Migros-Mann Urs Bleiker: Steile Karriere
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31. Januar 2022 – Die Migros in Zollikon wird heuer 50 Jahre alt. Seit sieben Monaten ist Urs Bleiker Filialleiter. Was ist das für ein Mensch, der dafür sorgt, dass wir täglich Früchte, Gemüse, Fleisch, Teigwaren und Reis auf dem Teller haben?
Urs Bleiker ist ein Bergler aus dem Linth-Gebiet, ein Wandervogel, Biker und Snowboarder, der es liebt, die Berge direkt neben der Haustür zu haben. Man könne ihn auch als «Landei» bezeichnen, legt er mit seiner rauen Stimme und seinem Glarner Dialekt nach. Ein Landei allerdings mit viel Drive und grosser Lust auf Veränderungen.
Das merkt man spätestens, wenn man ihn nach seiner beruflichen Laufbahn fragt. Seine dreijährige Lehre als Detailhandelsfachmann hat er in der Migros in Uznach SG absolviert. Von da an wechselte er die Filialen im Jahrestakt. Mit 21 ging er nach Lachen im Kanton Schwyz, wo er bereits mit der Leitung der Gemüseabteilung betraut wurde. Es folgten Wollerau und die deutlich grössere Filiale im Seedammcenter in Pfäffikon SZ. An beiden Orten übernahm er den Posten als Stellvertreter des Filialleiters.
Mit 24 Jahren liess er sich zum Detailhandelsspezialisten ausbilden – was die Voraussetzung ist, um bei der Migros Filialleiter zu werden. Als 25-Jähriger bekam er dann seine Chance und wurde Chef des mit 800 m2 eher kleineren Geschäfts in Eschenbach, einem Dorf ganz in der Nähe von Rapperswil/Jona. Sein Team umfasste 12 Leute. Diesmal blieb er fünf Jahre und nutzte die Gelegenheit Führungserfahrung zu sammeln.
Der nächste Karriereschritt führte ihn nach Küsnacht am Zürichsee, wo er bereits 25 Mitarbeitende führte, mit denen er eine Ladenfläche von 1000 m2 bewirtschaftete. Im Juni letzten Jahres erfolgte schliesslich der Wechsel in die Filiale Zollikon, die gleichgross ist, aber mit 35 Leuten personell nochmals anspruchsvoller. Inzwischen ist er 33 und bereits seit acht Jahren Filialleiter. Eine steile Karriere. Er lacht und sagt nicht ohne Stolz: «Das ist tatsächlich eher selten.»
Spartanisches Büro im Keller
Jetzt sitzt er in seinem Büro im Keller des Migros-Gebäudes am Dorfplatz, eine spartanisch eingerichtete Zelle mit Platz für knapp zwei Personen. Er ist ein offener Mensch, der gern von seiner Arbeit erzählt. Der Erfolg macht es ihm allerdings auch leicht: Die Filiale Zollikon, berichtet er, habe im Verhältnis zu ihrer Fläche ein grosses Kunden- und Umsatzvolumen. Konkrete Zahlen dürfe er nicht nennen, aber er gibt immerhin preis, dass sie deutlich mehr Umsatz mache als die gleichgrosse Filiale im benachbarten Küsnacht.
Über die Gründe könne er nur spekulieren. Einer ihrer Vorteile sei sicher die geräumige Parkgarage, die stark genutzt werde. Nicht zuletzt deshalb hätten sie auch viele Kunden von ausserhalb Zollikons. Der Ort selber sei dicht besiedelt; das Publikum zudem überdurchschnittlich kaufkräftig, was sich etwa am Umsatz der Metzgerei oder den hochwertigen Selection-Produkten zeige.
Dazu gebe es in Zollikon wenig kleine Läden mit attraktiven Spezialangeboten. Hauptkonkurrent sei der Coop mit seinem Alkoholsortiment, dazu verschiedene eigene Filialen in Reichweite: zuallererst das 2 M-Geschäft in Zumikon, dazu jene am Kreuzplatz in Zürich und in Küsnacht.
Die ZollikerInnen sind freundlich
Fragt man ihn, wie er die Filiale in Zollikon charakterisieren würde, erzählt er zunächst vom Publikum, das ihn überrascht habe mit seiner Freundlichkeit. Er habe an der Goldküste mehr Distanz erwartet und staune, wie nett die Leute zurückgrüssen würden, wenn man ihnen «Grüezi» sage: «Das ist etwas, das ich als Landmensch natürlich sehr aufmerksam wahrnehme.»
Interessant für ihn sei auch, wie selten reklamiert werde. Klar wünsche sich mal jemand eine Erweiterung des Sortiments um eine Aufback-Foccacia, oder ein anderer habe Mühe mit einer Kassiererin: «Aber das sind wirklich Ausnahmen.»
