«Es hat im Moment überall junge Füchse»
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27. Mai 2022 – In Zollikon kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Fuchs und Mensch. Nun, da die herzigen jungen Füchslein unterwegs sind, drängt es sich auf, das Thema von allen Seiten zu beleuchten – mit Alain Merkli, dem Obmann der Jagdgesellschaft Zollikon.
INTERVIEW: RENE STAUBLI
Herr Merkli, wer auf der Bergstrasse unterwegs ist, kann die Tafel «Achtung, junge Füchse» nicht übersehen. Wie soll man sich als Automobilist verhalten?
Sie sollten besonders in den Abend- und Dämmerungsstunden langsamer fahren, die Wiese entlang der Strasse im Auge behalten und Bremsbereitschaft erstellen.
Hat es denn dort junge Füchse?
Es hat im Moment überall junge Füchse. Ein Wurf besteht ja aus mehreren Jungtieren, in der Regel 3 bis 6. Sie verlassen den Bau ungefähr nach einem Monat. Dann erkunden Sie die Gegend, und wir können sie sehen.
Wie viele junge Füchse hat es in Zollikon und Zollikerberg?
Das kann man nicht sagen, das ist eine Dunkelziffer. Ich wage aber zu behaupten, dass wir mittlerweile mehr junge Füchse in der Agglomeration als im Wald haben. Was man auch sagen muss: In den letzten drei Jahren sind sehr viele Füchse an der Räude eingegangen.
Wir sind mitten in der Schonzeit, die vom 1. März bis 15. Juni dauert. Dem Merkblatt «Füchse in Zollikon» der Zolliker Jagdgesellschaft kann man entnehmen, dass man in dieser Zeit keine Fuchsfallen aufstellen darf. Warum nicht?
Wenn ich eine Falle aufstelle, läuft vielleicht ein Muttertier hinein. Laut dem Tierschutzgesetz muss man Wildtiere, die in eine Falle geraten sind, an Ort und Stelle erlegen. Wenn die Fähe auf Nahrungssuche für ihre Jungen unterwegs ist und nicht zurückkommt, gehen die Jungen ein. Das möchte man vermeiden.
In Zollikon kommt es gemäss Ihrem Merkblatt «immer wieder zu Konflikten zwischen Fuchs und Mensch». Was stellt der Fuchs denn an?
Er taucht zunehmend in Gärten auf, gräbt gerne den Boden um oder setzt sich auf die Liegebank und lässt dort Haare. Er spielt mit herumliegenden Gegenständen, zum Beispiel mit Spielsachen von Kindern, die er auch gerne zerbeisst. Wenn der Hund der Bewohner einen solchen Gegenstand ins Maul nimmt, und der Fuchs krank war, kann auch der Hund krank werden. Es gibt eine ganze Reihe von Berührungspunkten, die Ärger auslösen können.
Die Jagdgesellschaft spricht von «schadenstiftenden Füchsen». Sind damit die Tiere gemeint, die sich in den Gärten herumtreiben?
Nein, nicht nur. Der Begriff kommt aus dem Gesetz. Der Fuchs ist ein Raubwild. Er kann materiellen Schaden stiften, indem er zum Beispiel Hühner holt. Er kann aber auch Dinge wie Sitzkissen einer Sitzbank zerbeissen, die man ersetzen will. Oder er kotet einen Garten voll, worauf der Hausbesitzer den Gärtner ruft, um Ordnung zu machen und die Rechnung bezahlt haben will. Mit der Übernahme von Gärtner- und Sitzkissenrechnungen wird man aber keinen Erfolg haben, denn der Schadensbegriff wird restriktiv und in Bezug auf die «räuberische Veranlagung» des Fuchses gehandhabt. So reicht es beispielsweise nicht, wenn der Fuchs ein einziges Huhn holt, es müssen mindestens 12 sein, damit gemäss Gesetz ein Schadenfall vorliegt.
Man kann Füchse in Fallen fangen. Wie sieht denn eine solche Falle aus?
Das ist ein Kasten aus stabilem Drahtgitter, den man im Garten aufstellt. Der Fuchs wird mit Futter angelockt. Wenn er drin ist, gehen die beiden Klappen zu, und er bleibt «im Lebendfang».
Kein sehr passender Begriff, denn die Füchse werden ja umgehend erlegt. Warum eigentlich?
Weil das Tierschutzgesetz den Transport gefangener Wildtiere verbietet. Zum einen, weil Krankheiten verschleppt werden könnten. Zum andern, weil die Gefangennahme einen Fuchs ausserordentlich stresst. Ein Transport würde sein Leiden unnötigerweise verlängern.
Im Merkblatt heisst es, «das Fangen und Erlegen kann den Jägern des zuständigen Jagdreviers übertragen werden». Ein Anruf genügt?
