Abwarten und Tee trinken

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7. November 2022 – Kürzlich sorgte eine Ernährungsstudie weltweit für Schlagzeilen. Wer täglich zwei oder mehr Tassen Schwarztee trinkt, kann das Risiko, an einer Herzkreislauferkrankung oder einem Schlaganfall zu sterben, um bis zu 13 Prozent senken, so das Fazit der Untersuchung, die im Fachjournal «Annals of Internal Medicine» erschien.

VON BALZ SPÖRRI

Kürzlich sorgte eine Ernährungsstudie weltweit für Schlagzeilen. Wer täglich zwei oder mehr Tassen Schwarztee trinkt, kann das Risiko, an einer Herzkreislauferkrankung oder einem Schlaganfall zu sterben, um bis zu 13 Prozent senken, so das Fazit der Untersuchung, die im Fachjournal «Annals of Internal Medicine» erschien.

Die Forschenden werteten die Daten von fast 500’000 Männern und Frauen zwischen 40 und 69 aus, die in der UK Biobank gespeichert sind. Die Teilnehmer dieser 2006 gestarteten, sogenannten prospektiven Kohortenstudie gaben unter anderem an, wie häufig sie Tee trinken, wie gesund sie sind oder welchen Lifestyle sie pflegen. Die Wissenschaftler untersuchten nun, welche Probanden innerhalb von 11 Jahren nach Studienbeginn gestorben waren und stellten fest, dass Teetrinker etwas länger lebten.

Verantwortlich dafür könnten bestimmte Inhaltsstoffe des Tees, Polyphenole, sein, die entzündungshemmend wirken und die Zellen schützen.

Sollen wir deshalb jetzt sofort auch täglich mindestens zwei Tassen Schwarztee trinken? Studienleiterin Maki Inoue-Choi winkt ab: «Sie sollten nicht allein wegen unserer Studie Ihre Trinkgewohnheiten ändern. Aber wenn Sie bereits Tee trinken, könnte das Ihre Gesundheit fördern.»

Dass Inoue-Choi so vorsichtig bleibt, hat einen Grund: Wie fast alle Ernährungsstudien beruht auch ihre Untersuchung auf Beobachtungen. Sie und ihr Team schauten, ob jene, die angaben, häufig Tee zu trinken, in den folgenden Jahren seltener an bestimmten Krankheiten starben als Nicht-Teetrinker.

Offen bleibt jedoch, ob es eine ursächliche Beziehung zwischen Teetrinken und Sterblichkeit gibt. Denkbar ist nämlich, dass andere Faktoren eine Rolle spielten. So könnten Teetrinker zum Beispiel seltener ungesunde Süssgetränke konsumieren und deshalb länger leben.

Um eine Wirkung des Teekonsums nachzuweisen, müsste man theoretisch zwei möglichst identische Gruppen bilden, die sich identisch ernähren. Eine Gruppe muss dann über mehrere Jahre Tee trinken, während dies der anderen verboten ist. Am Ende zeigt sich, wie oft bestimmte Krankheiten in den beiden Gruppen auftreten. Doch solche Interventionsstudien sind ethisch heikel und praktisch kaum durchführbar.

Ernährungsstudien können Hinweise geben, welche Ernährungsweisen gesünder sind als andere. Aber: Wenn Sie wieder einmal von einem sensationellen Befund lesen, heisst es erst mal abwarten, teetrinken und schauen, zu welchen Ergebnissen die nächste Studie zum gleichen Thema kommt.

Balz Spörri (geb. 1959) lebt als Journalist und Autor in Zürich.

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