«Wir haben noch Luft nach oben»

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18. Mai 2022 – Die Grünliberalen haben die Zahl ihrer Behördensitze verdoppelt. Hinter diesem Erfolg steht mit Wahlkampfleiter Rui Biagini ein politischer Neuling, den erst die Corona-Pandemie dazu gebracht hat, politisch aktiv zu werden. Seit Sonntag ist er gewählter Schulpfleger.

Porträt Rui Biagini
Rui Biagini, «Mädchen für alles» bei der GLP (Foto: rs)

INTERVIEW: BARBARA LUKESCH

Rui Biagini, was hat Sie dazu prädestiniert, Wahlkampfleiter der GLP zu werden?

Ich bin jemand, der gern organisiert, Termine koordiniert, den Leuten nachrennt, kurz: alles Nötige zusammenhält. Dazu kenne ich als Politikwissenschaftler die politischen Prozesse und habe etliche Jahre Erfahrung als Fundraiser in leitender Funktion. Da habe ich Kampagnen für Non Profit-Organisationen umgesetzt.

Sie haben mit Ihrem Engagement für die CO2-Sensoren in Schulzimmern und einen generell besseren Schutz für Kinder gegen Corona stark polarisiert. Das hätte auch gegen Sie als Wahlkampfleiter sprechen können, der eine primär integrative Rolle spielen muss.

Es stimmt. Als Präsident des Vereins «Protect the Kids» war ich sehr exponiert in den nationalen Medien. Das hat tatsächlich innerhalb der Ortspartei zu Diskussionen geführt. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass ich mich während dem Wahlkampf nicht zum Thema Corona äussere. Entsprechende Medienanfragen habe ich in diesen Monaten an andere Mitglieder des Vereins weiterleiten können. Das waren nicht besonders viele, weil die Pandemie ja seit einiger Zeit von der Bildfläche verschwunden ist.

Der Entscheid zu Ihren Gunsten war offenbar richtig. Sie sind der erfolgreichste Wahlkampfleiter aller Zolliker Parteien, ist es Ihnen doch gelungen, die Behördenmandate der GLP von 3 auf 6 zu verdoppeln und mit Dorian Selz einen zweiten Grünliberalen – ohne jede Behördenerfahrung – im Gemeinderat zu platzieren. Wie erklären Sie diesen Erfolg?

Zum Einen liegt die GLP national im Trend und reitet auf einer regelrechten Erfolgswelle. Das hat auch uns als Ortspartei Schub verliehen. Dazu sind wir mangels Grünen die einzige Partei in der Gemeinde, die den Begriff «grün» im Namen trägt. Ausserdem hatten wir ein wirklich gutes Team mit viel Motivation und Elan. Alle waren bereit, Extraeinsätze zu leisten, wenn nötig auch frühmorgens.

Wann haben Sie mit dem Wahlkampf begonnen?

Spät. Wegen Corona gab es wenig Zusammenkünfte, alles lief über Zoom. Entsprechend schleppend gingen unsere Vorbereitungen über die Bühne. Erst im November letzten Jahres haben wir unser Wahlkampfteam und die Kandidatenliste zusammengestellt.

Wieviel Geld stand Ihrem Team zur Verfügung?

Unsere sieben Kandidaten mussten je 500 Franken einbringen. Freiwillig haben sie dann nochmals etwa gleich viel dazugelegt. Die Partei hat dann diesen Betrag nochmals verdoppelt, so dass wir etwa 14’000 Franken zur Verfügung hatten, was nicht gerade viel ist für eine Goldküstengemeinde wie Zollikon.

Auch wenn ökologische Fragen zu den Kernthemen der GLP gehören, präsentiert sich die Energiebilanz der Gemeinde äusserst bescheiden. Und das, obwohl Sascha Ullmann, «Ihr» Gemeindepräsident, Solarunternehmer ist.

Bisher war Sascha allein neben einer klaren FDP/SVP-Übermacht. Er war ein Einzelkämpfer, was uns ja auch bewogen hat, mit Dorian Selz einen zweiten Kandidaten ins Rennen zu schicken. Immerhin wurde er kürzlich in einem Meeting zur Erhaltung des Ornitologischen Vereins Zollikon gelobt, viel im Bereich der Biodiversität angestossen zu haben.  Auch für Photovoltaik-Anlagen wie jene im Projekt Fohrbach hat er sich stark gemacht. Diese Politik wollen wir vorantreiben. Es wäre toll, wenn es kein neues oder saniertes Dach auf Gemeindeliegenschaften ohne Photovoltaik-Anlage mehr gäbe.

Einen weiteren Mangel in Ihren Reihen stellt die ausgesprochen magere Frauenquote dar: eine Frau unter sieben Kandidierenden. Das kann Ihnen nicht gefallen.

(heftig) Wir brauchen dringend mehr Frauen. Das ist so. Wir haben uns zwar sehr bemüht, weitere Kandidatinnen zu gewinnen, haben aber auf Granit gebissen. Der Stress, nur schon Beruf und Familie zu vereinbaren, sei gross genug; da brauche es nicht noch ein politisches Amt, hiess es. Diversität ist uns wichtig. Es freut mich sehr, José Blanco im Team zu haben, einen schwulen Mann, der mit seinem Partner gemeinsam einen kleinen Sohn aufzieht. Das ist eine Bereicherung, die unseren liberalen Grundwerten entspricht.

Ihre Tätigkeit als Wahlkampfleiter endet jetzt. In welcher Rolle sehen Sie sich künftig in der Ortspartei?

Ich werde weiterhin im Vorstand präsent sein und dort – ähnlich wie im Wahlkampf – «Mädchen für alles» sein. Man darf mich gern auch so nennen. In dieser Funktion werde ich beispielsweise die Themen für die Gemeindeversammlungen aufbereiten, aber auch den Kontakt zu den Mitgliedern halten. Abgesehen davon hat mich gerade eine Zürcher GLP-Politikerin um meine Unterstützung bei ihrem Wahlkampf für den Kantonsrat gebeten. Das mache ich gern, weil ich weitere Erfahrungen sammeln kann.

Was soll denn beim nächsten Wahlkampf noch besser werden?

Wir brauchen viel mehr Frauen. Wir möchten aber auch gesamthaft mehr Kandidaten stellen. Die nationale GLP wächst, und wir wollen mitwachsen. Mit unseren 40 Mitgliedern sind wir noch eine sehr kleine Partei, die viel Luft nach oben hat. Ich selber werde dann mehr Erfahrung mitbringen.

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