Die Zweiklassengesellschaft
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21. März 2025 – Die Zustimmung der Gemeindeversammlung zum Fernwärmeprojekt scheint sicher: alle Parteien sagen Ja (Parolen ganz unten). Dass in Zollikon eine Zweiklassengesellschaft entsteht und nur eine Minderheit von der Fernwärme profitiert, hat vor allem wirtschaftliche Gründe.

VON RENE STAUBLI
Unsere Karte zeigt die geplante Versorgung der Gemeinde mit Fernwärme (gelber Raster). Mit dem roten Stern ist die künftige Heizzentrale im Riet markiert. Die schraffierte Fläche kennzeichnet das Gebiet südlich der Bergstrasse, das entgegen der ursprünglichen Planung nicht mit Fernwärme versorgt werden kann.
Auf die rot nummerierten Punkte beziehen sich die 11 Fragen, die wir den «Werken am Zürichsee AG» gestellt haben. Das Unternehmen ist im Besitz der Gemeinden Küsnacht, Erlenbach und Zollikon. Es ist für den Bau, den Betrieb und den Unterhalt des Zolliker Fernwärmenetzes zuständig.
1. Der Zollikerberg bleibt aussen vor
Frage: Warum kann in der geplanten Konstellation der Zollikerberg nicht mit Fernwärme versorgt werden? Liegt das allein daran, dass sich das Diakoniewerk nicht am Wärmeverbund beteiligen will?
Antwort: Die Erschliessung des Zollikerbergs mit Seewasser wäre sehr kostenintensiv. Ohne einen grossen Abnehmer wie die Diakonie ist deshalb keine wirtschaftliche Lösung möglich. Es schliesst sich kein Kunde an ein Fernwärmenetz an, wenn er dafür – im Vergleich zu einer alternativen Lösung – mehr bezahlen muss. Wir müssen mit der Fernwärme kompetitiv sein.
2. Keine Fernwärme am See
Frage: Warum gibt es südlich der Heizzentrale Riet bis hinunter zum See (Gebiet mit der Nr. 4) keine Versorgung mit Fernwärme? Könnte die Wärme nicht durch Rohre den Hang hinunter geleitet werden?
Antwort: Theoretisch könnte eine Erschliessung auch in tieferliegenden Gebieten erfolgen. Bei der Projektierung des Fernwärmenetzes mussten jedoch Grenzen festgelegt werden – basierend auf der vorhandenen Seewasserwärme und der Wärmekapazität der Zentrale. Dies führte zum nun vorliegenden Versorgungsgebiet.
3. Wer profitiert – und wer nicht
Frage: Auch das grosse Gebiet mit der Nr. 6 kann keine Fernwärme beziehen. Da fragen wir uns, wie gross der Anteil der Zolliker Liegenschaften ist, die von den «Werken am Zürichsee» gemäss den aktuellen Plänen versorgt werden können.
Antwort: Es gibt in Zollikon Dorf ca. 1500 Liegenschaften. Davon liegen rund 520 im Versorgungsgebiet, von denen wiederum ca. 150 mit Fernwärme versorgt werden können, darunter grosse Abnehmer wie das Fohrbach oder Schulhäuser. Bei der Fernwärme handelt es sich grundsätzlich um ein Volumengeschäft: grosse Abnehmer helfen, das Netz auch für kleinere Abnehmer wirtschaftlich attraktiv zu machen.
4. Was den Anderen bleibt
Frage: In den Unterlagen der Gemeinde werden die Vorteile für die Bezüger von Fernwärme herausgestrichen: einfache Installation im Gebäude, keine Öl- oder Gasheizung mehr nötig, keine Wärmepumpe, kein Raum für Tankanlagen, Öl- oder Gasbrenner, keine Kosten für Kaminfeger oder Heizungsmonteure, gleichzeitige Beheizung der Wohnräume und Bereitstellung von Warmwasser aus einer Energiequelle. Das ist zweifellos attraktiv. Welche Optionen haben Liegenschaftsbesitzer, die nicht ans Fernwärmenetz angeschlossen werden können und die eine neue Heizung brauchen?
Antwort: Alle Eigentümer, die nicht ans Fernwärmenetz angeschlossen werden können, haben die Möglichkeit, eine Erdsonden-Wärmepumpe oder eine Luft/Wasser-Wärmepumpe zu installieren. Daneben gibt es auch Möglichkeiten von Photovoltaik bzw. Holz- oder Pelletheizungen.
5. Planungsunsicherheit
Frage: In den Unterlagen heisst es weiter, es werde sich im Verlauf des Projektes zeigen, «ob allenfalls in einzelne Quartiere weitere Erschliessungsleitungen möglich und sinnvoll sind». Das führt zu einer grossen Planungsunsicherheit. Soll man als Liegenschaftsbesitzer eine teure Wärmepumpe einbauen oder darauf hoffen, dass man in absehbarer Zeit doch noch zu einem Fernwärmeanschluss kommt? Wie kommunizieren Sie diesbezüglich mit den Betroffenen? Können Sie Versprechungen abgeben?
Antwort: Wir sind schon seit über einem Jahr an den Bedarfsabklärungen mit den einzelnen Liegenschafsbesitzern im Fernwärmegebiet. Nach einem allgemeinen Anschreiben wird jeder Eigentümer von uns persönlich kontaktiert und über das Fernwärmeprojekt informiert. Bei Bedarf klären wir die Anschlussmöglichkeiten vor Ort in der Liegenschaft ab. Somit haben wir einen sehr guten Überblick, welche Liegenschaften sich ans Netz anschliessen können. Sollten Liegenschaftsbesitzer nicht sicher sein, ob bei ihnen ein Fernwärmeanschluss möglich ist, können sie sich jederzeit bei uns melden. Wir prüfen jede Anfrage, und wenn in absehbarer Zeit ein Anschluss möglich sein könnte, probieren wir mit dem Eigentümer eine Lösung zu finden.
