Der erste Verkaufswagen kam 1925 ins Dorf

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17. Januar 2025 – Als die Migros am 25. August 1925 ihre ersten fünf Ford T-Verkaufswagen auf Tour schickte, machte einer auch in Zollikon Halt: an der Gstadstrasse, beim Restaurant Obstgarten, wo heute der Coop eingemietet ist, und beim Dorfschulhaus. (1 Kommentar)

17. Januar 2025 – Als die Migros am 25. August 1925 ihre ersten fünf Ford T-Verkaufswagen auf Tour schickte, machte einer auch in Zollikon Halt: an der Gstadstrasse, beim Restaurant Obstgarten, wo heute der Coop eingemietet ist, und beim Dorfschulhaus.

Migros-Verkaufswagen um 1949 im Zollikerberg (Foto: MGB-Archiv*)
Ältestes Foto: Migros-Verkaufswagen um 1949 im Zollikerberg

Das ging ruckzuck. Der Migros-Laster hielt laut Fahrplan jeweils am Dienstag und Freitag an jeder Station, aber nur zehn Minuten. Vom Gstad (beim Eisenbahnviadukt) ging es weiter nach Goldbach (Höhe Terlinden), dann nach Küsnacht und Erlenbach. Der Rückweg führte über die Alte Landstrasse nach Zollikon, zuerst zum Restaurant Obstgarten und dann zum Dorfschulhaus.

Die eben erst von Gottlieb Duttweiler gegründete Migros AG, die noch keine Genossenschaft war wie heute, trat als Discounter auf und bot nebst Früchten und Gemüse Artikel wie Teigwaren, Kokosnussfett, Seife oder Würfelzucker bis zu 45 Prozent billiger an, was in der Branche böses Blut, Boykottdrohungen und schliesslich einen erbitterten Preiskampf auslöste.

Appell an die «reinliche» Hausfrau

Duttweiler liess sich jedoch nicht einschüchtern. Auf der Rückseite des ersten Fahrplans von 1925 schlug er kämpferische Töne an und wandte sich direkt an die Hausfrauen: «Wen träfe dieser Boykott, wenn er Erfolg hätte?», fragte er – und gab gleich selber die Antwort: «Den Konsumenten, denn er würde seines billigen Versorgungskanals beraubt.»

Duttweiler stimmte eine Lobeshymne auf das weibliche Geschlecht an: «So dumm sind unsere Hausfrauen nicht – uns imponiert die kleine Frau, die erkennt, was Qualität ist, die den Mut hat, unbeirrt eine Sache zu fördern, die gut und ernsthaft gemeint ist, die die reinliche Gewohnheit pflegt, bar zu zahlen und versteht, um was es geht: für oder gegen eine radikale Verbilligung.»

Der Text gipfelte im Aufruf: «Hausfrauen, macht Eure Kaufkraft geltend – die Entscheidung liegt bei Euch!» Und in der Aufforderung: «Bitte legen Sie diesen Fahrplan ins Haushaltungsbuch!»

Fahrplan des Migros-Verkaufswagens vom August 1925 (Quelle: MGB-Archiv*)
Fahrplan des Migros-Verkaufswagens vom August 1925

Duttweilers Idee setzte sich durch, auch wenn die Migros in einigen Kantonen von der Politik für Jahre verboten wurde. 1933 wurde über das Unternehmen sogar ein Filialverbot verhängt. Das nützte alles nichts. Die Frauen stimmten bei den Verkaufswagen mit ihrem Portemonnaie ab, auch in Zollikon und auf dem Zollikerberg.

Flächendeckende Bedienung

1928 hielten die Verkaufswagen der «Linie Seefeld-Zollikon» von Montag bis Samstag bereits an 13 Zolliker Stationen. Die «Linie Grüningen-Forch-Zumikon» bediente auf der Heimfahrt auch noch den Zollikerberg und die Waldburg. 1939 waren es bereits 21 Haltestellen in Zollikon und 3 auf dem Zollikerberg. Um 1948 versorgte die Migros das Dorf und den Berg flächendeckend und täglich mit günstiger Ware aus der vierrädrigen Filiale (siehe Links zu den alten Fahrplänen am Schluss des Artikels).

