Die Männer, die uns den Schnee wegräumen
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10. Januar 2022 – Um 4.21 Uhr läutet das Handy. Adi Imeri, Teamleiter Unterhaltsdienst der Gemeinde, ist am Apparat. «Wir haben ziemlich viel Schnee bekommen», sagt er, «wie lange brauchst du, bis du bereit bist?» – «5 Minuten», sage ich, und springe aus dem Bett.
Um 4.37 steht Adi mit seinem orangen Fahrzeug vor der Tür. Wir fahren los, Richtung Berg. Das Zürcher Strasseninspektorat habe ihn um 3 Uhr angerufen, sagt er, der Schnee sei ziemlich unverhofft gekommen. Bei unserem Gespräch Ende Dezember im Werkhof haben wir ausgemacht, dass er mich abholt, wenn der erste Einsatz im neuen Jahr ansteht.
Normalerweise weiss das Team ungefähr einen halben Tag im Voraus, dass eine Nachtschicht ansteht – dank den Wetterprognosen von Meteo Schweiz und zwei Frühwarngeräten in der Rietholzstrasse und auf der Zolliker Allmend. Heute muss alles ein bisschen schneller gehen. Gut, dass die Pflüge und Salzstreuer bereits an den Fahrzeugen montiert und die Schneefräsen bereit sind.
Einige Männer haben nicht mit einem Einsatz gerechnet, es dauert, bis der Teamleiter alle erreicht hat. Doch dann läuft alles automatisch ab. Alle kennen ihre Routen: Erste Priorität haben die Hauptstrassen; sie müssen bis zum Beginn des Morgenverkehrs um 7 Uhr geräumt sein. Anschliessend werden die Nebenstrassen inklusive Trottoirs geputzt.
Zuletzt steht die Feinarbeit an: Kreuzungen säubern, Parkplätze vom Schnee befreien und vertraglich zugesicherte Flächen von Privaten räumen, rund 20’000 m2. Insgesamt reinigt das Team 12 säuberlich festgelegte Routen: rund 42 Kilometer Strassen und Trottoirs.
Das Spital hat Priorität
Im Dorf liegen nur ein paar Zentimeter Schnee, doch je höher wir kommen, desto dicker wird die Decke; schwerer, nasser Schnee. Es ist dunkel, noch brennen keine Strassenlampen.
Wir inspizieren zuerst die Zufahrt zum Spital Zollikerberg, die Priorität geniesst. Eine Hälfte der Fahrbahn ist bereits geräumt, der Traktor mit der grossen Schaufel kommt uns blinkend entgegen. Die Temperaturen sind relativ mild, der Boden ist seifig. Ein Fall für den Salzstreuer, den wir mit uns führen.
Adi Imeri ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und bringt reichlich Erfahrung als Schneeräumer mit. Er war im bünderischen Valendas bei Ilanz für den Strassenunterhalt zuständig. Zollikon kann seit mehr als 20 Jahren auf seine guten Dienste zählen. «Im Bündnerland war der reduzierte Winterdienst der Normalfall», sagt er, «dort sind sich die Autofahrer an schneebedeckte Strassen gewöhnt.» Zollikon wollte auch einmal in diese Richtung gehen, es zeigte sich aber, dass hier die Schwarzräumung geschätzt wird.
Wir fahren die wichtigsten Routen ab und kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Bei der Forchbahn-Station Zollikerberg schaufelt ein Gemeindearbeiter Schnee, während der andere auf dem bereits geräumten Perron Salz streut. Alles in Ordnung.
Weiter gehts Richtung Oberhub und Sennhof. Auf der Binzstrasse begegnen wir zwei Räumungsfahrzeugen des Kantons. «Die sind ein bisschen später dran als wir», schmunzelt Adi Imeri und deutet auf die Forchstrasse, auf der immer noch Schnee liegt, ein Schleuderkurs für die ersten Automobilisten.
Private helfen mit
Bei starkem Schneefall sind in Zollikon 13 Fahrzeuge und bis zu 20 Leute zu Fuss unterwegs, um Strassen, Trottoirs, Plätze und Bushaltestellen zu reinigen. Im Einsatz stehen nicht nur Gemeindefahrzeuge, sondern auch solche von privaten Unternehmen wie der grosse Lastwagen von Widmer Gartenbau, der die Hauptstrassen räumt, oder Traktoren der Landwirte Weber und Friedli, die im Zollikerberg zugange sind.
Adi Imeri entscheidet am frühen Morgen, welche Mittel eingesetzt werden. «Jeder Schnee ist anders», erklärt er, «bei milden Temperaturen reicht es, wenn wir pflügen und ganz leicht salzen oder 30prozentige Sole spritzen. Bei Temperaturen unter Null müssen wir die Menge von 7 bis 10 auf 15 bis 20 Gramm Salz pro m2 erhöhen.» Bei einem grossen Einsatz werden rund 5 Tonnen Salz gestreut. 60 Tonnen lagern in einem Silo beim Werkgebäude, 70 Tonnen in der Oberhueb.
Unsere Runde führt uns zurück ins Dorf. Über die Dufourstrasse, die schwarz glänzt, Richtung Zürich, dann auf der Dammstrasse entlang der Bahngeleise zurück bis zur steilen Gstadstrasse, die mit dem berggängigen Traktor geräumt werden muss. Adi Imeri sagt, das grösste Problem seien auf dem Trottoir parkierte Roller. Die kleinen Räumungsfahrzeuge müssten über die Kante ausweichen, was heikel sei, weil sie kippen könnten.
Kaffee und Gipfeli zur Stärkung
Um 5.40 Uhr haben wir die erste Inspektionstour beendet. Ich steige beim Gemeindehaus aus, Adi Imeri macht sich auf zur zweiten Tour. Noch schläft das Dorf, der erste Bus schleicht auf der Rotfluhstrasse Richtung Küsnacht. Die Wege rund ums Schulhaus Oescher sind bereits geräumt, der Dorfplatz ist gerade in Arbeit. Aus allen Richtungen sind die kratzenden Geräusche der Räumungsfahrzeuge zu hören.
Um 7 Uhr gibt es auf dem Werkhof Kaffee und Gipfeli. Der Einsatz wird besprochen, dann machen sich die Männer noch einmal auf, um die Feinarbeit zu verrichten. Um 9 Uhr fährt der letzte Salzstreuer auf dem Trottoir vor unserem Wohnhaus vorbei. Adi Imeri und sein Team haben den nächtlichen Einsatz einmal mehr erfolgreich bewältigt. Der nächste Schnee kann kommen. (rs)
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Interessanter Blick hinter die Kulissen!
Super Artikel! So spannend, was in der Gemeinde alles geschieht, ohne dass man davon wirklich was weiss!