Der SC Zollikon hat ein Wachstumsproblem

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17. Mai 2024 – Fussball macht Spass, holt Jugendliche von der Strasse, hilft bei der Integration, verhindert Drogenmissbrauch, stärkt den Teamgeist. Der Sportclub Zollikon schreibt seit Jahren eine beeindruckende Erfolgsgeschichte. Doch der Fussballverein stösst an seine Grenzen. Wer hilft?

Portät Ferri Hermida
SCZ-Präsident Ferri Hermida (Foto: ZN)

Der SC Zollikon platzt aus allen Nähten. Auf den beiden Fussballfeldern auf dem Riet wollen alles in allem 400 Junioren und 80 Erwachsene spielen und regelmässig trainieren. Momentan kann es passieren, dass sich vier Teams ein Feld teilen müssen, um wenigstens ein eingeschränktes Training durchführen zu können. Den Aufbau eigener Mädchen- und Frauenteams hat man bis auf weiteres auf Eis gelegt. Wer Interesse zeigt, wird vorläufig an den FC Küsnacht oder FFC Südost Zürich verwiesen.

Andere Dorfvereine suchen händeringend nach Mitgliedern; der SC Zollikon hingegen führt seit Jahren eine Warteliste, auf der zur Zeit rund 110 Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 18 Jahren bis zu 12 Monate ausharren müssen, um Aufnahme im begehrtesten Klub der Gemeinde zu finden. Zur Überbrückung können Interessierte zeitweise sogenannten Pool-Mannschaften beitreten, die einmal wöchentlich eine Stunde trainieren und die Möglichkeit zum Schnuppern bieten.

Seit 40 Jahren im Klub

Ferry Hermida ist seit 2016 Präsident des Vereins, Mitglied ist der 45-Jährige seit seinem sechsten Altersjahr. Es ist auch sein Verdienst, dass der SC Zollikon einen solchen Höhenflug erlebt. Aktuell aber belasten den Verein so viele Probleme, dass er die Verantwortung, die mit seinem Ehrenamt einhergeht, manchmal als «unangenehm» empfindet: «Ich habe es natürlich wesentlich lieber, wenn die Sachen rund laufen.»

An seinem freien Mittwochnachmittag erzählt Hermida, der von Beruf Primarlehrer ist, wie sich die Lage über die Jahre zugespitzt hatte. Der SC Zollikon litt unter einem eklatanten Mangel an Trainern und konnte keine zusätzlichen Mannschaften bilden, die dringend nötig gewesen wären. In der Folge füllte sich die Warteliste und wurde lang und länger. Um diesen Missstand zu beheben, fiel dem Verein ein cleverer Schachzug ein, mit dem man es sogar ins Schweizer Radio SRF schaffte und verschiedene Nachahmer fand.

Eltern, die ihr Kind anmeldeten, wurde angeboten, dass dieses die Warteliste überspringen könne, wenn man dem Klub einen Trainer vermittle. Die Folge? Zahlreiche Zolliker Väter und einzelne Mütter wurden Fussballtrainer, darunter der langjährige Schulpfleger Edwin Fuchs vom Forum 5W (siehe Interview vom 21. März). Hermida sagt, dass aktuell mehr als die Hälfte der Trainer im Juniorenbereich Eltern von Spielern seien.

Damit war ein grosses Problem gelöst. Dass wiederholt vor allem Väter nach einem Jahr ausstiegen und erklärten, sie seien beruflich zu stark belastet, sei für die langfristige Planung zwar unangenehm, und man habe sich überlegt, Zwei- oder Drei-Jahresverträge einzuführen: «Letztlich haben wir die Idee verworfen, weil sie nicht zu einem ehrenamtlichen Engagement passt.» Die Trainerfrage hätten sie dann auch ohne diese Massnahme in den Griff bekommen.

Dringend gesucht: Plätze

Inzwischen sind bereits wieder dunkle Wolken am Horizont aufgezogen. Unter dem Sportplatz Riet soll eine Energiezentrale für das Zolliker Fernwärmenetz entstehen, für deren Bau ein bis eineinhalb Jahre vorgesehen sind. Der Fussballbetrieb auf dem Rasenplatz muss in dieser Zeit eingestellt werden. Dieser wird während der Bauphase abgesperrt und ersetzt, dessen Tribüne abgerissen – und im Anschluss neu aufgebaut.

