Dem Ortskern neues Leben einhauchen

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8. April 2025 – Was könnte man tun, um den Dorfplatz und die Alte Landstrasse zu beleben? Wir präsentieren Meinungen von vier direkt betroffenen Geschäftsleuten. Interessante Idee: den steinernen Dorfplatz familienfreundlich gestalten und den Samstagsmarkt auf die Alte Landstrasse verlagern.

Roland Keinath, Ellen Hausammann, Aaron Ruckstuhl, Nicole Stoltenburg
Roland Keinath, Ellen Hausammann, Aaron Ruckstuhl, Nicole Stoltenburg

VON RENE STAUBLI

An Samstagen lebt das Dorfzentrum vor allem dank dem Markt. Unter der Woche wirkt es oft wie ausgestorben. An einem der schönsten Plätze – beim «Rössli» – kommen Besucherinnen und Besucher ins Schwärmen: der schöne Brunnen, die gepflegten Riegelbauten, die elegante Kirche, sogar Palmen in einem der Gärten. Ringsum Ladenlokale, aber – mit Ausnahme von fein & fine  – kaum solche, die Laufkundschaft anziehen und für Leben sorgen.

Wo einst die Drogerie Meier war und Schuhmacher Köfer seine Stammkundschaft bediente, bewirbt eine Tafel im Schaufenster das «Bed and Breakfast Hotel Zollikon». Gegenüber das Innendekorations-Geschäft Keinath, das Schmuck-Atelier und der Antiquitätenladen Barokoko – schöne Läden gewiss, aber wenig frequentiert. Richtung Bergstrasse stehen etliche Ladenlokale leer. Da gab es früher nebst einer Bäckerei eine Papeterie und das Comestibles-Geschäft Albrecht.

Wir haben Roland Keinath, Ellen Hausammann von der Bäckerei am Dorfplatz, Aaron Ruckstuhl vom BioHuus und Nicole Stoltenburg vom Chäsbueb gefragt, wo die Probleme im Dorfkern ihrer Meinung nach liegen und wie man die Situation verbessern könnte. Hier sind ihre Beiträge.

Buchholzstrasse: Palmen, Hotel Zollikon, Innendekoration Keinath, Schmuckatelier (Fotos: ZN)
Unbelebte Buchholzstrasse: Hotel Zollikon, Innendekoration Keinath, Schmuckatelier (Fotos: ZN)

«Den Samstagsmarkt würde ich umquartieren»

Roland Keinath, Innendekoration: «Das grösste Problem ist der Durchgangsverkehr an der Alten Landstrasse. Viele nehmen diese Abkürzung – am Morgen von Küsnacht Richtung Zürich, am Abend umgekehrt – und fahren viel zu schnell, deutlich mehr als die erlaubten 30 Stundenkilometer. Die Polizei macht nie Kontrollen, ich habe auch noch nie ein Radargerät gesehen. Auch die Parkplätze, welche teilweise 72 Stunden genutzt werden, werden nur wenig kontrolliert. Der Zolliker Polizeichef hat uns gesagt, man dürfe die Leute nicht verrückt machen.

Mein Vorschlag wäre, ein Einbahnregime einzuführen. Von 24 Uhr bis 12 Uhr dürfte man nur von Zürich Richtung Küsnacht fahren, von 12 Uhr bis 24 Uhr nur von Küsnacht Richtung Zürich. Damit wären wir den Ausweichverkehr der Pendler auf einen Schlag los. Den Rösslirain würde ich für die Autos schliessen, erlaubt wäre nur noch der Zubringerdienst für die Lieferanten von der Zollikerstrasse her.

Und dann würde ich an der Alten Landstrasse, wo Platz, auf einer Seite alles Parkplätze machen, so viele wie möglich, denn das käme den Geschäften zugute. Wenn ich höre, es gebe ja in Gehdistanz die grosse Parkgarage unter dem Dorfplatz, muss ich lachen. Erstens sind die Leute enorm bequem. Dazu vermarktet die Gemeinde die vorhandenen Tagesparkplätze in der Tiefgarage nicht – die meisten Leute wissen nicht einmal, dass es sie gibt. Kommt dazu, dass die Verhältnisse in der Parkgarage so eng sind, dass viele mit dem Parkieren überfordert sind. 

Es wurde auch schon einmal die Idee herumgeboten, aus der Alten Landstrasse eine Wohnstrasse oder Begegnungszone zu machen. Wenn man das umsetzt, kann man die Läden vergessen, die wären nach zwei Jahren alle weg.

