«Im nächsten Leben wär‘ ich gern ein Buckelwal»
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29. Dezember 2022 – Ingrid Caveng ist als Kind im Kirchhof zur Schule gegangen und dem Dorf mehr als 30 Jahre treu geblieben. Sie lebt noch immer am Zürichsee, ist inzwischen 59 Jahre alt, Sozialarbeiterin und leidenschaftliche Schneeschuhläuferin.

Ingrid Caveng, was wünschen Sie sich für das nächste Jahr?
Da wünsche ich mir weniger Autokraten auf dieser und für diese Welt. Und dass sich die Menschen mehr damit abgeben, was sie eint und nicht, was sie trennt.
Was haben Sie dieses Jahr neu gelernt?
Dass es einen Pilz gibt, der aussieht wie ein Eierschwämmli und beim näheren Hinsehen doch keines ist. Bis anhin hatte ich gemeint, dass ich zumindest diese eine Pilzart erkenne.
Woran sind Sie gescheitert?
Von 100 im Tempo des Atems rückwärtszuzählen, ohne dabei von Gedanken unterbrochen zu werden.
Was wollen Sie nächstes Jahr unbedingt lernen?
Ein bisschen Japanisch!
Welchen Namen dürfte man einem Kind niemals geben?
Puh – da bin ich etwas überfordert … Allgemein würde ich sagen: keinen Namen, der dem Kind in irgendeiner Weise eine zu grosse Bürde auferlegt – keinen Namen also, der beim Kind einen Druck oder eine Erwartung erzeugt.
Erzählen Sie uns einen guten Witz!
Da kann ich nicht helfen! Ich kann mir keine Witze merken. Zudem finde ich die allerwenigsten Witze gut. Eher mag ich Wortspiele und scharfsinnige Karikaturen wie die von Chappatte.
Was war das Beste an Ihren Eltern?
Ob es das Beste war, kann ich grad nicht sagen – aber etwas vom Besten war, dass ich nie, aber auch gar nie gezwungen wurde, etwas zu essen, das ich nicht essen mochte. Als Resultat bin ich sehr neugierig und esse so ziemlich alles. Bei Insekten habe ich allerdings bisher gekniffen.
Welches Tier wären Sie gern im nächsten Leben?
Ein Buckelwal. Das mühelose, gemächliche und elegante Gleiten unter Wasser und über weite Strecken – das lustvolle Springen aus dem Nass in die Luft und mit einem grossen Platsch wieder einzutauchen gefiele mir.
Welche Hunderasse finden Sie altmodisch?
Wünschen würde ich mir, dass alle Hunderassen mit kurzgezüchteten Nasen auf einen Schlag altmodisch wären und verschwinden. Diese Tiere bekommen zu wenig Luft und werden teilweise von anderen Hunden gemobbt, weil ihnen die Kommunikationsmittel der Hunde abgezüchtet wurden und sie seltsame Geräusche machen. Das hat mir mal eine Tierärztin erzählt. Ein Mops, der gemobbt wird? Nein, das gehört abgeschafft.
Welches Ereignis hat Ihnen im letzten Jahr Tränen in die Augen getrieben?
Ein Near-Crash mit einem Lastwagen, der aus einer Seitenstrasse mit Haifischzähnen schoss. Er hat mich übersehen. Ich konnte hupend auf die Gegenfahrbahn ausweichen, wo glücklicherweise niemand kam. Wie knapp das alles war und was es bedeutet hätte, überfiel mich erst am Abend auf dem Sofa – davor hatte ich den ganzen Tag funktioniert und gegenüber Dritten ganz locker über das Ereignis berichtet.
Wann und unter welchen Umständen schmeckt Ihnen das Essen am besten?
Mir schmeckt immer das Essen, das ich grad esse, am besten – unabhängig davon, ob ich alleine und einfach esse oder üppig und mit anderen Menschen. Neulich habe ich darüber nachgedacht, was ich brauche, um mich z.B. eine Woche lang zu ernähren. Zum Beispiel Kaffee. Bis der an der Sonne gewachsen ist, verarbeitet, transportiert, verkauft. Oder Milch. Bis die Kuh gewachsen ist, gegessen und getrunken hat, gemolken wird. Mehl für das Brot. Bis die Ähren gesät, gewachsen und geerntet, verarbeitet und ausgeliefert sind. Den Rest der Woche erspare ich Ihnen. Mir ist auf jeden Fall ganz schwindlig geworden, und ich hab aufgehört zu überlegen. Wir sind vollständig abhängig von anderen und von anderem.
Was war Ihr letzter grosser Irrtum?
Ein grosser Irrtum war das nicht. Aber Hafermilch ist laut einer Studie nicht gesünder als Kuhmilch. Davon war ich bisher ausgegangen. Drum nehme ich wieder vermehrt Kuhmilch in meinen Kaffee.
Was war das grösste Risiko, das Sie je in Ihrem Leben eingegangen sind?
Wissentlich, dass ich mich in meiner Jugend mehrmals auf Pferde gesetzt habe, von denen ich ahnte, dass sie mich abwerfen werden. Das haben sie auch getan, und ich war mehrfach verletzt – aber niemals schwer. Zum Glück.
Was würden Sie mit einem Millionengewinn im Lotto machen?
Als erstes würde ich meine Familie zum Essen einladen und dann den Rest zur Bank bringen und gaaaaanz lange nachdenken, was zu tun ist.
Wie verhalten Sie sich gegenüber einem Bettler oder einer Bettlerin?
Gute Frage. Ich kaufe gerne Naturalien, Kaffee zum Beispiel oder ein Sandwich, ein Stück Schokolade. Allerdings ist es mir auch schon passiert, dass die Person ihren Unmut äusserte ob meiner Gabe. Ansonsten reagiere ich intuitiv – manchmal gebe ich etwas Geld, manchmal nicht. Im Hinterkopf ist stets der Gedanke, ob das ein organisiertes Betteln sei. Für wen bzw. wofür ist der Batzen – für die Sucht? Seit der Pandemie trage ich allerdings kaum mehr Bargeld auf mir.
Zu welcher Musik tanzen Sie am liebsten?
Zu einer, zu welcher ich auch laut singen kann – zum Beispiel Mambo No 5. Ansonsten mag ich flotten Fox.
Wie wichtig ist Ihnen ein rauschender Jahreswechsel?
Überhaupt gar nicht. Ich schätze die Stille mit einem leisen Rausch(en).