Damals kosteten 100 Gramm Emmentaler übrigens 50 Rappen, grosse Importeier 25 Rappen das Stück, für ¼ kg Zaunkaffee zahlte man 1.70 Fr., und ½ kg ägyptischen Reis für Risotto bekam man für 75 Rappen.

Die grösste Verbreitung fanden die Migros-Verkaufswagen Mitte der 1960er-Jahre, als in der Schweiz 144 Gefährte unterwegs waren. Parallel dazu wuchs das Filialnetz mit Selbstbedienungsläden, welche die Migros hierzulande im Jahr 1948 als erste Kette eingeführt hatte. In Zollikon war es im November 1972 soweit, also vor ziemlich genau 50 Jahren.

«Vortreffliche Lage an der Goldküste»

Der 1972er-Geschäftsbericht des Migros-Genossenschaftsbundes widmete der Zolliker Eröffnung einen ganzen Abschnitt: «Dem neuen Kombiladen in Zollikon kommt weit mehr Bedeutung zu, als man aus der Verkaufsfläche von ‹nur› 750 m2 schliessen würde. Die vortreffliche Lage an der Zürcher ‹Goldküste› bringt der Migros viele neue Kunden, die vom Verkaufswagen bisher nur zum Teil erfasste wurden. Beim Ladenausbau und der Warenpräsentation wurden die Bedürfnisse der dortigen Bevölkerung besonders berücksichtigt. Am Eröffnungstag (8. November 1972) betrug der Totalumsatz Fr. 205’000.–, wobei den Kunden auf allen Artikeln ein Eröffnungsrabatt von 10% zugestanden wurde.»

Dramatische Entwicklungsphase

Die Migros ergatterte sich ihren Platz im Zentrum von Zollikon in einer recht dramatischen Entwicklungsphase. 1964 begann der Bau der Rotfluhstrasse, und das traditionsreiche Restaurant «Zum Obstgarten» wurde abgerissen. An seine Stelle trat der nüchterne Kubus, in dem heute die Coop-Filiale untergebracht ist (1). Der «Obstgarten» mit seiner gemütlichen Gaststube, der Gartenwirtschaft und der ersten automatischen Kegelbahn der Schweiz war ein beliebter Treffpunkt für die Bevölkerung.

Der letzte Gastwirt, Arnold Alber, gelernter Spengler, wohnte gegenüber an der Alten Landstrasse 93/95 (2). Wenn er zu einem der hinteren Fenster hinaussah, erblickte er eine weitläufige Wiese, mittendrin ein freistehendes Haus (3). Auf diese grosse Fläche kam der Beton-Flachdachbau mit der Migros-Filiale und einer Niederlassung der Schweizerischen Kreditanstalt zu stehen, eine architektonische Sünde, aber typisch für jene Zeit. 1978 wurde das Altersheim Beugi eröffnet, ebenfalls keine Schönheit. Der Gemeindesaal mit Bibliothek und Zolliker Stube erhielt 1988 zum Glück wieder ein passenderes Giebeldach.

1965: Ein freistehendes Haus, wo sich heute die Migros-Filiale befindet
1965: Beim Punkt 3 befinden sich heute die Migros-Filiale und der Gemeindesaal

Den Dorfplatz im heutigen autofreien Zustand mit Tiefgarage gab es bei der Eröffnung der Migros-Filiale 1972 noch nicht. Der Schreibende erinnert sich, wie er damals Abend für Abend seinen hellblauen Döschwo auf dem grossen Parkplatz vor der Migros parkierte. (rs)

Fahrplan der Migros-Verkaufswagen 1925

Fahrplan 1928

Fahrplan 1939

Fahrplan 1948

Quellen: * Foto Verkaufswagen (MGB_Dok_Fo_060067) und PDF der Fahrpläne: Mit freundlicher Genehmigung des Migros-Genossenschafts-Bundes. Alle Rechte vorbehalten / Zolliker Ortsmuseum / Grafik: ZN).

1 KOMMENTAR

Wirklich interessanter Beitrag ueber die Migros-Verkaufswagen und deren Einsatz in Zollikon/Zollikerberg ! Erstaunlich, dass diese ihren Hoehepunkt in der Schweiz erst in den 60er Jahren erreichten; ich dachte, das sei schon viel frueher gewesen.

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