Die Filiale, die dieses Jahr 50 wird, also eher älteren Datums sei, lasse sich nichtsdestotrotz schön einrichten. So lege er Wert darauf, den Raum nicht total zu verstellen, sondern die Gemüse- und Früchteabteilung beispielsweise so zu gestalten, dass sie gleichwohl den Blick auf die Metzgerei freigebe. Den Blumenstand hätten sie gerade kürzlich mit neuen Gestellen und freundlicherem Licht aufgepeppt, und demnächst werde auch das Brotsortiment attraktiver präsentiert.
Erweiterung in die ehemalige CS-Filiale?
Und sonst, wo sieht er weiteres Verbesserungspotenzial? Er lacht sein kehliges Lachen: «Manchmal habe ich den Eindruck, wir seien eine wilde Filiale.» Damit meine er, dass es Stosszeiten gebe, in denen alle Leute gleichzeitig ins Geschäft stürmen. Mittags beispielsweise, wenn die Schülerschaft aus den angrenzenden Schulhäusern komme, oder auch samstags, wenn die Leute ihren Wocheneinkauf erledigen: «Dann ist die Hölle los in unserem vergleichsweise kleinen Laden.» Doch das seien bloss Spitzen.
Gefragt, ob er sich eine Erweiterung der Fläche in der ehemaligen CS-Filiale vorstellen könne, die ja nach wie vor leersteht, hält er sich bedeckt. Dafür erklärt die Medienstelle in Zürich, dass «ein Ausbau aus baulichen Gegebenheiten leider nicht möglich» sei, obwohl «die Migros sehr daran interessiert» gewesen sei.
Als das Gespräch bei Bleikers Verdienst landet, fällt seine Antwort erneut knapp aus. Nur so viel: er verdiene gut. Dafür werde allerdings auch einiges von ihm verlangt. Bei den Umsatzzahlen oder Kostenvorgaben seien die Erwartungen der Migros klar: «Da besteht wenig Spielraum.» Sein Pflichtenheft umfasse sowohl die Mithilfe beim Entladen der Lastwagen morgens um 5.30 Uhr wie auch das Auffüllen von Gemüse- und Fruchtgestellen und ab 10 Uhr Administration, Korrespondenz, Personalführung inklusive Mitarbeiterbeurteilung, Schulung und Weiterbildung und vieles mehr.
Alle zwei Wochen habe er seinen direkten Vorgesetzten zu Besuch, einen sogenannten Gebietsleiter, der für insgesamt 17 Filialen zuständig sei. Natürlich würde man ihn kritisieren, wenn sein Monatsabschluss schlechte Zahlen aufweise oder er Abgabetermine nicht einhalte. Abgesehen davon schätze er den Austausch, weil er ihm auch Gelegenheit biete, sich Rat zu holen und bei schwierigen Entscheiden abzusichern.
Darüber hinaus gebe es Kontrollen am Laufmeter. Da werde zum Einen die Betriebshygiene überprüft: Tragen die Verkäufer in der Fischabteilung Handschuhe? Andere wollen wissen, ob alle Sicherheitsvorschriften eingehalten werden. Urs Bleiker streckt seine schwarzen Schuhe in die Luft: «Ein Uvex-Sicherheitsmodell, das wir beim Bedienen des Palletten-Rollis tragen müssen.» Dann kommen die Qualitätskontrolleure, die prüfen, ob bei exotischen Früchten die Rückverfolgbarkeit und bei Tiefkühlpizzas die angemessene Produktekühlung gewährleistet seien.
Langer Arbeitsweg
Unser Gespräch neigt sich dem Ende zu. Gemeinsam steigen wir aus dem Keller und stehen im lichtdurchfluteten Ladenlokal, das im Vergleich schon fast riesig wirkt. Der Chef federt den Gestellen entlang und fragt in der Früchteabteilung einen seiner Mitarbeiter, ob es nicht noch mehr Himbeeren gebe, mit denen man die Auslage ergänzen könne.
Auf die Schlussfrage, was ihm ganz besonders am Herzen liege, antwortet er: «Die Zufriedenheit meiner Leute.» Er habe nichts davon, wenn sie ihm vordergründig freundlich begegneten, aber untereinander über die Stimmung im Team schimpften: «Ich brauche Mitarbeiter, die gern bei uns arbeiten.»
Sobald er Feierabend hat, fährt Urs Bleiker wieder aufs Land. Momentan noch nach Schänis SG, bald aber nach Altendorf, eine Gemeinde mit 6000 Einwohnern im Kanton Schwyz. Man könne ihm auch «Bünzli» sagen, ruft er zum Abschied hinterher und lacht. Das passe ganz gut zu ihm. (bl)