Ein Evergreen für alle Jahreszeiten

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Edwin van der Geest: «Der lange Gratrücken zwischen Ricken und Speer ist ein Evergreen. Es lockt das Panorama und die Beiz auf dem Tanzboden. Die Januar-Wanderung ergänze ich mit Fotos, die den Ganzjahres-Charme dieser Tour unterstreichen.»

VON EDWIN VAN DER GEEST

Imposant ist sie, die Kirche von Rieden, die rund 300 Meter über der Linth-Ebene aus dem schmucken Dörfchen emporragt. Gleich daneben ist ein grosser Parkplatz, von wo aus ich den zuerst ziemlich steilen Aufstieg über die Weiden zur Alp Wilesch unter die Füssen nehme.

Die Tour beginnt grün, die warme erste Januarhälfte und der Föhn haben den vielen Dezemberschnee schwinden lassen. Bis zum Waldrand des Chirnenbergs sind schon 300 Höhenmeter überwunden und damit erfreulicherweise auch die Nebelgrenze. Es ist warm geworden unter der Softshell-Jacke, beim Aussichtsbänkli verschwindet der Pullover im Rucksack. Zufrieden blicke ich auf das soeben freigewordene Panorama. Speer und Glärnisch beherrschen das Bild, die Linthebene und die Seen können nur erahnt werden.

30. Oktober 2017: Von Rieden führt der Weg zuerst steil über die Wiesen nach oben…
30. Oktober 2017: Von Rieden führt der Weg zuerst steil über die Wiesen nach oben…
…. bald flacht es ab (14. Januar)
…. bald flacht es ab (14. Januar)

Ich durchschreite ein kurzes Waldstück, das durch den Sturm «Burglinde» ziemlich zerzaust wurde. Umgeworfene Bäume versperren den Weg, mehrere Meter ragen ihre Wurzelstöcke in die Höhe. Ich umgehe sie rechts.

«Burglinde» war hier…
«Burglinde» war hier…

Die Wiesen der Alp Wielesch sind schneebedeckt, aber so hart durchgefroren, dass die Schneeschuhe im Rucksack bleiben können. Rasch erreiche ich den verlassenen Bauernhof an diesem herrlichen Aussichtspunkt und gönne mir eine Pause.

Im Sommer werden hier kühle Getränke serviert, in der Regel bis zum 31. Oktober. Der 1. November (obwohl ein Feiertag im katholischen St. Gallen) darf jeweils nicht mehr genutzt werden für die Restauration, so wollen es die strengen Alpgesetze. Ich denke schmunzelnd daran zurück, wie Chris und ich hier vor vier Wochen erschöpft umgekehrt sind, nachdem wir nach endloser Waterei eine tiefe Schneeschuh-Spur durch den vielen Neuschnee hier hochgezogen hatten.

Die Alp Wielesch am 14. Januar 2018
Die Alp Wielesch am 14. Januar 2018
Herbstfrieden am 31. Oktober auf der Alp Wielesch
Herbstfrieden am 31. Oktober auf der Alp Wielesch
Waten zur Alp Wielesch am 16. Dezember 2017 (hier im Abstieg in unserer eigenen Spur)
Waten zur Alp Wielesch am 16. Dezember 2017 (hier im Abstieg in unserer eigenen Spur)

Heute geht es ganz leicht, auch die Topographie hilft mit, der weitere Aufstieg wird immer flacher. Bald erreiche ich die Wasserscheide von Linth und Thur, der Blick wird frei auf den tiefwinterlichen Säntis und das nebelbedeckte Toggenburg. Wenig später erweisen mir die stolzen Churfirsten ihre Aufwartung.

