«Es gibt in Zollikon mehr Isolation und Einsamkeit»

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12. November 2021 – Der Zolliker PR-Berater Klaus J. Stöhlker weiss, wie man Menschen, Firmen und Parteien ins beste Licht rückt. Wir sprechen mit ihm über Zollikon, die Gemeinde, der der 80-Jährige auf unverbrüchliche Art die Treue hält.

Porträt Klaus J. Stöhlker
PR-Berater Klaus J. Stöhlker (Foto: zvg)

MIT KLAUS J. STÖHLKER SPRACH BARBARA LUKESCH

Herr Stöhlker, Sie sind seit 40 Jahren mit Ihrer PR-Agentur in Zollikon daheim. Mit Ihrer Frau Paula leben Sie seit bald 50 Jahren in Zollikerberg. Wie hat es Zollikon geschafft, Sie mehr als Ihr halbes Leben an sich zu binden?

Mir hat es in Zollikon von der ersten Stunde an gefallen. Die Nähe zu Zürich entspricht mir sehr, dann eine Bevölkerung, die mich immer in Ruhe gelassen hat. Die Zolliker wollten stes nur meine Steuern, ansonsten wollten sie nicht viel von mir wissen.

Bei Ihrer Einbürgerung Mitte der achtziger Jahre hat man sicher das Eine oder Andere von Ihnen wissen wollen. Man musste doch in Erfahrung bringen, mit wem man es da zu tun bekam.

Ich hatte das grosse Glück, dass das Zolliker Urgestein Ulrich Bremi mein Pate war und unterschrieben hat, dass ich ein anständiger Mensch sei.  Meine Einbürgerung im Gemeindehaus dauerte denn auch nur viereinhalb Minuten. Ich musste mich allerdings teuer einkaufen und 33’000 Franken bezahlen, wobei ich noch 50 Prozent Rabatt erhielt, weil meine Frau Schweizerin ist.

Und sonst? Was hat Zollikon zu bieten?

Was meine Frau und ich sehr an unserem Wohnort schätzen, ist die Nähe zum Wald. Meine Frau ist Walliserin, liebt die Natur und gemeinsam laufen und wandern wir viel. Wir kennen jeden Weg rund um Zollikon, bis nach Küsnacht über Zumikon bis hinauf auf die Forch. Andererseits lieben wir das Werenbachtobel, durch das wir ins Seefeld kommen, von wo wir innert Kürze mit der Bahn zurückfahren können.

Gemäss Gemeinderanking 2021 ist Zollikon die attraktivste Gemeinde des Kantons Zürich, wobei Kriterien wie Arbeit und Wohnen beurteilt wurden. Teilen Sie diese Einschätzung?

Zollikon wird ja zusehends internationaler, und diese Menschen arbeiten zwar mehrheitlich in Zürich, schätzen aber Zollikon mit seiner Nähe zur Stadt als Wohnort. Wer wie ich seinen Arbeitsplatz in Zollikon hat, geniesst diese Nähe auf seine Art. Wenn man an eine Sitzung am Bellevue oder Paradeplatz muss, ist man mit dem Auto in zwanzig Minuten in der Stadt. Und nicht vergessen: Mit der Intercommunity School in Zumikon haben die vielen Expats zudem noch die passende Schule für ihren Nachwuchs in Reichweite.

Wenn Sie Gäste aus dem Ausland oder aus Genf zu einem Rundgang durch Zollikon einladen würden, was würden Sie ihnen zeigen?

Zum Einen den alten Zolliker Ortskern mit den wunderschönen Fachwerkhäusern, der gefällt allen ausnehmend gut. Dann würde ich ihnen den Blick von der Allmend über den Zürichsee präsentieren. Und zuletzt ginge es noch nach Zollikerberg, wo wir in die Landschaft hinauswandern würden, am liebsten bis zum Kriegerdenkmal auf der Forch.

In welchem Restaurant würden Sie mit Ihren Gästen essen gehen?

Ins «Rössli» für kurze Essen mit wenig Zeit. Für etwas ausgiebigere Mahlzeiten zu vernünftigen Preisen in die «Trichtenhausermühle», wo drei hervorragende Köche am Herd stehen. Und wenn ich exzellent essen und mehr Geld als üblich liegenlassen will, lade ich meine Gäste in die «Obere Flühgasse» genau an der Stadtgrenze zu Zürich ein.

Sie sind PR-Berater und haben Ihre Kunden jeweils ins beste Licht zu rücken versucht. Was würden Sie in den Mittelpunkt stellen, wenn Sie Zollikon vermarkten sollten?

