«Fürs Gewerbe ist Zollikon ein guter Boden»

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22. März 2022 – Am Freitag hat Roman Ribi die Nachfolge von Jürg Widmer an der Spitze des Zolliker Gewerbevereins angetreten. Im Interview erklärt der neue Präsident die spezielle Welt der «Gewerbler», nimmt die Gemeinde ins Gebet und erzählt auch einiges über sich.

Porträt Roman Ribi
Roman Ribi in seinem Büro (Foto: rs)

INTERVIEW: RENE STAUBLI

Roman Ribi, Ihr Vorgänger Jürg Widmer hat als Präsident einiges bewegt: Als er antrat, waren 85 Firmen mit dabei, heute sind es 117. Das 100-Jahr-Jubiläum 2019 wurde unter dem Titel «Zolligala» zu einer Veranstaltung, die hohe Wellen warf und Hunderte Besucher anzog. Was ist Ihr wichtigstes Ziel als Präsident?

Ich möchte Jürgs Arbeit fortsetzen. Er hat den Verein vor 9 Jahren aus dem Dornröschenschlaf geholt, die Mitglieder aktiviert und Gewerblertreffen organisiert. Die letzten beiden Jahre waren wegen der Pandemie schwierig, man konnte fast nichts machen, aber jetzt wollen wir wieder an die guten Zeiten anknüpfen; das ist mein grosses Ziel.

Stellen wir uns jemanden vor, der frisch nach Zollikon gezogen ist. Wie würden Sie dieser Person in aller Kürze erklären, wozu es den Zolliker Gewerbeverein braucht?

In erster Linie braucht es den Verein, damit die Gewerbetreibenden untereinander Kontakt haben, beispielsweise an Treffen wie dem Chilbimontag auf dem Buechholz-Hügel. Es geht darum, dass der Schreiner und der Metallbauer, die sich im Gewerbezentrum täglich begegnen, über den Tellerrand hinausschauen und den «Lädeler» oder den Immobilienverwalter persönlich kennenlernen, die auch zu unserem Verein gehören. Zu diesen Treffen werden jeweils auch die Behördenvertreter und Abteilungsleiter der Gemeinde eingeladen. Damit tun wir in unserem Kreis etwas für ein lebendiges Dorfleben, das ist das Wichtigste.

Und das Zweitwichtigste?

Es wäre cool, wenn uns die Bevölkerung besser wahrnehmen würde und jemand, der einen Maler sucht, auch mal auf unsere Website geht, auf der unsere Mitglieder eingetragen sind. Wir werden vermehrt Möglichkeiten suchen, um gegen aussen sichtbarer zu werden. Dazu gehört, dass wir am 12. April im Gemeindesaal ein Wahlpodium mit allen Gemeinderatskandidaten veranstalten.

Unter einem «Gwerbler» verstehen manche Leute einen Handwerker, der tiptoppe Arbeit leistet, ein wenig griesgrämig ist und sich in der Znünipause am Stammtisch über «die da oben» beklagt. Trifft dieses Bild auf Ihre Mitglieder zu?

Nein, nein, nein, definitiv nicht. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen, aber ich glaube, das ist eine total veraltete Vorstellung. Bei uns hat die moderne Zeit längst Einzug gehalten: alle Firmen haben eine Website, alle können mit digitalen Tools umgehen, wir sind in der neuen Welt angekommen, und das schon seit langem. Bei der Gründung des Gewerbevereins vor mehr als 100 Jahren waren ausschliesslich Handwerker zugelassen. Später waren alle KMU willkommen, das «Chäslädeli» genauso wie der Optiker oder die Bank. Wie breit das Spektrum heute ist, zeigt nur schon ein Blick auf den Buchstaben A unserer Mitgliederliste: da findet man den Autohändler Amag, die Apotheke Zollikon, die Hörberatung Audika und den Autobusbetrieb Baumgartner …

… und die «All In One-Projects GmbH» mit dem Inhaber und Geschäftsführer Roman Ribi. Was für eine Sorte «Gwerbler» sind Sie?

Eigentlich bin ich ein Dienstleister im Bausektor. Ich bin kein Ausführender mehr wie früher, sondern Bauleiter. Bei Umbauten, Renovationen und Unterhaltsarbeiten von Liegenschaften unterstütze ich den Bauherrn, damit er das bekommt, was er sich vorstellt. Wir organisieren, koordinieren und kontrollieren die Arbeiten. Auf Wunsch mit den Unternehmern, die der Bauherr vorschlägt, oder wir ziehen Handwerker aus unserem Netzwerk hinzu. Ausserdem mache ich unter dem Titel «Ribi on Tour» bei Videos der Suva über die Sicherheit auf dem Bau mit.

Ein Sprichtwort sagt, das Handwerk habe «goldenen Boden». Ist das in Zollikon auch so?

Ob es ein goldener Boden ist, weiss ich nicht, aber es ist sicher ein guter Boden für unsere KMU, die in aller Regel weniger als 10 oder 12 Leute beschäftigen und grösstenteils regional unterwegs sind. Wir hatten auch während der Pandemie keine bedrohlichen Umsatzrückgänge. Unser Angebot an unsere Mitglieder, im Falle von finanziellen Schieflagen zu helfen, musste jedenfalls von keiner einzigen Firma in Anspruch genommen werden.

