Von einer attraktiven Gestaltung des Seeufers

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18. März 2022 – Die Bevölkerung wünschte sich einen «attraktiven Erholungsraum» am Seeufer, Grillplätze in der Grünanlage bei der Schifflände, die Verbindung der Badestelle beim Alters­heim und dem kleinen Yachthafen mit einer Seepromenade und die Umwandlung der gemeinde­eigenen Liegenschaft Seestrasse 100 in ein Restaurant.

Ansicht Seeanlage 1
Vision Seeanlage von Architekt Alain Merkli

Es sei «ein Jammer, dass in Zollikon am See nichts läuft, wir sind doch eine Seegemeinde», sagte die Zolliker Architektin Franziska Matzinger, damals Mitglied der Baubehörde und federführend in der Ausarbeitung der Vorschläge durch die Arbeitsgruppe der Zukunftskonferenz. Der öffentliche Uferbereich müsse endlich zu einem attraktiven Erholungsraum aufgewertet werden. Man könne die Attraktivität des Seeufers mit verhältnismässig wenig Aufwand erheblich steigern.

Der Gemeinderat sagte damals, er bringe den Ideen zur Aufwertung des Seeufers «grosse Sympathien» entgegen. Angesichts der Dringlichkeit anderer Vorhaben sei er jedoch «zurückhaltend». Er entscheide im Rahmen der Finanzplanung, «ob und welche Projekte in nächster Zeit realisiert werden können». Folglich geschah – nichts.

Kühner Wurf von Architekt Merkli

Parallel zur Zukunftskonferenz entwarf der Architekt Alain Merkli auf Bitte des damaligen Gemeinderats Jürg Widmer (SVP) eine Entwicklungsstudie zur Gestaltung der Zolliker Seeanlage. Das 27 Seiten umfassende Papier ist ein kühner Wurf, eine Skizze für ein höchst attraktives Generationenprojekt. Würde es realisiert, bekäme Zollikon ein ganz anderes Gesicht; wir wären wirklich eine Seegemeinde.

«Es ist für eine Gemeinde ein besonderes Privileg, direkt an den Zürichsee anzustossen», überschreibt Merkli seinen Entwurf und zitiert aus einer Studie der Stadt Zürich: «Mit dem Seeufer Zürich soll visionär umgegangen werden.»

Auch für Zollikon sei der See einer der wichtigsten Standortfaktoren, da für jedermann zugänglich. Trotz des grossen Potentials sei der Anstoss «zur Zeit unterentwickelt und verkümmert». Dem Seequartier mangle es an «attraktivem, öffentlich nutzbarem Raum mit Ausstrahlung».

Um den Finanzhaushalt der Gemeinde möglichst zu schonen, schlug Merkli ein Vorgehen in drei Etappen vor:

1. Etappe: Die Einzelteile der heutigen Seeanlage vom Seeretterhaus bis zum kleinen Bootshafen werden zu einer Gesamtanlage verknüpft. Eine Mauer und eine Grünzone trennen sie von der Seestrasse ab. Der Wartepavillon an der Schiffstation wird zum Kiosk und trägt «dem Grundbedürfnis an Verpflegung in einem öffentlichen, stationären Raum Rechnung».

Seeanlage 1. Etappe
1. Etappe: Verknüpfung der Einzelteile

2. Etappe: Das Seeretterhaus wird durch einen «kräftigen Neubau» mit vier oberirdischen Stockwerken für eine «breite Nutzung» ersetzt. Auf dem Foto ist der architektonisch herausragende Bau mit schräger Frontseite ganz rechts grau-weiss schimmernd dargestellt.

2. Etappe
2. Etappe: Kühner Bau auf dem Seeretterhaus-Fundament

3. Etappe: Die bestehende kleinteilige Seeanlage wird zu einer «grosszügigen, schlüssigen Anlage» zusammengefasst. Der kleine Hafen wird aufgehoben und in einen «grossen, effizienten Hafen» integriert. Durch die Umorganisation entsteht Raum für eine grosszügige Grünanlage mit breitem Zugang zum Wasser, die mit Aufschüttungen den neuen Bedürfnissen angepasst und vergrössert werden kann.

3. Etappe
3. Etappe: Gesamtanlage von links
3. Etappe von rechts
3. Etappe: Gesamtanlage von rechts

Das neue Gebäude im Zentrum der Seeanlage soll Zollikon «ein prägnantes Gesicht verleihen» und «Identität stiften», ähnlich dem KKL in Luzern, nur eine Nummer kleiner. Im vierten Stock befände sich eine Bar mit Galerie, darunter ein Mehrzwecksaal und noch eine Etage tiefer ein Restaurant, alle mit fantastischem Seeblick. Ebenerdig sah Architekt Merkli ein Bistro vor und darunter die Büros der Seerettung.

Vielfältige Nutzung

Das Gebäude soll ein durchlässiges Scharnier zwischen der halb öffentlichen Seebadi und der öffentlich zugänglichen Seeanlage bilden. Bei Events in der Badi, beispielsweise ein Openair Kino, könnten sich die Besucher in den Restaurants verpflegen. Private Veranstaltungen wären im neuen Gebäude ebenso willkommen wie Ausstellungen oder Versammlungen.

