Von der Entdeckung des Nebelbachs

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5. Januar 2025 – Martin Günthardt*, neuer reformierter Pfarrer der Gemeinde, hat sich ganz besonders gefreut, als er in Zollikon auf einen Bach stiess. Dazu ein fotografisch festgehaltener Moment des Glücks von unserem Kollegen Reto Schlatter**.

5. Januar 2025 –  Martin Günthardt*, neuer reformierter Pfarrer der Gemeinde, hat sich ganz besonders gefreut, als er in Zollikon auf einen Bach stiess.

Nun also Zollikon. Nach elf Jahren Zürich-Höngg mein neuer Lebens- und Arbeitsort. Zum Beruf des Pfarrers gehört das Wohnen am Ort, das ist Privileg und Herausforderung zugleich. Es bedeutet, Beziehungen und Liebgewonnenes zurückzulassen, aber auch Freiraum für neue Entdeckungen.  «Für alles gibt es eine Stunde, und Zeit gibt es für jedes Vorhaben unter dem Himmel.» Die Worte aus dem Predigerbuch des Alten Testaments nehmen diese Erkenntnis poetisch auf.

«Ich vermisse die Limmat und das Werdinseli»,sagte meine Frau nach der ersten Woche. «Aber hier sind wir näher am See», versuchte ich zu kontern, musste aber zugeben, dass dieser von der Höhestrasse doch ein ganzes Wegstück entfernt ist. Bald darauf führte uns ein Spaziergang mit unserer Dackeldame Belinha in das kleine Tobel, das zwischen dem Friedhof Enzenbühl und der Wittelikerstrasse liegt. Nach wenigen Schritten waren wir in einer anderen Welt. Ein verschlungener Pfad, gesäumt von grünen Bäumen und einer reichhaltigen Flora und Fauna führte uns über eine romantische Holzbrücke. Wir fühlten uns wie Frodo, der Hobbit und seine Gefährten auf ihrer Wanderung in der Saga «Der Herr der Ringe» und spähten vorsichtig, ob sich nicht einige Orks hinter den Bäumen versteckten.

Nach einer kleinen Steigung überquerten wir die Rebwiesstrasse und erblickten den kleinen Teich, wo uns ein fröhliches Entenpaar begrüsste. Bald darauf erreichten wir durch die Unterführung der Bergstrasse die Zolliker Allmend mit dem spektakulären Rundblick über den Zürichsee. Die Worte des Psalmisten schossen mir durch den Kopf: «Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen: Woher wird mir Hilfe kommen? Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat.»

Mittlerweile habe ich etwas nachgeforscht und herausgefunden, dass der «Nebelbach» ein Zufluss des Riesbaches und schon seit dem 15. Jahrhundert als «Näppelbach» urkundlich erwähnt ist. Seinen Namen verdanke er dem oft aus dem Bachbett aufsteigenden Nebel. Nachdem er unter der Rotfluhstrasse durchfliesst, schlängelt er sich durch eine offene Wiese beim Nebelbachweg Richtung Südstrasse und Seefeld. Sein offenes Ufer wird mit Sense abschnittweise gemäht, so dass Libellen und andere Insekten einen Lebensort haben. Ein kleines Stück Natur mitten im städtischen Gebiet.

Nach dem riesigen Iguazú-Fluss mit den Wasserfällen in Argentinien, wo wir auch 10 Jahre gewohnt haben und der Zürcher Limmat in Höngg nun also der Nebelbach. Und ich freue mich darauf, weitere wunderbare Orte und Ecken an meinem neuen Wohnort zu entdecken. Ganz nach dem berühmten Vierzeiler von Goethe: «Willst du immer weiter schweifen? Sie, das Gute liegt so nah. Lerne nur, das Glück zu ergreifen. Denn das Glück ist immer da.»

*Martin Günthardt, 53, ist reformierter Pfarrer und ausgebildeter Jazzpianist. Von 2003 bis 2013 war er Pfarrer und Schulleiter in Argentinien in der Iglesia Evangélica Suiza. Anschliessend Pfarrer in Zürich-Höngg, seit Juli 2024 in Zollikon-Zumikon mit Schwerpunkt Jugend und junge Erwachsene. Er ist bis heute aktiv in verschiedenen Bands und Projekten von Jazz & Blues bis Rock & Pop.

8. Oktober 2024: fotografisch festgehaltener Moment des Glücks von Reto Schlatter
8. Oktober 2024: fotografisch festgehaltener Moment des Glücks von Reto Schlatter

«Die Natur spendiert oft Glücksmomente wie hier bei einer Wanderung an den Lago d’Arpy im Aostatal, als sich nach vielen regnerischen und trüben Tagen wieder einmal die Sonne zeigte.»

** Reto Schlatter hat uns für diese Serie acht Schwarz-Weiss-Bilder zur Verfügung gestellt, die er mit «Glück» in Verbindung bringt. Als Fotograf bewegt er sich seit über 30 Jahren zwischen journalistischen, kommerziellen und freien Arbeiten. Der Antrieb liege «im Reiz der Begegnungen mit Leuten aus verschiedenen Lebenswelten und dem Spiel mit Licht und den kompositorischen Möglichkeiten der Fotografie». Eine Auswahl seiner Bilder finden Sie auf seiner Website.

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