Ferry Hermida stützt seine Ellbogen auf den Tisch und legt den Kopf in die Hände. Das sei natürlich mühsam; schliesslich müssten sie Alternativen suchen, von denen es in Zollikon und Zollikerberg nicht viele gebe. Zur Zeit seien fast alle Sportanlagen und Turnhallen komplett ausgebucht.

Immerhin werde der Umbau der Sportanlage beim Schulhaus Buechholz, die nebst der Tartanbahn auch über einen Rasenplatz verfügt, rechtzeitig fertig und biete künftig gewisse Ausweichmöglichkeiten für den Spielbetrieb, zumindest für «9er Teams«. Das sind Juniorenmannschaften, die noch nicht mit elf, sondern mit neun Spielern antreten und ein kleineres Feld benötigen.

In Zollikerberg könne man mit dem Plätzli beim Schulhaus Rüterwis einen kleinen Teil des Bedarfs zu Trainingszwecken decken; das Sportfeld unterhalb der Spitzhütte hingegen falle grösstenteils weg, weil es für den Meisterschaftsbetrieb schlecht erreichbar und auch nicht beleuchtet sei.

Hermida wirkt nachdenklich: «Es ist praktisch unmöglich, den Trainings- und Spielbetrieb wie bis anhin aufrecht zu erhalten, ohne dass wir Meisterschaftspartien auswärts austragen.» Was zusätzlich mühsam ist, sei die Kommunikation der Gemeinde bezüglich des Bauvorhabens: «Die Infos und Updates an unsere Adresse sind spärlich.» Er wisse zum Beispiel noch immer nicht, wann der Bau auf dem Riet beginne und – er lacht – «ich bin mir auch nicht ganz sicher, welcher Gemeinderat wirklich dafür zuständig ist.»

Er wolle ja überhaupt nicht klagen, betont er, schliesslich komme die Gemeinde für alle Kosten, die die Plätze auf dem Riet verursachen, seit jeher auf. Der SCZ müsse bloss die Ausgaben für Tore und Bälle und einen Teil der Gebäudereinigung tragen. Schade sei allerdings, dass Zollikon seit Jahren keinen Platzwart für die Sportanlage habe. Ohne regelmässige Kontrolle sei das frei zugängliche Gelände immer wieder Littering, aber auch massiven Beschädigungen durch Vandalen ausgesetzt, die der Klub mit viel zeitlichem und finanziellem Aufwand reparieren müsse. Das Thema sei ein Dauerbrenner in ihren Gesprächen mit der Gemeinde – bisher seien die Bemühungen um eine Lösung leider ergebnislos verlaufen.

Der Fussballboom bereitet Sorgen

Immerhin eröffne das Bauvorhaben unter dem Rasenplatz Riet die Aussicht auf einen attraktiveren, neuen Platz, möglichst einen Kunstrasen, der deutlich länger im Jahr zur Verfügung stehen würde als ein Naturrasen. Auf diesem Weg könnte man vier bis sechs zusätzliche Mannschaften spielen und trainieren lassen. Der Haken an der Sache? Der Kunstrasen kostet mindestens eine Million Franken, der Naturrasen nur 400’000 Franken.

Wenn Hermida einen Blick in die Zukunft wirft, schwanken seine Gefühle. Er sieht zwei Entwicklungen, die grosse Auswirkungen auf den Klub haben werden. Die Gemeinde Zollikon werde wachsen, konstatiert er, daran bestehe kein Zweifel, und damit werde auch die Zahl der Menschen, die Fussball spielen möchten, nochmals zunehmen.

Dazu werde es als Folge der Fussball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland und der Frauen-EM 2025 in der Schweiz relativ bald einen «Riesenboom an Interessierten» geben, die Mitglieder des SCZ werden möchten. Das sei ja an sich «hocherfreulich», aber damit werde der Druck auf den Klub noch viel grösser; es brauche mit Sicherheit weitere Juniorenmannschaften, aber auch Mädchen- und Damenteams. Nur frage man sich im Verein zusehends besorgt: «Dürfen wir überhaupt noch wachsen?» (Barbara Lukesch)

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