Die «Trichti»-Beiz soll erhalten bleiben
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23. Februar 2023 – Die Gemeinde Zollikon soll die Trichtenhauser Mühle kaufen, das Restaurant sanieren, zu einem tragbaren Zins verpachten und die Wohnungen im Haus vermieten. Das fordert der Quartierverein Zollikerberg mit einer Initiative, die er am Dienstag eingereicht hat. (9 Kommentare)
23. Februar 2023 – Die Gemeinde Zollikon soll die Trichtenhauser Mühle kaufen, das Restaurant sanieren, zu einem tragbaren Zins verpachten und die Wohnungen im Haus vermieten. Das fordert der Quartierverein Zollikerberg mit einer Initiative, die er am Dienstag eingereicht hat.
Der Quartierverein hatte der Gemeinde sein Anliegen bereits Mitte Dezember unterbreitet. Der Gemeinderat antwortete am 13. Februar und schrieb, gemeindeseitig bestehe kein Kaufinteresse an der Liegenschaft: «Wir haben uns um eine Lösung bemüht, die sowohl für die Gemeinde als auch für die Bevölkerung von Vorteil ist, mussten aber einsehen, dass ein Weiterbetrieb als gemeindeeigenes Restaurant nicht sinnvoll wäre.» Der Abgleich mit dem bestehenden Liegenschaften-Portfolio habe ergeben, «dass ein Kauf der Trichtenhauser Mühle – auch unabhängig von der zukünftigen Nutzung – für die Gemeinde keinen Sinn macht».
Einzelinitiative als Reaktion
Damit wollte sich der Quartierverein nicht abfinden. Es hätten sich viele Leute gemeldet, die das «Beizensterben» in Zollikon bedauern, heisst es. Manche fragten, ob es wirklich keine Möglichkeit gebe, das allseits geschätzte Restaurant Trichtenhauser Mühle mit dem Saal zu erhalten.
Am Dienstag hat Quartiervereins-Co-Präsident Fritz Wolf bei der Gemeinde eine Einzelinitiative eingereicht, die «den dauernden Erhalt des Restaurants mit Saal» fordert. Nach Ansicht des Vorstands könnte die Initiative bereits in der Juni-Gemeindeversammlung zur Abstimmung kommen. Bei einer Annahme müsste der Gemeinderat konkrete Vorschläge für eine Umsetzung machen.
«Direkte oder indirekte Sicherstellung»
Die Gemeinde solle die Erhaltung des Restaurants Trichtenhauser Mühle «direkt oder indirekt sicherstellen», schreiben die InitiantInnen.
Was mit «direkter Sicherstellung» gemeint ist, erschliesst sich leicht: Kauf der Liegenschaft durch die Gemeinde. Anschliessend bauliche Sanierung des Restaurants und gegebenenfalls des Saals, gefolgt von der Verpachtung des Restaurants an einen geeigneten Pächter zu einem tragbaren Zins. Vermietung der bereits existierenden Wohnungen, die zum Gebäude an der Trichtenhauserstrasse 60 gehören.
Schwieriger zu verstehen ist die Formulierung der «indirekten Sicherstellung». Im Initiativtext heisst es etwas umständlich: «Die indirekte Sicherstellung kann über eine Stiftung oder eine andere juristische Person oder andernfalls über ein Servitut mit Abgeltung des Minderwertes an den Eigentümer erfolgen».
Jürgen Schütt, als Vorstandsmitglied des Quartiervereins Mitunterzeichner der Initiative, erklärt auf Anfrage, was damit gemeint ist. «Die Gemeinde könnte eine AG oder eine Stiftung gründen und ihr den operativen Betrieb des Restaurants übergeben. Das wäre aus unserer Sicht die beste Lösung.» Herrliberg habe das mit dem Restaurant Kittenmühle vorgemacht.
Vorbild Kittenmühle
Tatsächlich gründete die Gemeinde Herrliberg 2002 die «Wirtschaft zur Kittenmühle AG», wie der Gemeindescheiber Pius Rüdisüli bestätigt, der nach wie vor Mitglied des Verwaltungsrats ist. Die Überführung in die AG sei «überraschend gut verlaufen; das Publikumsinteresse war gross». Die AG sanierte das denkmalgeschützte Gebäude und verpachtete es. Heute befinden sich 71% des Aktienkapitals in Privatbesitz, die Gemeinde hält nur noch 29%. Der einmalige Gemeindebeitrag belief sich laut Rüdisüli auf 1,8 Millionen Franken.
Schütt könnte also Recht haben mit seiner Annahme, «dass die ‹Trichti›, das älteste Haus im Zollikerberg, mit seinem Charme und seiner Geschichte vielen Zollikerinnen und Zollikern, aber auch einigen Parteien etwas wert sein könnte».
