«Ich bin eine strenge, lustige Lehrerin»

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28. November 2022 – Wie sieht ein Tag im Leben von Brigitt Gebs aus, die im Dorf bekannt ist wie ein bunter Hund? Sie unterrichtet wöchentlich Hunderte von SchülerInnen im Oescher, steht auf der Theaterbühne, ist Pfarrfau und psychologische Beraterin.

Karikatur Brigitt Gebs
Brigitt Gebs (Illustration: Willi Spirig)

Ich stehe um 7 Uhr auf, jeden Tag. Dann geht’s an die Kafimaschine, Vollautomat, zwei Kaffee, schwarz ohne Nix. Ich sitze 40 Minuten auf dem Fensterbrett in der Pfarrstube und führe einen Kurztalk mit Simon. Er ist der Meinung, ein Paar müsse mehr als vier Minuten pro Tag miteinander reden, sonst sei das keine gute Ehe. Also redet er, denn ich bin zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht auf der Welt. Er plant anstehende Termine und fragt mich höchstens, was ich essen will. Dass ich seit zwölf Jahren nicht mehr am Herd stehe, halte ich für eine meiner grössten Emanzipationsleistungen. Ich habe nämlich massiv gelitten unter meinem fast 20-jährigen Hausfrauendasein.

Um 8 Uhr verlasse ich das Haus Richtung Schulhaus Oescher. Um 8.07 Uhr schlage ich auf im Oescher. Dann tönt’s von allen Seiten «Grüss Gott, Frau Gebs.». Momentan sehe ich pro Woche 422 Schüler und Schülerinnen im Alter von 6 bis 12 Jahren. Für gut 200 von ihnen muss ich auch Noten machen, weil ‹Religion, Kultur, Ethik› ein obligatorisches Fach ist vergleichbar ‹Mensch und Umwelt› oder Mathematik. Ich schalte meinen Compi an, mache meine Power-Points parat und lasse eine schöne meditative Musik laufen, manchmal zünde ich auch ein paar Kerzen an, um eine gute Atmosphäre zu schaffen. Bis um 16 Uhr habe ich siebenmal 25 Kinder gesehen.

Ich unterrichte extrem dialogisch. Für Gruppenarbeiten habe ich keinen Nerv. Viele Buben lehnen sich zurück und warten entspannt, bis die Mädchen die Plakate beschriftet und die Präsentation vorbereitet haben. Das läuft so. Leider! Darum gibt es das nicht bei mir. Ich bin eine sehr strenge und direktive Lehrerin. Gleichzeitig bin ich aber auch sehr lustig, die Kinder lachen auf jeden Fall ständig.

Ich bin auch interessiert und offen für Neues. Immer wieder baue ich Aktuelles in Lektionen ein, die ich schon länger gebe. Beispiel: Der Turmbau zu Babel. Als ich las, dass Calatrava, der Architekt, der den Bahnhof Stadelhofen entworfen hat, in Dubai den mit gegen 1000 Metern höchsten Turm der Welt baut, habe ich diese Information in meinen Stoff integriert. Das funktioniert gut und regt die Mädchen und Knaben an.

Ich schaue auch sehr darauf, dass meine Klassen zum Reden kommen. Thema Halloween. Da ist es schon wichtig, dass ich ihnen erzähle, dass das ein keltischer Brauch aus Irland ist, aber fast noch wichtiger ist, dass sie von ihren Halloween-Abenteuern erzählen können.

Um 12 Uhr geht’s heim und ich esse das Essen meines Mannes. Er kocht sehr gut. Das dauert elf Minuten. Nachher Mittagsschlaf, jeden Tag, 25 Minuten. Ein schneller Kaffee muss reichen, sonst komme ich nicht um 13.20 Uhr los. 13.27 Uhr: «Grüss Gott, Frau Gebs.» Am Nachmittag folgen nochmal drei Lektionen. 70 Kinder. Es kann passieren, dass ich vier verschiedene Themen pro Tag behandle. Nummer Eins: Nomaden, Abraham und Sara; Nummer zwei: Halloween; Nummer Drei: Islam Grundwissen; Nummer Vier: Moses und Ramses II.

Finito ist 16.15 Uhr. Dann bereite ich alles für den nächsten Tag vor. Zwei- bis dreimal pro Woche habe ich noch eine Sitzung. Der Elternrat tagt, in dem ich Delegierte der Mittelstufen-Lehrpersonen bin, oder die Verantwortlichen des Schulprojekts «Kivuvu» im Kongo treffen sich, wo ja eine Partnerschaft mit dem Schulhaus Oescher besteht. 

Ohne Sitzung bin ich um 19 Uhr daheim. Am liebsten esse ich vor dem Fernseher und schaue eine Netflix-Serie oder die Sendung «Höhle der Löwen», in der Erfindungen vorgestellt werden. Grossartig. Ich bin keine anspruchsvolle Esserin. Wenn es sein muss, esse ich ein Glas Silberzwiebeln und ein Stück hartes Brot. Essen als Zufuhr von Betriebsstoffen. Die Tagesnews ziehe ich mir bei «10 vor 10» rein. Vor 23 Uhr kann ich nicht schlafen. Auch um 23 Uhr denkt’s noch eine Stunde; aber sieben Stunden Schlaf – plus Mittagsschlaf – reichen. Damit komme ich gut durch den Tag.»  (Aufgezeichnet von bl)

«Talk am Puls»: Donnerstag, 8. November, Café am Puls, Zollikerberg. Die Bar öffnet um 19 Uhr, Talk um 19.30 Uhr, anschliessend gemütliches Beisammensein bei Getränken und Häppchen.

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