Merkli schloss seine Ausführungen mit einem Appell an den Gemeinderat: Trotz finanzschonender Etappierung scheine es ihm wichtig, «dass die Gemeinde ein langfristigiges Ziel in Richtung der dritten Ausbauetappe anstrebt, da erst diese zu einer definitiven Klärung der räumlichen Situation und damit zu einer befriedigenden Nutzung der wertvollen Gemeinderessourcen beiträgt.»

Dritte Ausbauetappe Merkli
Gesamtanlage mit Badi (rechts), Neubau und grossem Hafen (mitte) und Park (links)

Die Regionalausgabe des «Tages-Anzeigers» vom 8. Mai 2010 zitierte den damaligen Bauvorstand Jürg Widmer mit den Worten, der Gemeinderat habe beschlossen, das Projekt Merkli weiterzuver­folgen, es sei genial, weil in Etappen umsetzbar. So müssten nicht die ganzen Investitionskosten auf einmal getätigt werden. Wie es weitergehe, hänge aber auch von seinem Nachfolger ab.

Die damalige Gemeindeschreiberin Regula Bach relativierte umgehend: die Gelder für Investitionen seien knapp, weil die Bevölkerung die geplante Steuerfusserhöhung abgelehnt habe. Der Beschluss des Gemeinderats beweise jedoch, dass die Seeuferproblematik trotz aller Verzögerungen auf der Pendenzenliste nach wie vor weit oben stehe.

Widmers Nachfolger Jürgen Schütt (F5W) erinnert sich, dass man versucht habe, das Projekt in den regionalen Richtplan Pfannenstil einzutragen. Einen Entscheid habe es bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahr 2014 aber nicht gegeben. Er habe das Projekt Merkli sehr interessant gefunden – «ein Wahrzeichen Zollikons» – und jeweils gesagt, «Zürich hat das Zürichhorn, Küsnacht das Küsnachter Horn, nur wir Zolliker haben kein Horn». Man habe sich dann wohl bald auf die Planung und den Bau des Wohn- und Pflegezentrums Blumenrain konzentriert.

Eine Nachfrage bei der Zürcher Planungsgruppe Pfannenstil (ZPP) ergibt, dass es im regionalen Richtplan keinen Eintrag zu einer Zolliker Seeanlage gibt. Das Projekt ist in den Schubladen verschwunden. Merkli sagt, er habe in den letzten acht Jahren in Zusammenhang mit seiner Entwicklungsstudie nie mehr etwas von der Gemeinde gehört.

Kürzlich wurde die grosse Platte über dem Unterstand für private Boote neben dem Seeretterhaus saniert. Davon profitiert jedoch nur die gehfähige Bevölkerung. Zwei mehrstufige Treppen führen zum schönsten Aussichtspunkt von Zollikon am See, an Rollstuhlgängigkeit hat offenbar niemand gedacht; eine Gedanken- und Lieblosigkeit, die zum Umgang mit dem Areal passt. Die versiffte Unterführung als Zugang zum See passt ins Bild. Nach wie vor gibt es in der Grünanlage keine einzige Grillstelle.

Einer der grössten Zolliker Vermögenswerte – der direkte Seeanstoss – wird von der Gemeinde nicht bewirtschaftet.

PDF Entwicklungsstudie Merkli

Das Projekt Harder & Spreyermann

Sechs Jahre vor Merkli hatten Harder & Spreyermann einen vom Gemeinderat ausgeschriebenen Wettbewerb zur Gestaltung der öffentlichen Räume im Bereich des Seeufers gewonnen. Sie schlugen vor, vom Haus «Traubenberg» bis zum Altersheim am See einen grosszügigen Uferquai einzurichten, gestaltet als begehbare Plattform dicht über dem Wasser, abgeschirmt vom Strassenlärm.

Den nötigen Raum wollten sie durch eine Verschmälerung des Fussgängerbereichs auf Strassen­niveau und eine über die Seefläche auskragende Plattform gewinnen. Weil diese auf dem  Fundament der bestehenden Ufermauer aufliegt und rückseitig an einer neuen Ufermauer befestigt ist, wären im See keine baulichen Massnahmen nötig.

Projekt Harder & Spreyermann
Seepromenade von Harder & Spreyermann

Die öffentlichen Uferzonen vom «Traubenberg» über die Schifflände bis zur Wässerig an der Zürcher Stadtgrenze wollten die Architekten mit einem Trottoir entlang der Seestrasse verbinden, mit einer Baumreihe aufwerten und von der Strasse abschirmen. In der Wässerig hätten sie die bestehende Wiese mit den alten Bäumen über die ganze Breite des Areals am Ufer freigelegt und mit einem  Flachufer einen «strandähnlichen Bereich» geschaffen. Entstanden wäre «eine grosse, geschützte, Wiese in schönster Lage am See, die vielseitige Benützungen ermöglicht».

Auch das Projekt Harder & Spreyermann ruht in den Schubladen der Behörden. Überraschend ist das nicht. Wie schreibt doch der Gemeinderat in seinen Legislaturzielen 2018–2022: «Auf nicht zwingend notwendige Investitionen ist zu verzichten, oder sie sind zu verschieben.» (rs)

Blick vom Badeplatz beim Altersheim seeabwärts
Badeplatz beim Altersheim, Haus Seestrasse 100 und ganz hinten der «Traubenberg» (Foto: rs)

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