Die Entscheide fallen im «Bodmersaal»

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15. Oktober 2024 – Die Sitzungen des Gemeinderats finden seit bald 85 Jahren im «Bodmersaal» statt. Kaum jemand kennt diesen geschichtsträchtigen Raum im Gemeindehaus, geschmückt mit Fresken des Zolliker Malers Paul Bodmer. Denn er ist öffentlich nicht zugänglich. (1 Kommentar)

15. Oktober 2024 – Die Sitzungen des Gemeinderats finden seit bald 85 Jahren im «Bodmersaal» statt. Kaum jemand kennt diesen geschichtsträchtigen Raum im Gemeindehaus, geschmückt mit Fresken des Zolliker Malers Paul Bodmer. Denn er ist öffentlich nicht zugänglich.

Beeindruckende Fresken im «Bodmersaal» (Fotos: Adrian Michael)
Beeindruckende Fresken im «Bodmersaal» (Fotos: Adrian Michael)

VON ADRIAN MICHAEL

Am 27. Oktober 1940 wurde das neue Gemeindehaus an der Bergstrasse eingeweiht. Das grosse kahle Sitzungszimmer wollte der Gemeinderat mit einem künstlerischen Schmuck aufwerten – mit Bildern, die einen direkten Bezug zur Zolliker Geschichte haben sollten.

Da der im Zollikerberg lebende Maler Paul Bodmer mit seinem grossen Freskenzyklus im Kreuzgang des Fraumünsters einige Berühmtheit erlangt hatte, lag es nahe, ihn für die Ausgestaltung des Sitzungszimmers anzufragen. Man wurde sich schnell einig, und so schuf der damals 54jährige Künstler zwischen 1941 bis 1945 gegen ein Entgelt von 20’000 Franken eine Reihe beeindruckender Bilder.

Die sorgenvolle Äbtissin Mechthild

Schon im 8. Jahrhundert stellten die Zolliker einige Grundstücke durch Schenkungen unter den Schutz der Kirchen, um sie so dem Zugriff der weltlichen Obrigkeit zu entziehen. Am 5. Oktober 1145 kam es deshalb zu einem speziellen Tauschgeschäft. Ein Zürcher Bürger besass hier einen Rebberg, den er der Fraumünster Abtei übergab und von der Äbtissin Mechthild gleich wieder als Lehen gegen einen jährlichen Zins zurück erhielt – ein geschickter Deal. Den Besuch der Äbtissin stellt Bodmer in einem opulenten Gemälde dar. Begleitet wird Mechthild von zahlreichen Frauen, Verwaltern und Chorherren. Sie schaut auf ihrem Stuhl sorgenvoll auf die vielen Schriftrollen; der Papierkram hatte offenbar schon damals beeindruckende Dimensionen angenommen.

Äbtissin Mechthild (sitzend, rechts von der Mitte) mit einer Papierrolle in Händen
Äbtissin Mechthild (sitzend, rechts von der Mitte) mit einer Papierrolle in Händen

28 Zolliker in der Schlacht bei Murten

Am 22. Juni 1476 besiegten die Eidgenossen in der Schlacht bei Murten den burgundischen Herzog Karl den Kühnen. Weil die Seegemeinden damals unter der Oberhoheit der Stadt Zürich standen, mussten sie jährlich Wehrmänner stellen. Auch 28 Zolliker, 28 Küsnachter und weitere Männer vom See zogen unter dem Zürcher Bürgermeister Hans Waldmann in die Schlacht. In Zollikon wurden sie vor dem dreitägigen Gewaltmarsch nach Murten verpflegt.

Die Versammlung der Soldaten vom See in Zollikon
Die Versammlung der Soldaten vom See in Zollikon

Die monumentale Darstellung der mittelalterlichen Mobilmachung hat Bodmer in zahlreiche Einzelbilder aufgeteilt. Unser Ausschnitt zeigt von links nach rechts einen in Gedanken versunkenen Offizier in einem blauweiss gestreiften Gewand auf einem Stuhl, dahinter zu Fuss Soldaten mit Langspiessen, rechts ein stolzer Reiter zu Pferd – Hans Waldmann? – und vorne reich gedeckte Tische (wahrscheinlich für die Anführer). Ob unter den paar hundert gefallenen Eidgenossen in der Schlacht bei Murten auch Zolliker waren, ist nicht überliefert.

Die Gründung der Holzkorporation

Am 30. April 1330 gründeten die rund 250 Einwohner unserer Gemeinde die Holzkorporation Zollikon, um die gemeinschaftliche und nachhaltige Nutzung des Waldes zu regeln. Fortan war beispielsweise der Verkauf von Wald an Auswärtige nicht mehr erlaubt, und Nachkommen durften, um eine Entfremdung des Korporationsbesitzes zu verhindern, nur innerhalb der Genossenschaft heiraten. Die Holzordnung wurde vom Zürcher Reichsvogt Götz Mülner gesiegelt und bestätigt. Die eigenständig handelnde Holzkorporation ist somit die Vorläuferin der politischen Gemeinde. Neben den beiden Städten und dem Dorf Gräslikon im Zürcher Weinland ist Zollikon also die älteste Gemeinde des Kantons. Zur Überwachung der Bestimmungen wählte man zwölf Geschworene auf Lebzeiten.

Die zwölf Geschworenen der Zolliker Holzkorporation
Die zwölf Geschworenen der Zolliker Holzkorporation tagen im Wald

In vino veritas

Die zwei letzten Bilder sind dem Weinbau gewidmet, der in Zollikon seit 950 urkundlich nachgewiesen ist. Dargestellt ist der heute noch bestehende «Vordere Gugger» an der Seestrasse 121 unterhalb der «Goldenen Halde», neben dem Haus «Zum Traubenberg» das grösste Weingut Zollikons am See. Daneben verkörpern zwei Bäuerinnen mit ihren Hacken die harte Arbeit im Rebberg, während sich fröhliche Stadtherren des Weines erfreuen. Die Zecher stossen mit Bacchus an, dem Gott des Weines. Neben ihm sitzt mit einem Spiegel die Eitelkeit, der vom Narren die Haare gerichtet werden.

Der «Vordere Gugger» und die bechernden Stadtherren unter den Blicken der Bäuerinnen
Der «Vordere Gugger» und bechernde Stadtherren unter den Blicken der Bäuerinnen

Eine steile Karriere
Der am 18. August 1886 in Zürich-Wiedikon geborene Paul Bodmer absolvierte eine Lehre als Theatermaler. Von 1917 bis 1920 unterrichtete er an der Kunstgewerbeschule Zürich. Zusammen mit seiner Frau zog er 1922 ins Zelgli im Zollikerberg oberhalb der Trichtenhauser Mühle. Zwischen 1924 und 1934 malte er die Fresken zu den Gründungslegenden der Fraumünsterabtei. Der Autodidakt Bodmer blieb bis zu seinem Tod am 19. Dezember 1983 künstlerisch tätig. 

Ein Ausschnitt von Bodmers Fresken im Kreuzgang des Fraumünsters (Bild: Roland Zh)
Ein Ausschnitt von Bodmers Fresken im Kreuzgang des Fraumünsters (Foto: Roland Zh)

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Interessanter Bericht; ich hatte keine Ahnung, dass solche Fresken im Bodmersaal existieren. Es waere schön, wenn die Gemeinde diesen Saal ab und zu für interessierte Besucher zugänglich machen würde.

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