Die grosse Unbekannte ist der Verkehr

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1. November 2024 – Endlich ist es so weit: das neue Kinderspital nimmt am Samstag seinen Betrieb auf. Für Zolliker Eltern wird der Weg zur Klinik mit ihrer Notfallstation noch kürzer. Das architektonische Juwel von Herzog & de Meuron hat aber auch Auswirkungen auf den Verkehr.

Eingang zum neuen Kinderspital in der Lengg,, hier noch ohne Verkehr (Fotos: ZN)
Eingang zum neuen Kinderspital in der Lengg,, hier noch ohne Verkehr (Fotos: ZN)

Letztes Jahr nahmen rund 1300mal Eltern aus Zollikon und Zollikerberg für ihre Buben und Mädchen im alten Kispi eine ambulante Versorgung in Anspruch. 80 Kinder wurden – meist nach Notfällen – stationär betreut. Der neue Standort in unmittelbarer Nähe zu unserer Gemeinde könne «durchaus dazu beitragen, dass verstärkt Familien aus Zollikon und dem Zollikerberg unser Angebot in Anspruch nehmen», sagt die Kispi-Mediensprecherin Fabienne Wildbolz.

Bei der offizielle Einweihung in Anwesenheit von Regierungsrätin Natalie Rickli und dem Stararchitekten Jacques Herzog konnten die Eingeladenen Anfang Oktober einen Blick hinter die Kulissen werfen, ohne kleine Patienten zu stören.

Ein Rundgang durch das attraktive Gebäude mit seinen grosszügigen Platzverhältnissen, der eindrücklichen Architektur, den schön gestalteten Zimmern und den modernen technischen Einrichtungen liess erahnen, warum das mehr als 700 Millionen Franken teure Projekt die Eleonoren-Stiftung, die hinter dem Kispi steht, tief in die roten Zahlen getrieben hat.

Eingangsbereich mit moderner Kunst
Eingangsbereich mit moderner Kunst
Begrünter Innenhof
Begrünter Innenhof
Zimmer mit Sicht auf den Zürichsee
Zimmer mit Sicht auf den Zürichsee
Schutznische für kleine Patienten
Schutznische für kleine Patienten
Moderner Operationssaal
Moderner Operationssaal
Alles ist bereit für die kleinen Patienten
Alles ist bereit für die kleinen Patienten

Mit einer generalstabsmässigen Aktion wurden in den letzten Tagen alle Geräte und zuletzt die kleinen Patienten ins neue Kispi in der Lengg gezügelt. Der Abschluss dieser Phase markiert aber auch den Beginn einer noch nicht absehbaren Entwicklung bezüglich Verkehrsaufkommen.

Wie viel Mehrverkehr ist zu erdulden?

Im sogenannten Gesundheitscluster Lengg sind inzwischen acht Kliniken versammelt, die zusammen mit den 2800 Beschäftigten des neuen Kispi nicht weniger als 11’000 Mitarbeitende haben. Darüber hinaus werden auch die Angehörigen der neuen kleinen Patienten im weiteren Umfeld nochmals deutlich mehr Verkehr auf der Strasse und im ÖV generieren.

Das weckt natürlich Ängste in den angrenzenden Quartieren, aber auch in der Bevölkerung von Zollikerberg und Zollikon. Die zentralen Fragen: Wie viel Mehrverkehr wird es auf der eh schon stark befahrenen Forchstrasse geben? Wird es an den Knotenpunkten Forch-/Lenggstrasse bzw. Forch-/Witellikerstrasse zu Staus und längeren Wartezeiten kommen? Wieviel Schleichverkehr wird die Quartierstrassen im Riet und im Walder belasten? Können die alten Menschen, die im Wohn- und Pflegeheim Blumenrain leben, bald keine ungestörten Spaziergänge mehr in ihrer Umgebung machen?

All diese Fragen haben wir der Baudirektion des Kantons Zürich und der Gemeinde Zollikon gestellt. Der kantonale Kommunikationsberater Markus Pfanner hat uns die Antworten geschickt, die – so die Kommunikationschefin Melanie Marday-Wettstein – auch mit Zollikon abgesprochen seien.

Flankierende Massnahmen

Einerseits wird deutlich, dass die Beteiligten dem Thema Verkehr grosse Aufmerksamkeit schenken. Anderseits aber auch, dass sie bezüglich Entwicklung des Individualverkehrs noch im Dunkeln tappen. So heisst es, man habe im Mai 2023 eine Verkehrszählung auf mehreren Quartierstrassen im Umfeld der Lengg vorgenommen und wolle diese Übung ein halbes Jahr nach der Eröffnung des Kispi, also im Mai 2025, wiederholen. Sollte der Schleichverkehr ein Problem darstellen, würden Zürich und Zollikon gemeinsam «flankierende Massnahmen entwickeln und umsetzen.» Was das genau bedeutet, ist noch offen.

