«Bisch vo Zollikon» knackt die 1000er-Grenze

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11. Februar 2022 – In den Seegemeinden boomen die Facebook-Gruppen, die ihren Mitgliedern Wohlbefinden und ein Stück Heimat vermitteln. Hinter der Zolliker Gruppe steht der «Digital Pioneer, Allrounder und Redaktroniker» Oliver Wirtz.

Facebookseite Zollikon
Facebook-Seite der Zolliker Gruppe (Screenshot)

Die Facebook-Seite «Bisch vo Zollikon wänn’d …» empfängt einen mit einer Anleitung in Mundart: «Do chöndär drischriebe, was typisch a Zollikä und em Zollikerberg isch bzw. was en typische Zolliker uusmacht …Teiled eui Erinnerige.»

Entsprechend lesen sich die Einträge: Am 16. Januar postete «Susi Bäurle Früher Hofstetter» ein Faksimile der Disziplinarvorschriften der Zolliker Schule von 1912 und schrieb: «Beim Entrümpeln gefunden. Wir haben diese beim Austritt der Schule von unserem Lehrer bekommen.»

Der passionierte Jäger Louis Wirtz publizierte ein Foto seines «Rehragout vom Zolliker Reh mit Speckwürfeli und frischen Pilzen. Dazu hausgem. Spätzli, Rotkraut und glac. Marroni.» Carmen Heitzmann reagierte umgehend: «Gseht toll us – selber gmacht ? Oder us dä Metzgerei Kratzer? Das han i chürzlich kauft und han kei Arbet gha.»

Beeindruckender Werdegang

Vor wenigen Tagen konnte der Gruppen-Administrator Oli Wirtz (Jg. 74) das tausendste Mitglied freischalten. Er ist der Sohn von Louis (dem Jäger) und Olivia Wirtz, die 30 Jahre lang in der Zollikerstube gewirtet haben und jetzt im Exil in Pfaffhausen leben.

Sein Werdegang: Primarschule auf dem Berg, Sek. im Dorf, Matura am Küsnachter Seminar, Grund- und Hauptstudium in Medienwissenschaften und Publizistik mit Nebenfach Wirtschaftsinformatik und Linguistik an der Zürcher Uni. 

Porträt Oli Wirtz
Oliver Wirtz (Foto: zvg)

Er charakterisiert sich als «Digital Pioneer, Allrounder und Redaktroniker», eine Kombination von Redaktor und Elektroniker. Auf dem Foto sieht er aus wie ein Hipster.

Die Karriere von Oli Wirtz ist beeindruckend. Unter anderem war er Webmaster bei den Tamedia-Titeln «Facts» und «SonntagsZeitung», leitete die Online-Redaktion des «SonntagsBlick» und verantwortete als Webdirector der amerikanischen IDG Communications AG bekannte Fachpublikationen wie «PCtipp» und «Computerworld».

Überdies war er Marketingleiter der Immobilienportale newhome.ch, NextProperty und AgentSelly. Inzwischen hat er als Verlagsleiter des Elternmagazins «Fritz und Fränzi» eine neue Herausforderung in Aussicht. Auch auf diesem Themengebiet kennt er sich als zweifacher Vater aus.

Gruppen schossen wie Pilze aus dem Boden

Im Frühling 2014 geschah rund um den See Erstaunliches. Innerhalb von 14 Tagen schossen in einem Dutzend Gemeinden fast identische Facebook-Gruppen wie Pilze aus dem Boden: «Du bisch vo Chüsnacht wänn …», «Du weisch, dass du vo Rüeschlike bisch, wänn …», «Du bisch vo Stäfe wän …».

Hombrechtikon war zuerst (1. März), dann folgten Wädenswil (2.3.), Thalwil, Horgen und Richterswil (4.3.), Zumikon (6.3.), Rüschlikon (9.3.), Stäfa und Oberrieden (10.3.) gefolgt von Zollikon (13.3.) und Männedorf (14.3.).