Ein grosses Problem ist auch der tote Dorfplatz. Für junge Familien ist er überhaupt nicht attraktiv: keine Spielmöglichkeit, kein Schatten, ringsum eine allzu biedere Gastronomie. Man müsste den Platz teilweise begrünen, damit man im Schatten sitzen kann, währen die Kids Velo fahren. Heute ist der Dorfplatz kein Treffpunkt, obwohl es im näheren Umfeld 14 Kindergärten mit 280 Kindern und den dazugehörigen Eltern gibt – dieses Potenzial wird überhaupt nicht genutzt.

Den Samstagmarkt würde ich umquartieren. Man könnte die Alte Landstrasse sperren und die Marktstände wie an der Chilbi anordnen. Davon würden auch die dortigen Verkaufsgeschäfte profitieren, der neue Fischladen, der Chäsbueb, das BioHuus, fein & fine. Auch ein Flohmarkt wäre möglich.

Dass an der Alten Landstrasse so viele ehemalige Läden nicht mehr betrieben werden, ist schade. Aber man könnte einiges tun, damit der Abschnitt von der Rotfluhstrasse bis zur reformierten Kirche wieder lebendiger wird. Vor einem Jahr gab es einen runden Tisch mit Vertretern der Gemeinde und des Gewerbes. Es hiess, die Gemeinde werde unsere Vorschläge und Wünsche prüfen und langfristige Lösungen ausarbeiten. Seit einem Jahr ist nichts passiert, und auf Vorschläge wurde nicht eingegangen.»

Blick aus dem Café Hausammann auf den leeren Dorfplatz (Fotos: ZN)
Blick aus dem Café Hausammann auf den leeren Dorfplatz (Fotos: ZN)

«Schnellparkplätze wären ideal»

Ellen Hausammann, Bäckerei/Café: «Der Detailhandel ist ein schwieriges Geschäft, Leidenschaft gehört dazu. Die Fixkosten sind hoch, und in den Ferienzeiten ist Zollikon oft wie ausgestorben, da sich viele Bürger in ihre Ferienwohnungen zurückziehen. In Zollikon sind die Gehdistanzen zum Teil sehr weit, je nach Wohnort. Wer mit dem Auto kommt, benötigt einen Parkplatz, die Infrastruktur muss stimmen. Auch an unsere Kunden werden immer wieder Bussen verteilt, das macht das Einkaufen unattraktiv. In den Zentren ausserhalb der Stadt kann man meistens gratis parken.

Zum klassischen Angebot in einem Dorfzentrum gehören eine Metzgerei, eine Bäckerei, ein Käseladen,  ein Hausarzt, eine Apotheke, eine Kinderkrippe, eine Bank – ideal mit klassischem Schalter oder notfalls ein Bankomat –, eine Migros und ein Coop, ergänzend Post und Coiffeur und ein Optiker. Einfach gesagt: der ideale Einkaufsmix, verbunden mit Notwendigem, was erledigt sein muss und ganz häufig benötigt wird. Alles sollte aber in Gehdistanz sein. So wie es früher immer war in den Dorfzentren.

Wir wären froh gewesen über Schnellparkplätze an der Alten Landstrasse, haben diese aber nicht bekommen. Sie wären ideal für Kunden, die morgens nur kurz 3 Gipfeli holen und dann wieder weg sind. 

Wie sich die Ladensituation an der Alten Landstrasse in den nächsten Jahren entwickeln wird? Es wird noch mehr Ladensterben geben. Wir hoffen, mit unserer Bäckerei und dem Café am Dorfplatz einen Beitrag zur Belebung des Dorfplatzes leisten zu können, was auch ganz wichtig ist für das Dorfleben.»

Das vor zwei Jahren eröffnete BioHuus
Der vor zwei Jahren wiedereröffnete Bioladen

«Die Gemeinde sollte den Dorfkern bewerben»

Aaron Ruckstuhl, BioHuus: «Seit Corona trauen sich nicht mehr so viele Menschen, ein neues Geschäft zu eröffnen – aus Angst, dass es nochmals zu einem Lockdown und den damit einhergehenden Einschränkungen kommen könnte. Oder, was ich auch öfters von meiner Kundschaft aus den umliegenden Gemeinden höre: dass der Zolliker Dorfkern zu wenigen  potenziellen Kunden bekannt ist. Vielleicht stehen auch deshalb an der Alten Landstrasse einige Ladenlokale leer.