Etwas konkreter ist die Auskunft, dass der Kantonsrat die Anzahl Fahrten des motorisierten Individualverkehrs für das Gebiet Lengg auf 11’600 pro Tag gedeckelt hat. Darunter fallen alle Zu- und Wegfahrten bei den grossen Kliniken. Auf die Frage, mit welchen konkreten Massnahmen eine solche Vorgabe durchgesetzt werden könne, erfährt man lediglich, dass «der Verkehr zu und von den Kliniken gezählt und von den Behörden kontrolliert wird».

Die Kliniken haben verschiedene Schritte unternommen, um den Autoverkehr von sich aus zu reduzieren. So kommen Mitarbeitende, die das Tram oder den Bus benutzen, in den Genuss eines ÖV-Bonus. Gleichzeitig wurden die Parkgebühren für Mitarbeitende, aber auch Besuchende markant erhöht. Verschiedene Aktionen sollen auch das Velo attraktiver machen: Neue Wege und Abstellplätze entstehen, und die Initiative «Bike to Work» versucht mit der Förderung des Homeoffice den Umstieg auf das Fahrrad zu erleichtern.

Um all diese Massnahmen bekannt zu machen, wurde im Frühjahr eine Mobilitätskampagne mit Flyern und Website gestartet, mit der man die Bevölkerung sensibilisieren will. Sollten alle Anstrengungen nicht ausreichen, um das Ziel von maximal 11’600 Fahrten pro Tag zu beschränken, würden zusätzliche Massnahmen ergriffen, heisst es. So könnte beispielsweise die Anzahl Parkplätze im Umfeld der Kliniken reduziert werden.

Grösseres ÖV-Angebot

Unter diesen Voraussetzungen braucht es natürlich einen leistungsfähigeren öffentlichen Verkehr. Kam man vor wenigen Jahren nur mit dem 11er-Tram oder der Forchbahn zum Balgrist, ist das Angebot inzwischen vielfältiger und deckt ein deutlich grösseres Einzugsgebiet ab.

So wurden bereits im Dezember 2022 die Buslinien 99 (Bahnhof Zollikon – Balgrist) und 77 (Hegibachplatz – Balgrist) in Betrieb genommen. Für Zollikon von Bedeutung ist vor allem der 99er-Bus, der Beschäftigte von Spitälern sowie Eltern und kleine Patienten vom rechten Seeufer vom Bahnhof Zollikon direkt in die Lengg bringt. Die Abkürzung soll die Forchbahn und das 11er-Tram am Stadelhofen entlasten.

Mehr Kapazität wurde sodann dank der durchgehenden Umstellung der Tramlinie 11 auf niederflurige Flexity-Trams gewonnen. Ausserdem sei mit der Einführung des sogenannten Tramnetzes Süd im Dezember 2025 ein weiterer Ausbau der ÖV-Kapazität auf der Forchstrasse geplant, heisst es beim Kanton. Die Mitarbeitenden der Spitäler könnten dann von einer besseren Anbindung an die S-Bahn profitieren.

Es bleiben offene Fragen

Sind damit alle Befürchtungen der Zolliker Bevölkerung zerstreut? BeobachterInnen bleiben skeptisch. Man schätze zwar die Bemühungen der Spitäler und Behörden, aber vieles sei halt noch vage formuliert. Es gibt einige offene Fragen:

  • Wie will man im Umfeld von Akutspitälern den Verkehr kontrollieren oder gar drosseln, wenn es zu einer Häufung von Notfällen kommt?
  • Werden sich die oft hochmotorisierten Bewohnerinnen und Bewohner der Goldküste wirklich von ihren SUVs trennen, um mit dem Bus 99 ins Spital zu fahren?
  • Erhöht der Zuwachs an Gesundheitspersonal in direkter Nähe zur Gemeinde den Druck auf den eh schon angespannten hiesigen Wohnungsmarkt?

Der Kanton Zürich und die Gemeinde Zollikon betonen die andere Seite der Medaille: «Vom Ausbau der Spitzenmedizin im Gebiet Lengg und den Verbesserungen im ÖV profitiert auch die Bevölkerung in Zollikon.» (Barbara Lukesch)

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