«Geil, nichts müssen»
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8. Februar 2023 – Stellen Sie sich vor, Sie gehen am Morgen zur Arbeit, und Ihnen wird eröffnet, dass Sie heute einen freien Tag geschenkt bekommen. Freuen Sie sich? Werden Sie unruhig? Überlegen Sie rasch, wie Sie ihn sinnvoll nutzen könnten?
EIN BEITRAG DES MOJUGA-TEAMS
Vielleicht fühlen Sie sich an Ihre Kindheit erinnert, an Mittwochnachmittage, die Sie gelangweilt auf Spielplätzen verbrachten oder zusammen mit Ihrer Bande auf geheimer Mission. Freie Zeit legt einem die Welt zu Füssen, doch sie verspricht nichts.
Genau deshalb halten wir Jugendarbeitenden der MOJUGA Stiftung unverplante Zeiten für eines der grössten Geschenke, das wir Kindern und Jugendlichen machen können. Freie Zeit ermöglicht ihnen, eigene Impulse zu spüren und ihnen zu folgen: mit dem Skateboard durch die Quartierstrasse brettern, neue Frisuren ausprobieren, die Posterwand im Zimmer gestalten. Und auch: Nichtstun aushalten und als fruchtbaren Boden für tolle Ideen betrachten.
Wenn junge Menschen selbstvergessen an ihrem eigenen Projekt arbeiten, festigen sie ihre Fähigkeit, Glück selbst zu erzeugen, unabhängig von Angeboten, Programmen und Ideen von aussen. Sie schöpfen aus sich selbst und können auch im Erwachsenenalter noch auf diese innere Fülle zurückgreifen.
Erst einmal nur dasitzen
Vor einiger Zeit kam Luca, damals 14 Jahre alt und regelmässiger Gast im Jugi, zu uns und sagte: «Ich komme mich verabschieden. Ich habe die Gymiprüfung geschafft und deshalb keine Zeit mehr.» Keine Freiräume mehr für Luca. Unser Herz schmerzte. Er hingegen wirkte abgeklärt.
Wir haben andere Jugendliche hier, die das Gymnasium besuchen, eine Lehre absolvieren, aber auch Oberstufen- und sogar Primarschülerinnen, die zur Tür reinkommen, sich ins Sofa plumpsen lassen und erst einmal nur dasitzen. «Geil, nichts müssen», ist ein Satz, den wir von Kindern mit durchprogrammiertem Alltag nicht selten hören.
Wir beobachten aber auch Jugendliche, für die der Freiraum eine Überforderung darstellt. Sie sind es gewohnt, einerseits etwas geboten zu bekommen und andererseits Anweisungen zu empfangen. Sie wollen nicht aus sich selbst schöpfen, und wenn sie es müssen, dann finden sie dort nichts.
Für uns Jugendarbeitende ist es eine Gratwanderung: Bieten wir kein gemeinsames Kochen, keine Spiel- oder Bastelnachmittage an, verlieren wir diese Jugendlichen bereits nach ihrem ersten Besuch – lange bevor wir eine Beziehung zu ihnen aufbauen und ihnen Freiheit schmackhaft machen können.
Plötzlich springt der Funke
Wir versuchen sie schrittweise zu unterstützen: Zunächst, indem wir konkrete, aber wenig pompöse Angebote machen, etwa gemeinsam um die Feuertonne im Garten sitzen oder ein Töggelimatch spielen. Dabei hören wir ihnen aufmerksam zu, nehmen kleinste Impulse ernst, auch dann, wenn die Jugendlichen selbst es nicht tun, spinnen gemeinsam verrückte Ideen weiter. Und manchmal gelingt es, dass plötzlich jemand den Funken spürt, ihn nährt und das Feuer entfacht.
Neulich hat ein Mädchen im Jugi eine Geburtstagsparty veranstaltet. Wir haben es ermutigt, alles selbst zu organisieren und waren da für Fragen, bei Momenten des Zauderns, bei Überforderung. Doch das war kaum nötig. Noch nie zuvor haben wir das Mädchen über so lange Zeit hinweg sich so beseelt einem Projekt widmen sehen.
Die MOJUGA Stiftung ist seit 2016 von der Gemeinde Zollikon mit der Jugendarbeit beauftragt. Alexandra Matulla ist Ansprechpartnerin für die Behörden. Michael Germann und Moritz Engi sind für die Jugendlichen da. Sie hören ihnen zu, unterstützen sie und werden deshalb auch bei Krisen ins Vertrauen gezogen. Das Trio berichtet in den «ZollikerNews» regelmässig über Themen aus der Jugendarbeit. Informationen über das Team und die Angebote unter jugendarbeit-zollikon.ch