Der Konflikt um den Hangrutsch eskaliert
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7. März 2024 – Die Besitzerfamilie Heer lehnt die Kostenübernahme für die Räumung der Strasse und die Sanierung des Hangs in Höhe von 50’000 bis 100’000 Franken ab. Die Gemeinde und die «Werke am Zürichsee» beurteilen das anders. Gefährdet der Streit das Restaurant-Projekt?
Mitte Dezember rutschte der Hang ab, ergoss sich über die Stützmauer und blockierte die Trichtenhauser Strasse, die sich im Besitz der Gemeinde befindet. Diese beauftragte ein Tiefbauunternehmen, die Strasse zu räumen, sicher befahrbar zu machen und weitere Hangrutschungen zu verhindern. Schwere Baumaschinen fuhren auf und trugen eine Menge Erdreich ab, eine Armada von Lastwagen karrte den Aushub weg.
Für die Besitzerfamilie Heer, der auch die Trichtenhausermühle gehört, wo der «Wilde Kaiser» mit seinem «Beisl» provisorisch eingemietet ist, war die Haftungsfrage klar. Denn der Hang rutschte genau dort ab, wo die «Werke am Zürichsee» und die Gemeinde im Juli 2021 eine unterirdische Wasserleitung verlegt hatten – der Kausalzusammenhang sei offensichtlich. Die Familie sah die Gemeinde, die «Werke am Zürichsee» und die Firma, welche die Leitung im Spülbohrverfahren verlegt hatte, in der Pflicht, die Kosten zu übernehmen.
Die Gemeinde teilte mit, sie werde die Rechtslage klären, sehe aber keinen Zusammenhang mit der Spülbohrung. Adrian Sägesser, Geschäftsleiter der «Werke am Zürichsee», fügte hinzu, es habe im Dezember ausserordentlich stark geregnet; deswegen sei es in vielen Gegenden zu Hangrutschen gekommen.
Neue Ausgangslage, alte Forderung
Der Hangrutsch als Naturereignis – das veränderte die rechtliche Ausgangslage für die Familie Heer, nicht aber ihre Einschätzung des Falles. In einem Schreiben an die Gemeinde bedauerte sie, dass kein geologisches Gutachten zu den Gründen des Rutsches erstellt worden sei. So oder so sei jedoch die Gemeinde die geschädigte Partei und nicht die Grundstückeigentümerin. Der Familie sei durch den Rutsch kein Schaden entstanden, sondern ausschliesslich der Gemeinde, die daher auch die Kosten für die Aufräum- und Sanierungsarbeiten zu tragen habe. Sie habe diese Aufträge vergeben und nicht die Familie. Man habe die Firmen deshalb angewiesen, ihre Rechnungen an die Gemeinde zu adressieren.
«Kein Grund, Kosten zu übernehmen»
«Die Tatsache, dass die Gemeinde für die Trichtenhauser Strasse verantwortlich ist und diese Arbeiten in Auftrag geben musste, bedeutet nicht, dass es keine Schadensverursacher gibt, die haftpflichtig sind», heisst es bei der Gemeinde auf Anfrage der «ZollikerNews», «grundsätzlich haften für Schäden primär die Grundeigentümer.» Die Haftpflichtversicherung der Gemeinde sehe zurzeit keinen Grund für eine Übernahme der Kosten. Aufgrund des laufenden Verfahrens könne man keine weitere Stellungnahme abgeben.
Adrian Sägesser, Geschäftsleiter der «Werke am Zürichsee» schreibt, die Abklärungen der Versicherung seien zum gleichen Ergebnis gekommen wie damals: «Wir sehen daher nach wie vor keinen Grund, irgendwelche Kosten zu übernehmen.»
Antworten der Baudirektion
Wie ist der Zolliker Streitfall generell einzuschätzen? Gibt es vergleichbare Fälle im Kanton? Die kantonale Baudirektion könne keine juristische Einschätzung zum konkreten Fall in Zollikon abgeben, schreibt deren Sprecher Thomas Maag auf Anfrage. Sie sei nicht Aufsichtsbehörde, auch seien ihr weder die technischen noch die geologischen Details bekannt. Die Antworten auf unsere Fragen seien somit allgemeiner Natur:
Wenn der Hang eines Privateigentümers nach schweren Regenfällen (Naturereignis) rutscht, eine Gemeindestrasse verschüttet und die Gemeinde die Strasse räumt: Wer muss die Kosten für die Räumung der Strasse bezahlen?
Das ist juristisch umstritten und muss von Fall zu Fall beurteilt werden.
Wenn die Möglichkeit besteht, dass der Hang noch einmal rutscht und die Strasse erneut verschüttet: kann die Gemeinde vom Eigentümer verlangen, dass er den Hang saniert und die Kosten dafür trägt?
Grundsätzlich ja.
Wenn die Gemeinde aus eigenem Antrieb entscheidet, den Hang zu sanieren und diese Arbeiten bei Firmen in Auftrag gibt: wer trägt dann die Kosten?
In erster Linie trägt jene Partei die Kosten, welche den Auftrag erteilt. Sie kann diese Kosten aber begründet überwälzen. Ob dies in Ordnung ist oder nicht, müsste gerichtlich entschieden werden.
Wer ist die geschädigte Partei, wenn ein Hang in Privatbesitz rutscht und eine Gemeindestrasse verschüttet: die Gemeinde oder der Grundstücksbesitzer?
Im Prinzip beide Parteien: Die Gemeinde, weil ihre Strasse beschädigt ist, der Grundeigentümer, weil er den Schaden am Hang und der Strasse beheben lassen muss.
Wenn ein Grundstückbesitzer sagt, seiner Meinung nach habe keine weitere Hangrutschgefahr bestanden: geht dann die Sanierung auf Kosten der Gemeinde, die das anders beurteilte?
Das muss gerichtlich beurteilt werden.
Welchen Weg sollten Parteien einschlagen, um eine so verzwickte Angelegenheit zu regeln? Ein geologisches Gutachten erstellen? Ein Fachgremium anrufen? Prozessieren?
Das muss von Fall zu Fall beurteilt werden. Eine aussergerichtliche Einigung kostet in der Regel die Allgemeinheit weniger als der Gang bis ans Bundesgericht.
Gibt es zu einem solchen Fall ein Präzedenzurteil?
Nein, ein solcher Fall ist uns nicht bekannt.
Streitparteien sind auch Partner
Von Bedeutung ist, dass die Gemeinde Zollikon und die Familie Heer Partner in einem wichtigen Projekt sind. Beide bemühen sich um eine Lösung zur Erhaltung der Trichtenhausermühle als Beiz und Begegnungsort für den Zollikerberg. Gemäss der Einzelinitiative von Fritz Wolf (Quartierverein Zollikerberg) soll die Gemeinde die Liegenschaft entweder erwerben und sanieren oder zumindest eine Übereinkunft mit den Eigentümern zum Erhalt des Restaurants finden, allenfalls mittels einer zu gründenden Stiftung.
Gefährdet der Streit dieses gemeinsame Unterfangen? Aus dem Gemeindehaus verlautet: «Der Hangrutsch steht für den Gemeinderat in keinem Zusammenhang mit der Initiative in Sachen Erhalt des Restaurants Trichtenhauser Mühle; die Angelegenheit wird unabhängig davon geführt.» (rs)
10.01.24: Hangrutsch mit Konfliktpotential
23.12.23: Hangrutsch – und dann ging alles zackzack