Den Sack so richtig voll machen
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27. Februar 2024 – Es gibt kaum etwas, das so vollgestopft wird wie ein Zürisack. Das habe ich gerade kürzlich wieder bei einer Freundin erfahren. Sie lebt gemeinsam mit ihrem Partner in einer wunderschönen, grosszügigen Altbauwohnung in einem guten Quartier in der Stadt Zürich.
Es gibt kaum etwas, das so vollgestopft wird wie ein Zürisack. Das habe ich gerade kürzlich wieder bei einer Freundin erfahren. Sie lebt gemeinsam mit ihrem Partner in einer wunderschönen, grosszügigen Altbauwohnung in einem guten Quartier in der Stadt Zürich.
Die beiden verdienen nicht schlecht. Aber der Zürisack, der gut sichtbar für alle in der Küche steht, ist proppenvoll. Irgendwann wurde er offenbar aus dem Plastikbehälter genommen, damit man ihn noch weiter füllen kann.
Meine Freundin ist kein Einzelfall. Ich habe mich schon mit vielen Leuten über Zürisäcke unterhalten. Das Thema ist ein guter Opener, weil alle mitreden können und weil es offenbar bewegt. Welche Grösse kauft man, was wird warum getrennt? In einem Punkt sind sich alle einig: Den Sack machen sie richtig voll.
Zürisack-Stopfen ist eine Art Volkssport. In der Migros kostet eine Zehner-Rolle Zürisäcke 16 Franken 20, macht pro Stück einszweiundsechzig. Das ist nicht die Welt, finde ich. Stopft man einen also bis zum Bersten voll, statt ihn dann in die Tonne zu werfen, wenn er sich noch ohne grosse Kraftanstrengung zubinden lässt, spart man höchstens wenige Rappen.
Was also steckt dahinter? Dazu habe ich in einer guten Rotweinlaune die Freunde bei ChatGPT befragt. Sie nennen vier mögliche Gründe: Sparsamkeit, beschränkte Abholtermine, Umweltbewusstsein und Bequemlichkeit. Mir leuchtet vor allem der letzte ein.
Solange der Zürisack noch in der Küche steht, bringt man das eine oder andere Stück Abfall – mit etwas Druck – schon noch unter. Alle wissen zwar, dass er irgendwann raus muss, aber solange er nicht platzt, darf er bleiben. Man ist nicht faul, sondern effizient. Das ist nicht logisch, aber menschlich.
Vielleicht ist der volle Zürisack in der Ecke einer Küche also das Eingeständnis, dass man beim besten Willen nicht immer alles sofort erledigen kann. Eine subtile Art, sich selbst zu erlauben, die Dinge so lange aufzuschieben, bis sie platzen.
Das könnte so sein. Vielleicht ist es aber auch ganz anders. Was, wenn die Dichte eines gefüllten Zürisacks nach einem Vernunftindex funktioniert? Je praller der Sack, desto bewusster gehen dessen Stopferinnen und Stopfer mit Geld um?
Dann sehen wir bald Videoclips, in denen junge Rapperinnen und Rapper statt mit Autos und Uhren mit einer Unmenge leerer Zürisäcke prahlen. Statt wie bisher Notenbündel zünden sie ungebrauchte Zürisäcke an, um ihren Reichtum zu demonstrieren – während Herr und Frau Schweizer gleichzeitig krampfhaft versuchen, noch eine weitere Bio-Brokkoli-Verpackung in den Sack zu würgen. Es wäre ein grossartiges Vergnügen.
Olivia Eberhardt (geb. 1994) arbeitet als Redaktorin beim Online-Stadtmagazin «Züri Today». Sie bezeichnet sich als «Beobachterin mit feinen Antennen und dem Wunsch, die Essenz dieser Beobachtungen mit einem humoristischen Ansatz niederzuschreiben».