Die Route folgt nun dem gutmütigen Gratrücken im leichten Auf und Ab. Bei Oberbächen passiere ich die tief im Schnee versunkene Alpbeiz (nur im Sommer offen) und tauche dann in den dichten Wald mit seinen vereisten Bäumen ein. Auf der Stotzweid treffe ich auf die Aufstiegs- und Abfahrtsroute von Ebnat-Kappel, die wesentlich häufiger begangen wird als meine Aufstiegsvariante. Eine breite Spur führt um den Gubelspitz zur Chüebodenegg, wo die «Müselen-Autobahn» (der kürzeste Aufstieg) den Grat erreicht.

Es steigt gemütlich – mit Blick auf Speer und Federispitz, links oben der Tanzboden
Es steigt gemütlich – mit Blick auf Speer und Federispitz, links oben der Tanzboden
Auf dem Gratrücken – links der Glärnisch
Auf dem Gratrücken – links der Glärnisch
Mystisch: Der gefrorene Wald
Mystisch: Der gefrorene Wald

Nun sind es nur noch wenige Minuten zum Tanzboden, mit der Ruhe ist es definitiv vorbei. Das Volk ist unterschiedlich unterwegs. Die Skitourenfahrer mit ihren Fellen sind in der Minderheit, die Massen kommen mit Schneeschuhen, andere mit Bergschuhen und Schlitten. Ein lustiges Bild.

Auf dem Tanzboden drängt alles in das Bergrestaurant, die Insider schleichen hingegen zur etwas versteckten SAC-Hütte hinauf, die mit einer schönen Terrasse aufwartet. Das Hüttenteam serviert heisse Getränke und Suppe, nur die Kinder sind etwas erstaunt, dass es hier kein Coki gibt.

Rückensurfen, im Hintergrund das Tagesziel
Rückensurfen, im Hintergrund das Tagesziel
Blick vom Tanzboden (von Wind schneefrei geblasen) zum Bodensee – irgendwo unter dem Nebel
Blick vom Tanzboden (von Wind schneefrei geblasen) zum Bodensee – irgendwo unter dem Nebel
30. Oktober: Der Blick vom Tanzboden ins Toggenburg zu Säntis und Churfirsten
30. Oktober: Der Blick vom Tanzboden ins Toggenburg zu Säntis und Churfirsten

Ich geniesse die wunderbare Aussicht auf den nahen Speer, den Alpstein und den Alpenkamm – und lobe die Hüttenwartin. Die Suppe ist fein, irgendetwas mit asiatischem Gemüse, den Namen habe ich allerdings schon wieder vergessen.

Nach dem zweiten Kafi Lutz schnalle ich die Halbsteigeisen an, um dann mit Leichtigkeit den Abstieg über den gefrorenen Schnee in Angriff zu nehmen. Die Sonne wärmt wunderbar – aber schon naht die steigende Nebelgrenze. So bleibe ich auf der Alp Oberhowald noch eine Weile sitzen. Ich will die Sonne nicht nur in meinen Gedanken noch möglichst lange mitnehmen können. Nur die Düfte des Sommers und die Blumen fehlen. Aber ja, irgendwann wird das Eintauchen in den Nebel unvermeidbar. Welch ein Stimmungsunterschied!

Blick zurück von Ober Howald
Blick zurück von Oberhowald
Ach ja…. der Nebel
Ach ja…. der Nebel

Bei Unterhowald erreiche ich die Strasse und schüttle die Eisen ab. Es folgt das etwas öde Teilstück über die Asphaltstrasse von Schwendi nach Rieden. Aber wer frech ist, streckt nun einfach den Daumen in die Höhe – und schon hält ein Auto und nimmt dich mit nach Rieden.

Anreise: Mit dem Auto oder mit dem Zug nach Rapperswil, Uznach und dann mit dem Bus nach Rieden SG (ca. 1 ¼ Stunden).

Anforderung: 15 km, 842 m ­aufwärts und abwärts, Wanderzeit 5 Stunden

Route: PDF von SchweizMobil

Edwin van der Geest

Der Zolliker Edwin van der Geest ist ein begeisterter Wanderer. Er beschreibt in dieser Kolumne jeden Monat eine seiner Lieblingstouren.

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