So einfach ist es nicht. Kastenfallen sind nur für die aktive Jagd und im «Abwehrrecht» erlaubt. Es gibt klare Richtlinien, wo man eine Falle aufstellen darf und was unter das Abwehrrecht fällt. Wegen eines Kothaufens auf einem Terrassensitzplatz fangen und erschiessen wir keinen Fuchs. Wir als Jagdgesellschaft nehmen uns aber in jedem Fall Zeit, schauen uns den Fall genau an, diskutieren mit den Leuten und informieren sie – auch darüber, dass das Einfangen den Tod des Tieres bedeutet. Fallen stellen wir nur in Härtefällen auf und wenn eine echte Schädigung vorliegt, die es abzuwehren gilt.
Dass man das Fangen und Erlegen eines Fuchses der Jagdgesellschaft übertragen kann, bedeutet aber auch, dass man es selber machen darf.
Ja, das Gesetz erlaubt das grundsätzlich – aber nur den Eigentümern einer Liegenschaft oder den Pächtern eines Gutsbetriebs. Wenn beispielsweise der Mieter eines Hauses das Gefühl hat, er werde von einem Fuchs belästigt und dieser müsse weg, darf er das weder selber machen noch jemanden damit beauftragen. Eigentümer, die ihr Abwehrrecht glaubwürdig darlegen können und eine Falle aufstellen, müssen in der Lage sein, das Tier mit einer für die Jagd zugelassenen Waffe zu erlegen.
Und wenn sich jemand über diese Vorschrift hinwegsetzt?
Wenn jemand irgendeine Waffe nimmt und damit versucht, einen Fuchs in einer Falle zu erschiessen, und der Nachbar schaut zu und meldet das, dann hat der Täter ein Riesenproblem mit dem Tierschutzgesetz und kann hart bestraft werden.
Wer in seinem Garten von der Jagdgesellschaft eine Fuchsfalle aufstellen lässt, ist verpflichtet, sie regelmässig zu überwachen. Was heisst das konkret?
Mindestens zweimal täglich nachschauen, ob ein Tier in die Falle gegangen ist. Wenn jemand zwei Tage nicht nachsieht oder übers Wochenende weggeht und ein Fuchs in der Falle vertrocknet, gibt es eine Strafanzeige, denn es handelt sich um ein Vergehen, das mit happigen Bussen geahndet wird. Niemand sollte so etwas mit seinem Gewissen vereinbaren können.
Wie viele Fallen gibt es in Zollikon und Zollikerberg ausserhalb der Schonzeit?
Wir haben 5 bis 6 Fallen für den Fuchs und 3 für den Marder. In den letzten zwei, drei Jahren, in denen die Räude so krass war, hatten wir permanent alle Fallen draussen. Es ging weniger um das Problem, dass Füchse Schaden stifteten, sondern um besorgte Menschen, die uns anriefen und sagten, sie hätten ein krankes Tier im Garten und wüssten sich nicht zu helfen.
Kostet eine Falle etwas?
Für das Stellen einer Falle verlangen wir 100 Franken – egal, ob man einen Fuchs fängt oder nicht. Gehen nach dem ersten weitere in die Falle, verrechnen wir für jeden 50 Franken.
Wie viele Füchse werden in Zollikon und Zollikerberg in einem durchschnittlichen Jahr gefangen und erlegt?
Im letzten Jagdjahr hatten wir einen Abgang von 23 Füchsen. In den zwei vorangehenden Jagdjahren waren es jeweils 72, zur Hälfte in der Falle und zur Hälfte auf der Strasse überfahren. Auf der Jagd haben wir nur wenige erlegt.
Zur Hälfte auf der Strasse überfahren – deshalb also die Warntafeln am Strassenrand. Wie sähe die ideale Fuchspopulation denn aus?
Das Ziel wäre, dass wir in der Gemeinde einen gesunden, nicht zu hohen Fuchsbestand hätten. In den Wäldern ist er angemessen, aber in den bewohnten Gebieten ist er sehr hoch – mit gravierenden Folgen für die Tiere: Die Mehrheit der in den letzten Jahren gefangenen, erlegten und überfahrenen Füchse in Zollikon bis hinauf zur Waldburg waren räudig, während im Zollikerberg anfänglich die meisten Füchse gesund waren.
Wie erklären Sie diese erstaunliche Diskrepanz?
Das hat mit dem Lebensraum zu tun. Im Zollikerberg ist die Bebauung weniger dicht und das Wegnetz weniger engmaschig. Es gibt mehr Flurlandschaften, Freizeitnutzer stören die Lebensräume der Wildtiere etwas weniger. Dort kann der Fuchs jagen und vielleicht auch einmal eine Krähe erwischen. Im dichter bebauten Dorf bleibt in den Gärten vieles liegen, was Füchse anlockt. Umso wichtiger ist es, sie nicht auch noch zu füttern.
Alain Merkli ist Pächter und Obmann der Jagdgesellschaft Zollikon. Der Co-Inhaber des Zürcher Architekturbüros merkli degen architekten wohnt im Zollikerberg.