten Rechtsweg eingelassen, anstatt auf breiter Basis politischen und öffentlichen Druck aufzubauen und insbesondere via seinen Verwaltungsrat direkt auf die Verantwortlichen der verfehlten Strategie der Forchbahn AG Einfluss zu nehmen.

Völlig vermisst man – in den Unternehmungen der Privatwirtschaft durchaus üblich – dass ein Ziel beispielsweise aufgrund neuer Umstände sistiert oder gar aufgegeben wird. In dieser Hinsicht wünscht man sich vom Gemeinderat deutlich mehr Selbstkritik und damit verbunden mehr Selbstsicherheit beim Regieren.  

Hoffen auf die zweite Halbzeit

Bei aller Kritik darf auch darauf hingewiesen werden, dass es der aktuelle Gemeinderat am Anfang nicht leicht hatte und er auf vielen Baustellen des Vorgängergremiums zuerst einmal massive Aufräumarbeiten erledigen musste. Erwähnt seien hier etwa die jahrelang vernachlässigte Digitalisierung oder die Revision der Liegenschaftenstrategie und natürlich die Revision der Bau- und Zonenordnung.

Positiv sind auch die aktuellen, beherzten Einsätze des Gemeinderats beim Erhalt des Restaurants Trichtenhausermühle oder der trotz anfänglichem Überrumpelungsgejammer schliesslich ausgesprochen effizient aufgebaute Widerstand gegen die unsägliche Deponie im Zollikerberg.

Noch besteht also die Hoffnung, dass die zweite Halbzeit deutlich besser wird. Die Legislaturziele 2022-2026 könnten mit vollem Umsetzungs-Elan aller Beteiligten und mit stärkerer führungsmässiger Einflussnahme des Gemeinderats sowie verstärkter kommunikativer Begleitung durchaus zum Erfolgserlebnis werden.

Riccardo Wahlenmayer (Jg. 55) wohnt seit über 65 Jahren in der Gemeinde und verfolgt das politische Geschehen mit grossem Interesse. Als Familienvater und Jurist mit langjähriger Erfahrung in General-Management-Funktionen engagiert er sich über die Parteigrenzen hinweg für bürgernahe Nischen-Projekte.

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Lieber Gemeinderat
Es ist für mich absolut unverständlich, dass sich der Gemeinderat, nach dem Entscheid des ZVV den Bus 910 zum umständlichen Bahnhof Zollikon führen zu lassen, sich nicht gegen diesen Entscheid setzte! Zuvor war die Erreichbarkeit diverser Einrichtungen im Seefeld direkt via Tiefenbrunnen und mit anschliessendem Tram äusserst angenehm. Mit Gepäck am Bahnhof Zollikon auf die S-Bahn umzusteigen ist sehr unpraktisch und für mich ein Fehlentscheid! Beim Umsteigen am Dufourplatz erwartet mich mehrheitlich ein voll besetzter Bus!
Ich bin Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diese Fehlplanung rückgängig machen könnten!
Mit guten Wünschen zwischen den Jahren und guten Entscheidungen im 2025 grüsse ich Sie freundlich,
Adrienne Borsari

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