Wedhapfen und Glätzli – unterwegs im Appenzell
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Adrian Michael: «Auf den Kronberg aufmerksam geworden bin ich auf einer Wanderung, die mich von Urnäsch nach Appenzell führte. Da kam ich an der Talstation der Kronbergbahn vorbei – und habe mir vorgenommen, einmal dort hinaufzufahren.» (2 Kommentare)
Der Kronberg liegt im wahrsten Sinn des Wortes im Schatten seines grossen Nachbarn, des Säntis. Fast verschämt kauert er vor dessen dominierendem Massiv; mit seinen 1663 Metern Höhe kann er mit den stolzen 2500 Metern des mächtigen Nachbarn halt nicht mithalten.
An einem der letzten prächtigen Oktobertage steige ich in Jakobsbad aus dem Appenzellerbähnli, überquere die Gleise und – ja, ich gestehe es – fahre mit dem Bähnchen hoch. Schon während der Fahrt eröffnet sich einem nach Norden eine grossartige Sicht in die Ferne, von Meter zu Meter weitet sich der Blick.
Die paar Meter von der Bergstation hinauf zum Gipfel sind schnell zurückgelegt. Man weiss gar nicht, wohin man zuerst schauen soll, es lohnt sich in jede Richtung. Im Norden freie Sicht hinüber Richtung St. Gallen und Bodensee, der allerdings von einer dünnen Nebelschicht bedeckt ist. Im Südwesten, hinter dem Ausläufer des Säntis, breitet sich die Gipfelwelt des Zürcher Oberlandes aus, bis in die Innerschweiz sieht man, erkennbar ist der Speer. Im Nordosten, Richtung Appenzell, fällt am Horizont die markante Form des Hohen Kastens auf, und im Süden, fast bedrohlich, steht dunkel die mächtige Wand des Säntismassivs.
Nachdem ich mich sattgesehen hab, mache ich mich auf den Weg. Es ist eine Gratwanderung im wahrsten Sinn des Wortes: Auf dem breiten Rücken des Kronbergs gehe ich nach Nordosten Richtung Appenzell. Rechterhand wird mich noch für längere Zeit das Säntismassiv begleiten, links die weite Sicht nach Norden. Der Himmel ist mit einem leichten Schleier bedeckt, was die Fernsicht etwas trübt. Hohe violette Stangen am Wegrand erinnern daran, dass der Weg auch im Winter begangen und beschlittelt werden kann.
Neben einem grossen hölzernen Kreuz auf der Krete entnehme ich einer Tafel, dass ich auf einem Energie- oder Kraftweg gehe, und diese Stelle weise erhöhte Energiewerte auf. Platz und Kreuz liessen heilende energetische Qualitäten beobachten. «Setzen Sie sich ans Kreuz, lockern Sie sich. Was spüren Sie?», fordert mich eine Tafel auf.
Ich fühle mich aber genügend locker, um weiterzugehen. Nach einem kurzen steilen Abstieg stehe ich vor der Jakobskapelle, leider ist sie geschlossen. Eine Infotafel macht das, wofür sie gedacht ist: sie informiert. Schon 1464 wird die Kapelle erwähnt, zusammen mit der Klause eines Eremiten, der bei der unweit der Kapelle entspringenden heilkräftigen Jakobsquelle gewohnt haben soll. Später scheint sich die Kapelle zu einem eigentlichen Wallfahrtsort entwickelt zu haben, gab doch 1492 der Bischof höchstselbst die Erlaubnis, dass dort Messen abgehalten werden durften. Der heutige Bau stammt aus dem Jahr 1925.
Nach der Kapelle gelange ich über eine Wiese hinunter zur Waldgrenze, dann führt der Weg durch einen lichten Tannenwald. In der Ferne steht wie ein Wegweiser immer noch die Silhouette des Hohen Kastens am Horizont, sie wird mich den ganzen Weg begleiten.
Nach dem Wirtshaus auf der Scheidegg verbreitet sich der Weg zu einer Fahrstrasse, zum Glück mit Naturbelag. Aber schon wenig später führt der «Alpenpanoramaweg 3» – so die offizielle Bezeichnung – wieder über Alpwiesen. Rechts dräut immer noch dunkel das Säntismassiv, links stehen dunkelgrüne Tannen, es ist ein sehr schönes Gehen. Zwischen Säntis und Kronberg stehen sehr fotogen auf einem langgezogenen Hügelzug vereinzelte Gehöfte.
Nach dem Hof «Vordere Wasserschaften» zweigt der offizielle Wanderweg nach links ab, er führt hinunter nach Appenzell. Ich folge jedoch geradeaus dem Verlauf des Hügelrückens. Über weiche Waldpfade und Bretterwege geht es einem kleinen Sumpfgebiet entlang, immer mehr oder weniger geradeaus. Rechts unten liegen am steilen Abhang Einzelhöfe mit kurrligen Namen: Hintertüllen etwa, Glätzli oder Wedhapfen heissen sie.
Nach dem Wald öffnet sich der Blick wieder. Geradeaus erkennt man die Rheinebene und dahinter die Berge des Vorarlberg, rechts unten im Tal die ersten Häuser von Weissbad. Der Hohe Kasten ist merklich näher gerückt. Dann folgt ein kurzer steiler Anstieg hinauf zum Klosterspitz, der sich aber als eine sanft gerundete grasbewachsene Hügelkuppe entpuppt. Links unten im Tal liegt Appenzell.
Nun folgt der anstrengendste Teil der Wanderung: Der Höhenunterschied zwischen dem Klosterspitz und Weissbad beträgt rund 500 Meter. Die müssen bewältigt werden, «es führt kein andrer Weg nach Weissbad». Und stotzig geht es in die Tiefe, gutes Schuhwerk ist von Vorteil, denn schmal ist der Weg, nass zum Teil.
Belohnt für diesen Abschnitt werde ich in einem Laubwald, wo der Weg einmal durch ein Bachtobel führt. Hier komme ich in den Genuss, wieder einmal über eine längere Strecke durch knöcheltief liegendes trockenes Laub tschalpen zu können – herrlich. Im den Wäldern Zollikons ist dies nicht mehr möglich, die Wege werden ja «aus Sicherheitsgründen» jeweils mit dem Laubbläser von sämtlichen Blettli befreit.
Beim Hof Rechböhl bin ich schon fast im Tal. Vorbei an einer Weide mit Kühen und Pferden, dann noch einmal runter, und ich bin in Weissbad. Im Garten des Klinik-, Kur- und Wellnesshotels «Hof Weissbad» kehre ich ein und gönne mir ein frisch zubereitetes Sandwich mit Mostbröckli und ein oder zwei Appenzeller Bier. Zum Dessert gibts eine kalte Schoggi, die mir mein Chefredaktor empfohlen hat. Ein guter Tipp und ein ebensolcher Abschluss der Wanderung.
Anreise: Mit den SBB nach Gossau (SG), dann mit den Appenzeller Bahnen via Urnäsch nach Jakobsbad.
Anforderung: 10 km, 211 m aufwärts, 1044 m abwärts,
Route: PDF von SchweizMobil
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Das bezog sich ja auch nur auf die letzten 300 Höhenmeter, wo es steil hinunter geht, aber «mühsam» wäre vielleicht treffender. Wunderschön war es trotzdem!
Ja, das ist wirklich eine wunderschöne Tour. Die vielen Fotos im Bericht zeigen dies auch gut auf. Vielen Dank! Als sooo anstrengend habe ich sie jedoch nicht in Erinnerung.