«Altirisch und Autos passen gut zusammen»

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13. März 2023 – Die 52-jährige Zollikerin Karin Stüber schafft einen beeindruckenden Spagat: Zum einen ist sie oberste Chefin der Mercedes-Benz Automobil AG, zum anderen Professorin für alte Sprachen. Wie sieht ein ganz normaler Tag bei ihr aus?

Illustration Karin Stüber
Karin Stüber (Illustration: Willi Spirig)

Wenn es nicht sein muss, stehe ich lieber nicht vor halb acht Uhr auf. Am Wochenende wird es dann oft halb zehn, ja 10 Uhr, bis ich aus den Federn komme. Natürlich gibt es unter der Woche auch Tage, an denen ich schon morgens früh losmuss, weil ich an unserem Hauptsitz in Schlieren eine Sitzung habe.

Ich bemühe mich, regelmässig im Büro zu sein, damit mich die drei mir unterstellten Mitarbeiter – der CEO, der Finanzchef und der Verantwortliche für Immobilien – direkt ansprechen können, wenn es Probleme gibt oder sie etwas komplexere Fragen haben. Liegt nichts Spezielles an, informiert mich meine Assistentin morgens zunächst einmal über laufende Geschäfte. Ich erledige meine Post, schreibe Mails, bereite mich auf Sitzungen vor, arbeite mich durch die Unterschriftenmappe, lese Fachartikel oder aktuelle Berichte in der Wirtschaftspresse.

Gegen 12 Uhr gönne ich mir in meinem Büro, einem grossen Einzelbüro, eine halbstündige Pause und verpflege mich aus meiner mitgebrachten Tupperwaredose mit einem Sandwich, ein paar Rüebli oder Tomaten und einer Frucht. Dazu gibt’s dann den «Tages-Anzeiger», die «NZZ» kommt jeweils schon nach dem Aufstehen dran.

Da wir auch im Ausland tätig sind, stehen hin und wieder zweitägige Reisen nach Mailand, Wien, Luxemburg oder ins deutsche Trier an. An meiner Tätigkeit im Autohandel gefällt mir die Vielfalt der Aufgaben und die Freiheit, etwas zu gestalten.

Bin ich in Schlieren, verlasse ich das Büro je nach Arbeitsanfall um 14 Uhr, mitunter auch erst gegen 18 Uhr. Auf dem Heimweg kaufe ich häufig ein, weil mein Mann und ich abends fast immer gemeinsam kochen. Wir haben zwar eine Hausangestellte, die täglich zu uns kommt und uns den Haushalt macht. Das Kochen aber lassen wir uns nicht nehmen.

Doch bevor es so weit ist, ist erst mal der Sport dran. Meistens hole ich mir das Trampolin raus, stelle es vor den Fernseher, starte eine Netflix-Serie und springe eine halbe Stunde – das perfekte Ausdauertraining, gekoppelt mit einer wunderbaren Möglichkeit, mich zu entspannen. Ich liebe Serien wie «Downtown Abbey» oder «In aller Freundschaft», in der eine Arztfamilie im Zentrum steht. Die schaue ich mir sicher schon seit 20 Jahren an. Grossartig!

Seitdem mein Mann – er ist Physiologe und Sportwissenschafter – und ich vor vier Jahren geheiratet haben, hat der Sport eine noch grössere Bedeutung  in meinem Leben als vorher. Zusätzlich mache ich jetzt noch Krafttraining, gehe einmal pro Woche aufs Laufband im Haus meiner Eltern, die direkt neben uns wohnen, und habe mit dem Langlauf begonnen. Die Musik kommt seither etwas zu kurz. Als ich noch Single war, habe ich täglich sicher eine Stunde Klavier oder Orgel gespielt und solistisch gesungen. Ich bin allerdings der Meinung, dass eine Paarbeziehung Zeit braucht. Daher haben sich meine Prioritäten etwas verschoben.

Unser gemeinsames Nachtessen hat auf jeden Fall einen hohen Stellenwert. Wenn wir rüsten und schnetzeln, stehen wir uns an der Kochinsel direkt gegenüber. Oft sind die Aufgaben klar verteilt: mein Mann kümmert sich ums Fleisch, ich bereite Gemüse und andere Beilagen zu oder umgekehrt. Zum Essen gibt’s ein Glas Rotwein, eine gemeinsame Vorliebe, die wir schon bei unserem ersten Date entdeckt haben. Wir nehmen es gemütlich und sitzen gut und gern drei Stunden zusammen und unterhalten uns. Der Gesprächsstoff geht uns nie aus.

Zwischen 22 und 23 Uhr gehe ich ins Bett und lese noch etwas. Mein Mann braucht viel Schlaf. Auch da habe ich mich ihm angepasst und schlafe jetzt acht bis neun Stunden; früher bin ich mit sieben Stunden ausgekommen.

Nun gibt es bei mir allerdings auch Tage, die etwas anders verlaufen, weil ich ja auch noch ein Teilzeit-Pensum als Professorin für Vergleichende indogermanische Sprachwissenschaft an der Universität Zürich habe. Dann arbeite ich entweder daheim in unserem Haus in Zollikon oder an der Uni.

Im Herbstsemester gebe ich beispielsweise ein Seminar mit dem Titel «Mykenisches Griechisch». Darauf muss ich mich vorbereiten, indem ich viel lese und den Unterrichtsverlauf entwerfe. Ich verfolge auch weiterhin Forschungsprojekte, aktuell eines zur «Subordination im Altirischen». Dabei geht es um Nebensätze in dieser wirklich schwierigen Sprache. Verglichen mit Altirisch sind Latein und Altgriechisch richtig einfach. Trotzdem, oder gerade deswegen, liebe ich das Altirische und bin glücklich, dass ich dieser Leidenschaft auch als Verwaltungsrats-Präsidentin der Mercedes-Benz Automobil AG weiterhin nachgehen kann. Da ich nicht operativ tätig bin wie der CEO, sondern mich um strategische, eher langfristige Entwicklungen unseres Unternehmens kümmere, lassen sich beide beruflichen Bereiche gut vereinbaren.» (bl)

«Talk am Puls» mit Barbara Lukesch und Karin Stüber am Donnerstag, 23. März im Café am Puls, Zollikerberg. Gastgeber ist Pfarrer Simon Gebs. Ab 19 Uhr Barbetrieb, Talk um 19.30 Uhr, anschliessend gemütliches Beisammensein bei Getränken und Häppchen.

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