Oli Wirtz erzählt in der Zollikerstube – «sie war jahrelang mein Kinderzimmer» –, dass er als Marketingleiter von newhome.ch eine Reihe von Facebook-Gruppen unter dem Namen «Wohnen in …» gegründet habe, um dort lokale Wohnungsinserate zu platzieren. Daraus sei die Idee entstanden, in den Gemeinden Freundschafts-Gruppen zu bilden und die Mitglieder mit Immobilien-Inseraten zu berieseln, was aber nicht gut funktioniert habe. Schliesslich habe er die Idee mit der kommerzfreien Gruppe «Bisch vo Zollikon wänn’d …» gehabt und sie selber gegründet.

Von der ersten Gruppe in Hombrechtikon habe er nichts gewusst, sagt Oli Wirtz. Die gleichzeitige Geburt der vielen «Du bisch vo …»-Facebook-Seiten kann er sich nur mit der damaligen Aufbruchstimmung, Experimentier- und Kopierfreude im Netz erklären. Die Pioniergruppe in Hombrechtikon wurde übrigens von einer gewissen Tamara Jost gegründet, die seit Jahren in der Toscana lebte und etwas gegen ihr Heimweh tun wollte.

Zollikon in den «Top-Ten»

Das erstaunliche Wachstum dieser speziellen Gruppen, die sich am alten Ideal der Freundschaften orientieren, oft in Mundart kommunizieren und Hass im Netz verabscheuen, ist wohl nicht zuletzt eine Folge der Pandemie. Im Homeoffice hatten die Leute mehr Zeit, um sich auf den lokalen Seiten zu tummeln.

Die «Top-ten»-Liste der Seegemeinden mit den aktuellen Mitgliederzahlen und dem prozentualen Wachstum seit dem Ausbruch von Corona vor zwei Jahren stützt diese These:

1. Horgen 3140 Mitglieder (+42%)
2. Thalwil 3065 (+27%)
3. Stäfa 2734 (+44%)
4. Hombrechtikon 2251 (+50%)
5. Männedorf 1496 (+36%)
6. Wädenswil 1267 (+15%)
7. Richterswil 1273 (+218%)
8. Zollikon 1000 (+54%)
9. Uetikon 796 (+33%)
10. Oberrieden 755 (+26%)

Die ersten Mitglieder habe er im März 2014 «von Hand eingeladen», erzählt Oli Wirtz, «vor allem Jugendfreunde, jedenfalls kannte ich alle persönlich.» Mit der Zeit seien die Eltern der Jugendfreunde dazugekommen, dann Bekannte, schliesslich auch Grosseltern und Heimweh-Zolliker.

Dass das Durchschnittsalter zuletzt etwas angestiegen sei, führt er auf einen nachvollziehbaren Effekt zurück: «Als die Jungen merkten, dass die eigenen Eltern und sogar Oma und Opa auf Facebook waren, dachten wohl einige ‹oh, shit› und wechselten auf Instagram», schmunzelt der Administrator.

Wer bei «Bisch vo Zollikon wänn’d …» mitmachen will, kann das tun, wenn er oder sie in Zollikon wohnt oder mehr als drei Freunde in der Gruppe hat. Alle andern müssen sich beim Adiministrator anmelden, der den Bezug zum Dorf oder Berg klärt.

In der Folge vertraut Oli Wirtz darauf, dass sich die Mitglieder an die ungeschriebenen Regeln halten: In Erinnerungen schwelgen, Interessantes mit lokalem Bezug austauschen, bei Meinungsdifferenzen höflich bleiben, die Netiquette beachten.

In seiner ganzen Zeit als Administrator habe er nur einmal eine Person verwarnen, ein zweites Mal verwarnen und dann ausschliessen müssen: «Es war eine Frau, die bei der Einführung der 5G-Mobilfunk-Technologie dauernd Endzeitstimmung verbreitete im Sinn von ‹wir werden alle daran sterben›; das war einfach nicht mehr zumutbar und hat alle genervt.» (rs)

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