Meiner Meinung nach ist hier alles Wichtige auf sehr kleinem Raum und mit zentraler Parkmöglichkeit bereits gegeben. Was fehlt, ist ein Bancomat. Eine Kleiderboutique könnte nicht schaden und würde allenfalls noch zusätzlich Kundinnen ins Dorf ziehen.

Was man unbedingt verbessern sollte, ist die Signalisierung, so dass aus allen Himmelsrichtungen erkennbar ist, dass die Alte Landstrasse eine schöne Auswahl an Einkaufsmöglichkeiten bietet. Die Gemeinde sollte den Dorfkern in irgendeiner Form bewerben.

Ich bin gespannt, wie der neue schwedische Fischladen von den Kunden angenommen wird. Seit wir das BioHuus eröffnet haben, ist eine Drogerie hinzugekommen, was sich für uns positiv ausgewirkt hat. Da die Drogerie ihren Ursprung in Küsnacht hat, brachte sie uns einige Küsnachter Kunden.

Wichtig für die kleinen Geschäfte an der Alten Landstrasse sind die Parkmöglichkeiten, von denen die wichtigsten direkt an der Strasse oder vor den Lokalen liegen. Solange die Parkmöglichkeiten gewährleistet sind und die Alte Landstrasse für unsere Kunden befahrbar ist, denke ich, ist alles in Ordnung. Alles in allem bin ich sehr zuversichtlich, was die Aussichten für die nächsten Jahre betrifft.»

Der Chäsbueb in der Chäshütte
Der Chäsbueb in der Chäshütte

«Ein Bonusheft der Gemeinde für Neuzuzüger wäre eine gute Idee»

Nicole Stoltenburg, Chäsbueb: «Dass an der Alten Landstrasse etliche Ladenlokale leer stehen, hat sicher damit zu tun, dass es sehr wenig bis gar keine Laufkundschaft gibt. Möglicherweise sind auch die Mieten hoch, wir befinden uns ja an der Goldküste.

Von unseren Kunden hören wir, es gebe zu wenig Parkplätze und man müsste den Dorfplatz attraktiver gestalten. Im Sommer ist er zu heiss, im Winter zu rutschig. Er lädt nicht ein zum Verweilen. Das sähe anders aus, wenn es zum Beispiel Bäume hätte, Bänke und Spielmöglichkeiten für Kinder.

Es wäre eine gute Idee, wenn es mehr Angebote zum Kennenlernen der Geschäfte gäbe. Beispielsweise eine Art Bonusheft der Gemeinde für Neuzuzüger. Die Chilbi bringt jeweils Leben ins Dorf. Auf der anderen Seite haben wir einen ziemlich langweiligen Weihnachtsmarkt mit zu wenigen Angeboten, die wirklich an Weihnachten erinnern – es gibt zu viele Aussteller, die auch an der Chilbi anwesend sind und Dinge verkaufen, die nicht zu den Festtagen passen.

Was mir ebenfalls auffällt und sehr schade ist: Der Samstagsmarkt hat immer weniger Stände und wirkt ein wenig traurig. Könnte man das Angebot nicht attraktiver machen?

Natürlich leiden wir auch darunter, dass sich die Menschen – zumindest was das Essen betrifft – weniger gönnen. Und vieles wird über den Onlinehandel gekauft, weil der Hauslieferdienst so bequem ist. Lokale Läden – auch wir – bieten diese Dienstleistung inzwischen ebenfalls an, aber die Folge davon ist natürlich auch, dass es noch weniger Laufkundschaft gibt, die das Dorf belebt.

Die Generation, die noch regelmässig in Läden in der Nachbarschaft einkauft, stirbt langsam aus. Die neue Generation möchte vieles so günstig wie möglich und am besten per Drive In. Direkt vor der Türe parkieren (das Migros-Parkhaus ist schon zu weit weg), grosse Einkaufszentren, in denen man alles an einem Ort findet, ohne im Regen, in der Kälte oder in grosser Hitze laufen zu müssen. Wie können wir wieder mehr Leben ins Dorf bringen? Mehr Anlässe wie das ‹Dinner in weiss› im Sommer wären schön. Anlässe, bei denen die Menschen zusammenkommen können.»

Lesen Sie morgen: 6 Erkenntnise von Experten zu Ortskernen und wie Zollikon auf diesem Hintergrund abschneidet.

Mittwoch: Erster Dialogabend des Gemeinderats mit der interessierten Bevölkerung zu den Themen «Begegnungsort Dorfplatz/Alte Landstrasse» und «Situation und Ausblick Öffentlicher Verkehr». Gemeindesaal, 19.30 Uhr.

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