Das Zolliker Gewerbe ärgert sich, dass die Gemeinde Aufträge unter 100’000 Franken nicht «freihändig» an Zolliker Betriebe vergibt, was sie tun könnte, sondern praktisch alle ausschreibt. Den Zuschlag bekommt dann der preisgünstigste Maler aus dem Thurgau, der in Zollikon keine Steuern zahlt und zuhause viel tiefere Miet- und Personalkosten hat. Wie wollen Sie sich dagegen wehren?

Wir haben vor gut zwei Jahren das Gespräch mit dem Gemeinderat gesucht. Man versprach uns, das Thema im Auge zu behalten, aber es passierte nichts. Wobei man sagen muss, dass auch wir nicht nachgehakt haben. Wir schauen jetzt einmal, was bei den Wahlen herauskommt. Dann werden wir uns den neuen Gemeinderäten vorstellen und ihnen klar machen, dass es ein lokales Gewerbe gibt, das man berücksichtigen sollte, nicht zuletzt unter dem Aspekt des CO2-Fussabdrucks. Es macht doch wenig Sinn, wenn ein Handwerker aus dem Thurgau nach Zollikon fährt, um hier etwas zu streichen.

Jürg Widmer hat das Gewerbe 11 Jahre lang im Gemeinderat vertreten. Wie steht es heute mit dem politischen Engagement Ihrer Mitglieder?

Porträt Jürg Widmer
Jürg Widmer

Das lässt leider zu wünschen übrig. Jürg hat an Veranstaltungen immer wieder dafür geworben und auch die Unterstützung des Vorstands angeboten, aber es ist schwierig, Leute zu finden, die sich politisch engagieren wollen. Unter den 41 Kandidatinnen und Kandidaten für die Zolliker Behörden ist leider niemand vom Gewerbeverein vertreten.

Warum kandidieren nicht Sie für ein politisches Amt?

Ich wäre vom Typ her nicht der Richtige.

Warum nicht?

Ich stelle mir die Diskussionen in einer Behörde so vor, dass man es allen recht machen muss, sonst bekommt man eins auf die Kappe. Von meinem Job her bin ich es gewohnt, dass man ein Problem miteinander anschaut, diskutiert, es sofort löst und weitergeht. So, wie ich es mitbekommen habe, läuft es in der Politik oft anders. Mir ginge es zu wenig speditiv vorwärts. Ausserdem wohne ich nicht mehr in Zollikon, sondern seit einiger Zeit mit meiner Lebenspartnerin und unserem Hund in Oetwil a. See. Ich könnte also gar nicht für die hiesigen Behörden kandidieren.

Dem Gewerbeverein ist die Ausbildung von Lehrlingen ein Anliegen. Dies in einem Dorf, in dem mehr als 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler ins Gymnasium gehen. Fehlt es da nicht an Nachwuchs?

In der Pandemie war es schwierig, Jugendliche in die Betriebe einzuladen, aber wir wollen das wieder beleben und mit der Sekundarschule Schnupperwochen organisieren. Ich erinnere mich, wie an der «Zolligala» ein Bursche interviewt wurde, der das Gymi abgebrochen und in einem Zolliker Betrieb eine Gärtnerlehre angefangen hat. Das war sehr spannend und zeigt, dass es auch Alternativen zur Mittelschule gibt. Jürg Widmer hat an unseren Treffen immer wieder gemahnt: «Ermöglicht Schülerinnen und Schülern Schnupperwochen und nehmt Lehrlinge in Eure Betriebe auf, denn wenn Ihr das nicht macht, könnt Ihr noch lange nach Fachkräften schreien.»

Das heutige Gewerbezentrum wurde am 12. Juni 1965 eingeweiht und 1975 erweitert. Es war das erste seiner Art in der Schweiz und verfügt nebst Wohnhäusern über eine eigene Kantine, den «Eggä» …

… die Vorgeschichte des Gewerbezentrums ist echt interessant. Es wurde als Genossenschaft gegründet und wird heute noch von den Firmen, die hier angesiedelt sind, genossenschaftlich betrieben. Das war damals komplett neu und innovativ. Viele sagten, das könne nicht funktionieren. Es kamen Leute von weither, um unser Modell zu studieren. Als Vizepräsident der Genossenschaft kann ich sagen: es funktioniert nach wie vor sehr gut.

Jürg Widmer sagt über Sie: «Roman Ribi kommt bei den Leuten gut an, ist akzeptiert, hat sich als gelernter Schreiner zum Bauleiter emporgearbeitet, führt heute im Gewerbezentrum eine eigene Firma und war lange in der Feuerwehr und in der Theatergruppe Zollikon.» Was wollen Sie uns sonst noch über sich verraten?

Ich bin in Herrliberg aufgewachsen und habe als 16-Jähriger bei der Schreinerei Müller in Zollikon eine Schnupperlehre gemacht. Später habe ich im Schreinerbetrieb von Franz Jöhri in Zollikon gearbeitet und mein halbes Leben hier in der Gemeinde verbracht. Zum Znüni oder Mittagessen gehe ich oft in den «Eggä». Ich kenne in Zollikon eine Menge Leute, aber natürlich nicht so viele wie Jürg – ihn kennen alle.

Die Generalversammlung hat ihn am Freitag zum Ehrenpräsidenten gewählt. Er bleibt als Vizepräsident im Vorstand. Wie sieht Ihre Aufgabenteilung aus?

Wir haben die Rollen getauscht. Ich war als Vizepräsident viele Jahre lang seine rechte Hand und zuständig für die Organisation von Anlässen, beispielsweise auch an der «Zolligala». Nun hat er diesen Job übernommen. Ich bin froh, dass ich als Präsident auf seine immense Erfahrung zählen kann.

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