Die Variante mit dem Servitut habe man in der Initiative nur der Vollständigkeit halber angeführt. Bei diesem Konstrukt würde die Gemeinde mit dem Besitzer vertraglich festlegen, dass er das Restaurant auf eigene Rechnung weiterführt und für die anfallenden Investitions- und Betriebskosten sowie die Sistierung seines Wohnprojekts angemessen entschädigt wird.
Was will die Besitzerfamilie?
Damit sind wir auch schon am heikelsten Punkt. Die langjährige Zolliker Besitzerfamilie Heer sah sich nicht in der Lage, die finanziellen Mittel für die dringende bauliche Sanierung des Restaurants aufzubringen. Stattdessen plant sie seit geraumer Zeit den Umbau und die Umnutzung der «Trichti» in ein Mehrfamilienhaus mit sieben Wohnungen und einem Atelier. Das Projekt wurde am 9. Dezember 2022 amtlich ausgeschrieben. Eine Baubewilligung liegt noch nicht vor. Es heisst, der Heimatschutz wolle auch noch ein Wörtchen mitreden.
Laut Schütt gilt «das erste Interesse des Besitzers der Realisierung des ausgeschriebenen Wohnprojekts». Doch wenn der Kanton dem Umbau des historischen Gebäudes nicht zustimmen würde, «könnte die Familie Heer durchaus an einer Lösung im Sinne unserer Initiative interessiert sein». Peter Heer hält sich als Vertreter der Besitzerfamilie bedeckt: «Kein Kommentar.»
Kauf für weniger als 5 Millionen?
Schütt geht davon aus, dass die sanierungsbedürftige Liegenschaft im schattigen Wehrenbachtobel für weniger als 5 Millionen Franken zu kaufen sein sollte: «Dieser Betrag würde in die Kompetenz der Gemeindeversammlung fallen.» Dazu kämen die Umbau- und Sanierungskosten. Für Wohnungen sei der Standort eher suboptimal, «aber äusserst geeignet für einen Wirtschaftsbetrieb, weil durch den Lärm keine Nachbarn gestört werden».
Dem Schicksal der Initiative sieht er als Vorstandsmitglied des Quartiervereins Zollikerberg pragmatisch entgegen: «Wir versuchen es, und wenn wir verlieren, dann verlieren wir halt.»
Die «Trichti», wie sie im Volksmund liebevoll genannt wird, kam 1872 in den Besitz der Familie Heer. Das Restaurant gehörte jahrzehntelang zu den beliebtesten Ausflugszielen der Zollikerinnen und Zolliker. Auch Städter mochten es, mit Kind und Kegel von der Burgwies das Wehrenbachtobel hinauf zu spazieren und es sich in der grossen Gartenwirtschaft gutgehen zu lassen. Aus Witikon kamen die Gäste den steilen Berg herunter.
Der Pachtvertrag mit den langjährigen Wirtsleuten Yvonne und Robert Rhyner endet am 26. März 2023. Die bewegte Geschichte des Hauses haben wir am 26. März 2022 unter dem Titel «Trichtenhauser Mühle: Eine grosse Tradition geht zu Ende» erzählt. (rs)
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Zuerst einmal das Ergebnis der Ausschreibung für einen neuen Wirt oder einer neue Wirtin abwarten.
Dann mit den in Frage kommenden Personen sprechen, allenfalls unter Beizug des bisherigen Wirtes, Herr Rhyner und/oder der bisherigen Eigentümer Heer.
Ein grosses Bravo den Initianten des Quartiervereins Zollikerberg. Einmal mehr befremdet der Gemeinderat – obwohl neu zusammengesetzt – mit bürgerfremdem, unsensiblem Bürokratiegehabe. Die vom zuständigen Gemeinderat vorgeschobene Liegenschaftenstrategie ist doch sicher nicht das Mass aller Dinge. Die Sinnfrage zu stellen, hiesse hier aber einzusehen und dann dafür einzustehen, dass es beim Erhalt der Trichtenhausermühle und der über hundert Jahre alten, auf ehernem Tavernenrecht beruhenden Wirtschaft um eine einmalige, unwiederbringliche Chance bzw. Aufgabe geht, die offensichtlich im öffentlichen Interesse der Gemeinde Zollikon liegt. Es geht also weniger um das Problem des Beizensterbens, sondern primär um den Erhalt excellenter historischer und identitätsstiftender Substanz, die nicht alleine dem Heimatschutz überlassen werden kann. Andere Gemeinden haben sich da mit gutem Erfolg engagiert. Ein besonders eindrückliches Vorbild ist auch die Gemeinde Uetikon a. See, die den Erhalt des Rest. Sonnenhof im Dorfzentrum im öffentlichen Interesse mit einer aus der Bevölkerung mitfinanzierten AG erfolgreich und nachhaltig realisiert hat. Also: Ideen und Umsetzungskraft sind gefragt!
