Dem Baby vorsingen
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Balz Spörri: «Ich kann nicht singen. Wirklich nicht. Trotzdem habe ich unseren Kindern, als sie klein waren, regelmässig vorgesungen. Einige Liedtexte, etwa ‹s’Nilpferd› der ‹Schlieremer Chind› oder ‹Heicho› von ‹Schtärnefoifi›, sind mir bis heute geläufig.»
VON BALZ SPÖRRI
Ich kann nicht singen. Wirklich nicht. Trotzdem habe ich unseren Kindern, als sie klein waren, regelmässig vorgesungen. Einige Liedtexte, etwa «s’Nilpferd» der «Schlieremer Chind» oder «Heicho» von «Schtärnefoifi», sind mir bis heute geläufig.
Erfreut lese ich nun, dass Vorsingen aus wissenschaftlicher Sicht empfehlenswert ist. Ein Forschungsteam der Universität Wien wies nämlich nach, dass es vermutlich die sprachliche Entwicklung der Kinder fördert.
Die Forscherinnen baten rund 30 Mütter, ihren sieben Monate alten Babys im Labor zwei Kinderlieder vorzusingen: das Wiegenlied «Schlaf, Kindlein, schlaf» sowie das Spiellied «Es tanzt ein Bi-ba-Butzemann».
Während des Vorsingens massen die Forscherinnen die Gehirnaktivität der Babys und zeichneten auf, ob die Kleinen zum Lied rhythmisch wippten oder strampelten.
Ein Jahr später wurden die Mütter mittels Fragebogen zum Wortschatz ihres Kindes befragt. Dabei zeigte sich, dass jene Babys, die sich rhythmisch zum Spiellied bewegt und deren Gehirnwellen den Klang des Liedes gut widerspiegelt hatten, jetzt einen grösseren Wortschatz aufwiesen.
Es muss also einen Zusammenhang geben zwischen Vorsingen und Sprachentwicklung. Bloss welchen?
Wenn ein Kind zur Welt kommt, weiss es absolut nichts von Sprache, es hört einfach einen Strom verschiedener Laute um sich herum. Erst mit der Zeit lernt es, aus diesem Lautstrom einzelne sprachliche Einheiten herauszufiltern.
Im Alter von etwa neun bis zwölf Monaten beginnt das Kind dann zu merken, dass solche Einheiten, also Wörter, eine Bedeutung haben und dass die Menschen damit etwas ausdrücken möchten, wie die Zürcher Sprachforscherin Sabine Stoll einmal in einem Interview sagte.
Die Wiener Studie deutet nun darauf hin, dass Tonhöhe, Rhythmus oder Melodie der vorgesungenen Lieder dem Baby helfen könnten, im Sprachstrom einzelne Wörter zu erkennen und später Wörter zu lernen. Allerdings liess sich dieser Effekt nur beim «Bi-ba-Butzemann» feststellen, nicht beim Wiegenlied.
Fast alle Mütter und Väter singen ihren Babys instinktiv Melodien oder ganze Lieder vor, etwa zum Trösten, zum Einschlafen oder einfach aus Spass. Umso schöner, dass sie dabei, ganz unbewusst, ihren Kindern offenbar auch längerfristig etwas Gutes tun.
Balz Spörri (geb. 1959) lebt als Journalist und Autor in Zürich.