Die Unabhängigkeit der Gemeinde, die die zunehmenden steuerlichen Vorteile gegenüber Zürich ermöglicht hat. Das wäre das schlagende Argument.

Inwiefern ist Zollikon klassische Goldküste, und inwiefern ist es aber auch anders als andere Gemeinden am See?

Zollikon bietet eine einzigartige Mischung aus Goldküste mit dem entsprechenden Flair und der grossen Nähe zum vitalen, urbanen Zürich. Meiner Erfahrung nach trägt diese Stadtnähe dazu bei, dass die Zolliker Bevölkerung jung bleibt. Wer nur schon in Herrliberg und erst recht in Lachen oder Schindellegi wohnt, fährt abends selten noch mal schnell ins Theater oder die Oper nach Zürich. Als Zolliker bin ich in zehn Minuten im Schauspielhaus oder an der Universität zu einem Vortrag. Das hält mich wach.

Birgt diese Nähe zur grossen, attraktiven Stadt nicht auch die Gefahr, dass sich die Zolliker Bevölkerung zu sehr nach Zürich ausrichtet und dadurch das Gemeindeleben vernachlässigt?

Die alteingesessenen Zolliker sind ihrer Gemeinde ja sehr treu und zufrieden mit dem kulturellen Angebot. Die Jüngeren aber wollen mehr Unterhaltung und tragen nicht sehr viel bei zum Gemeindeleben. Das führt zu einer gewissen Anonymisierung, man kennt sich weniger als früher, die Leute ziehen sich in ihre Häuser zurück. Es gibt mehr Isolation, mehr Einsamkeit. Die Leute bleiben im besten Fall unter ihresgleichen und verschliessen sich der Gemeinschaft. Ich beobachte allerdings auch gewisse Ansätze wie das Café am Puls in Zollikerberg, die da Gegensteuer zu geben versuchen. Das sollte auch andere dazu veranlassen, mehr zur Verbreiterung des kulturellen und gesellschaftlichen Angebots beizutragen.

Nehmen Sie andere «Baustellen» innerhalb der Gemeinde wahr, wo Handlungsbedarf besteht?

Richtig schlimm finde ich die Verkehrslage in Zollikerberg: Forchbahn, Forchstrasse, Binzstrasse und der Flugverkehr. Das sind vier Belastungen, die mit Unmengen von Verkehr, Lärm und Dreck einhergehen. Hier muss unbedingt Abhilfe geschaffen werden.

Eines Ihrer wichtigsten Arbeitsfelder war immer die Politik. Zollikon liegt fest in der Hand der FDP, die vier von sieben Gemeinderäten stellt. Wie beurteilen Sie diese Machtballung?

Die Zolliker FDP hat ihre eigene Geschichte. Mit Ulrich Bremi an der Spitze war sie mal so etwas wie der Vatikan der Partei. Und noch heute ist sie für ältere und alte Menschen ganz wichtig. Das kommt in der Sitzverteilung im Gemeinderat zum Ausdruck. Ich begrüsse sehr, dass es mit Sascha Ullmann von den Grünliberalen als Präsident eine gewisse Öffnung gegeben hat. Und wenn es bei den nächsten Wahlen politisch noch etwas bunter wird, wäre das wunderbar und würde der Gemeinde Schub verleihen.

Warum hat es das Forum 5 W mehrere Jahre mit drei Gemeinderäten ganz nach vorne geschafft, während die SP nahezu chancenlos ist?

Viele 40- bis 50-Jährige wollen weder die FDP noch die SVP, aber auch nicht die SP. Sie haben die Nase voll von den klassischen Parteien und nehmen das Forum 5 W als eine Art Bürger- und Bürgerinnenbewegung wahr, was ihrem Wunsch nach Unabhängigkeit entgegenkommt. Die SP leidet zusätzlich darunter, dass sie die Nachwuchspflege vernachlässigt hat und heute keine attraktiven Kandidaten präsentieren kann.

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Nach 50 Jahren könnte man sich daran gewöhnen sich der einheimischen Sprache zu bedienen. Zum Beispiel wohnen wir nicht „in Zollikerberg“ sondern „im Zollikerberg“ – weil der Zollikerberg gar nie eine eigene Ortschaft war sondern nur aus ein paar Weilern bestand. Das „Kriegerdenkmal“ heisst ganz unprätentiös „Forchdenkmal“; wir wissen alle dass es auch als „gefrorener Furz“ bezeichnet wird. Aber sonst gefällt mir das Interview sehr gut. Ich stimme Herrn Stöhlker zu dass sich die Verkehrslage im Zollikerberg in den letzten zwei Jahren sehr verschlechtert hat.

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