Seit bald 55 Jahren wohne ich in Zollikon resp. Zollikerberg und hab tolle Erinnerungen an die «Trichti» wie auch deren Gastgeber. Dennoch ist es falsch, hier die Besitzer nicht in ihrem Umbauprojekt zu unterstützen und Forderungen an einen «Restaurant-Zwang» zu stellen. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Gemeinde, eine gewisse Anzahl Restaurants sicherzustellen. Was käme danach? Forderungen nach einer Unterstützung für Schuhmacher oder Bäckereien? Wer weiss, vielleicht bietet ja jemand aus dem Unterstützungs- oder Initiativkomitee eine eigene Liegenschaft für ein neues Restaurant an. Ich bin der Meinung wir sollten – mit einer schlanken und effizienten Gemeindeverwaltung – Bürger, Gewerbe und Firmen in deren (Bau-)Vorhaben unterstützen, nicht jedoch finanzieren. Dass in einem so geschichtsträchtigen Haus in einer Erholungszone zusätzlicher Wohnraum entstehen soll, freut mich.
Ich gehe mit Ihnen einig, dass es nicht Aufgabe des Staates sein sollte, ein Restaurant zu besitzen oder gar zu betreiben. Wenn die Privatwirtschaft wegen ungünstigen Rahmenbedingungen versagt, was hier wegen des völlig aus den Fugen geratenen Immobilienmarktes der Fall ist, muss die Öffentlichkeit leider einschreiten, falls eine minimale Anzahl an Gaststätten in der Gemeinde erhalten werden soll. Die Beizen erfüllen als Treffpunkt für die Menschen auch eine wichtige soziale Komponente. Lebensqualität zeichnet sich eben nicht nur durch einen tiefen Steuerfuss aus. Dass dies durchaus unter einen Hut gebracht werden kann, machen unter unseren Nachbarn nicht nur das linke Zürich vor, sondern auch die bürgerlich geprägten Gemeinden Küsnacht und Herrliberg. Geben wir acht, dass wir diesbezüglich den Anschluss nicht verlieren.
Hoi Raymond, alles okay Deine Meinung. Aber sollen in Zukunft die Vereine, Gesellschaften usw ihre Versammlungen in einer Turnhalle oder in einem Restaurant in Küsnacht abhalten müssen? Wohin geht man als Zolliker Vereinsmitglied oder Feuerwehr, resp. Seerettungsdienst etc. nach einer Übung oder einem Training? Direkt nach Hause oder nach (halt wieder) Küsnacht? Und die schlanke und effiziente Gemeindeverwaltung existiert in Zollikon nicht, sollte dringend ausgemistet und nach (schon wieder) Küsnachter Vorbild aufgebaut und geführt werden. Lieber Gruss, Robert Lang
Die aus dem Englischen übersetzte Phrase «to make sense» ist in der Antwort des Gemeinderates zynisch und in einem offiziellen Schreiben unangebracht: Wer macht denn in der Gemeinde Zollikon den Sinn? Wird er in einem Büro des Gemeindehauses von einem Sinnmacher gemacht, gewogen, für zu leicht befunden und an der nächsten Sitzung verworfen?
Oder dürfen die Zolliker hoffen, dass der Gemeinderat sich zukünftig weniger salopp über Wünsche aus der Bevölkerung hinwegsetzt? Die Erhaltung der Trichtenhausermühle ergäbe sehr wohl einen Sinn und könnte von grossem Nutzen für das Leben der Dorfgemeinschaft sein. Die Trichti ist ein Stück Tradition, Wärme, Erinnerung und Hoffnung auf eine gesellige Zukunft. Dem Quartierverein Zollikerberg gebührt ein grosser Dank, dass er sich dafür einsetzt.
Dem kann ich nur zustimmen. Ein tiefer Steuerfuss sollte nicht das Mass aller Dinge sein.
So ein schönes Restaurant mit ausgezeichneter Küche sollte nicht verschwinden.
Eine gute Initiative, die unsere volle Unterstützung verdient! Leider verpasst es der Gemeinderat ein weiteres Mal, direkt etwas für unsere Gemeinschaft und unser Dorfleben zu unternehmen, was schade ist, aber nicht anders zu erwarten war. Nun sind wir als Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gefragt. Packen wir es an!