6. Nur eine statt zwei Heizzentralen
Frage: Ursprünglich war der Bau von zwei Heizzentralen geplant, eine beim Sportplatz Riet, die zweite im Schwimmbad Fohrbach. Nach «konzeptionellen Änderungen» wurde entschieden, auf die zweite Heizzentrale im Fohrbach zu verzichten. Welche Gründe haben zur Redimensionierung des Projekts geführt?
Antwort: Der Verzicht auf die zweite Heizzentrale bedeutet keine Redimensionierung. Es wird nach wie vor das ursprünglich angedachte Gebiet mit Wärme versorgt. Die gesamte Wärme wird jedoch nur noch in der Zentrale Riet erzeugt. Von dort aus beliefern wir das gesamte Versorgungsgebiet mit Wärme. Dies macht nach Angaben der Ingenieure technisch mehr Sinn.
7. Konsequenzen des Verzichts
Frage: Was geht der Bevölkerung durch den Verzicht auf die Heizzentrale im Fohrbach verloren?
Antwort: Es geht der Bevölkerung nichts verloren, vielmehr ergibt sich daraus sogar ein kleiner Vorteil: Netto sind die gesamten Systemkosten etwas geringer. Wir verzichten auf eine zweite Zentrale, gleichzeitig wird die Zentrale beim Riet technisch für eine grössere Energiemenge ausgelegt.
8. Kalte Insel
Frage: Warum bekommt das Gebiet mit der Nr. 1 keine Fernwärme, obwohl es fast vollständig von versorgten Liegenschaften umgeben ist?
Antwort: Für ein Fernwärmenetz ist es essenziell, dass relativ grosse Wärmebezüger (wie das Fohrbach, Schulhäuser oder grössere Siedlungen) sich ans Netz anschliessen. Bei der Projektierung des Fernwärmenetzes wurden daher vor allem die grössten Wärmeabnehmer berücksichtigt. Weiter wurde der Wärmebedarf der Liegenschaften analysiert und bereits realisierte Wärmepumpen ausgenommen. Dabei zeigte sich, dass das Gebiet Nr. 1 schon einige Erdsonden aufweist und der Wärmeabsatz der Liegenschaften relativ gering ist. Somit ist eine Erschliessung mit Fernwärme in diesem Gebiet nicht wirtschaftlich.
9. Die Grenzfrage
Frage: Uns überraschen auch die Gebiete mit den Nr. 2 und 3 (der Spickel unmittelbar rechts vom roten Punkt). Warum kommen diese Liegenschaften nicht in den Genuss von Fernwärme, wo doch direkt angrenzende Gebiete versorgt werden?
Antwort: Für die Nr. 2 gilt das Gleiche wie für die Nr. 1. Die Liegenschaften bei Nr. 3 haben bereits Wärmepumpen.
10. Die Enttäuschten
Frage: Bei der ursprünglichen Planung gehörte das rot schraffierte Gebiet mit der Nr. 5 noch zum Versorgungsgebiet. Jetzt nicht mehr – warum?
Antwort: Wir mussten dieses Gebiet bei einer neuerlichen Überprüfung aus der Planung herausnehmen, weil eine Erschliessung im Verhältnis zum möglichen Wärmeabsatz viel zu aufwändig geworden wäre. Das Gebiet kann sich im Laufe der Hausanschlussabklärungen weiter leicht verändern.
11. Die Klimabilanz
Frage: Ursprünglich war geplant, in Zollikon pro Jahr ca. 16’000 bis 22’000 Megawattstunden Energie zu verkaufen. Damit würde man rund ein Viertel des Gasabsatzes – das entspricht jährlich 3000 Tonnen CO2 – einsparen. Wie sehen diese Zahlen auf der Basis der neuen Projektierung aus?
Antwort: Der geplante Wärmeabsatz beträgt immer noch über 18’000 Megawattstunden. Verändert hat sich nur eines: anstatt in Etappen – wie ursprünglich geplant – bauen wir nun das Zolliker Fernwärmenetz in einem Zug.
Parteien geben Ja-Parolen aus
Sowohl zum Fernwärmeprojekt wie zum Antrag der Schule geben alle Zolliker Ortsparteien die Ja-Parole aus. Die Gemeindeversammlung findet am Mittwoch, 26. März, 19.45 Uhr im Gemeindesaal statt. Zwei Geschäfte sind traktandiert:
- Die Schule Zollikon beantragt einen Kredit von 1,815 Millionen Franken für die Erneuerung von 2018 angeschafften Grossbildschirmen und Dokumentenkameras, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben.
- Die Netzanstalt Zollikon ersucht um einen Zusatzkredit in Höhe von 10,7 Millionen Franken für den unverzüglichen Bau des Fernwärmenetzes.
Kritische Stimmen sind vom F5W und von der EVP zu hören. Die EVP wünscht, dass die Schule künftig Produkte anschafft, die eine längere Lebenserwartung haben und eine bessere Reparaturfreundlichkeit aufweisen. F5W und EVP sind zudem irritiert über die Häufung von Projektänderungen bei Gemeindevorhaben.
Die Parolen der EVP
Die Parolen des Forum 5W
Die Parolen der FDP
Die Parolen der GLP
Die Parolen der SP
Die Parolen der SVP
Hier geht es zu den Unterlagen der Gemeinde
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