Ein gemeinsames Bad in der stinkenden Brühe

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28. Oktober 2024 – Am Samstag haben die Seeretter in der Badi vier neue Mitglieder getauft. Neptun führte Regie, die Klabautermänner sorgten für gehörige Qualen. Am Schluss der Höhepunkt: Ab ins Taufbecken mit Gummienten und stinkenden Fischabfällen. Dem zahlreich erschienenen Publikum gefiel es. (1 Kommentar)

28. Oktober 2024 – Am Samstag haben die Seeretter in der Badi vier neue Mitglieder getauft. Neptun führte Regie, die Klabautermänner sorgten für gehörige Qualen. Am Schluss der Höhepunkt: Ab ins Taufbecken mit Gummienten und stinkenden Fischabfällen. Dem zahlreich erschienenen Publikum gefiel es.

Kurz vor 15 Uhr – mehr als 100 Zuschauerinnen und Zuschauer warteten gespannt – erschienen die vier Prüflinge am Horizont. Sie waren als Schlümpfe verkleidet, die Gesicher blau bemalt. Zwei ruderten das fachmännisch zusammengezimmerte Floss, einer spielte Ukulele. Gemeinsam trugen sie Schlumpfine auf Händen, respektive zogen sie auf einem Gummiboot hinter sich her – wahre Gentlemen. Alle vier sind Anfang 2023 in den Zolliker Seerettungsdienst eingetreten.

Schlümpfe und Schlumpfine auf hoher See (Fotos/Video: ZN)
Schlümpfe und Schlumpfine auf hoher See (Fotos/Video: ZN)

Markus Amstutz (44) ist von Beruf medizinischer Masseur mit Eidgenössischem Fachausweis. Er sagt: «Wasser gibt mir Energie, ich liebe es, in kalten Seen oder Bächen zu baden sowie die Ruhe beim Tauchen.» Er absolviert zur Zeit die nötige Taucherausbildung und wird ab 2025 als vollwertiger Taucher in die Tauchgruppe aufgenommen.

Franziska Boller (21) studiert angewandtes Recht an der ZHAW. Sie war früher Mitglied im Ruderclub Erlenbach, steckt derzeit ebenfalls in der Taucherausbildung und wird ab 2025 als Tauchaspirantin aufgenommen. Sie wird zur ersten getauften Seeretterin in Zollikon.

Tobias Guyer (46) ist von Beruf Zimmermann. Er ist gerne am und im See, auch im Winter. Das ist auch bei Justin Reymond (32) der Fall; er ist Application Manager und ebenfalls ein begeisterter Taucher.

Neptun wird mit dem Mörser aufgeweckt

Die vier Aspiranten wurden am Ufer von Seeretter-Chef Stefan Meier empfangen und interviewt. Dann bat er das Publikum, die Ohren zuzuhalten, insbesondere jene der kleinen Kinder. Denn um Neptun in der Tiefe des Sees aufzuwecken, musste der alte Mörser, genannt «Grossmutter», mit Schiesspulver gestopft und abgefeuert werden.

Der «gfürchige» Neptun mit dem Fisch am Dreizack
Der «gfürchige» Neptun mit dem Fisch am Dreizack

Auch Neptun kam auf einem Floss, begleitet von den Klabautermännern. Das «gfürchige» Wesen übernahm die Regie und unterzog die angehenden Seeretter Prüfungen, die es im wahrsten Sinne des Wortes in sich hatten. Zuerst wurde allen wahlweise eine rohe Knoblaufzehe oder ein rohes Zwiebelstück verfüttert. Dann mussten sie sich aus Sacktuch ein Gewand schneidern und sodann beweisen, dass sie in der Lage waren, einen fachmännischen Schiffsknoten zu knüpfen. Zur Belohnung gabs von Neptun einen Sprutz aus dem ekligen Fischmaul.

Der Klabautermann (links) als Schiedsrichter beim Knoten-Wettbewerb
Der Klabautermann (links) als Schiedsrichter beim Knoten-Wettbewerb
Tolle Belohnung: ein Sprutz aus dem garstigen Fischmaul
Tolle Belohnung: ein Sprutz aus dem garstigen Fischmaul

Schon ein wenig angeschlagen gings zum nächsten Posten. Auf einem Mäuerchen lagen Schneidebretter mit rohen Fischen. Die sollten filetiert und anschliessend auf dem kleinen Grill gebraten werden. Dumm nur, dass die Messer nichts taugten. Während die einen aus den Fischen mit zunehmender Verzweiflung Katzenfutter machten, schafften es die andern trotz erschwerter Bedingungen, ein paar Stücke schmackhaftes Fleisch herauszulösen. Die Zeit war so kurz bemessen, dass auch die Besten kaum zum Grillieren kamen und letztlich Sushi, rohen Fisch, zu sich nehmen mussten.

Ob das noch ein schönes Fischfilet gibt?
Ob das noch ein schönes Fischfilet gibt?
Während der eine noch filetiert, «geniesst» der andere bereits Sushi
Während der eine noch filetiert, «geniesst» der andere bereits Sushi

Gesättigt konnten sich die Prüflinge sodann ein Kajak holen, denn in der letzten Disziplin galt es, möglichst schnell einen Rundkurs zu absolvieren. Schon die Wasserung geriet zum Gaudi, denn es blieb kein Auge trocken, die Kanus machten, was sie wollten. Das Publikum kam in den Genuss spektakulärer Rollen und einer wilden Verfolgungsjagd um die Bojen und das Floss. Die beste Nachricht: niemand musste gerettet werden.

Der Höhepunkt: die Taufe

Damit war alles bereit für die Taufe. Die Klabautermänner und die bestandenen Seeretter bildeten ein Spalier, durch das sich Markus Amstutz, Franziska Boller, Tobias Guyer und Justin Reymond kämpfen mussten. Die Täuflinge wurden mit grossen Pinseln eingekleistert, der «Anstrich» stank fürchterlich nach Jauche, das Publikum achtete wohlweislich darauf, keine Spritzer abzubekommen und hielt gebührenden Abstand.

Das macht Spass: vom Klabautermann bepinselt zu werden
Das macht Spass: vom Klabautermann bepinselt zu werden

Und dann, nach dem obligatorischen Gruppenbild, der Höhepunkt: Auf der Wiese stand das grosse grüne Taufbecken bereit, gefüllt mit Seewasser, angereichert mit Fischabfällen und welken Blättern, einfach nur eklig. Ein Seeretter klärte den schreibenden Laien auf: «Wenn man in dieser Brühe drin war, bringt man den Gestank kaum mehr weg – da kann man zwei Stunden duschen und riecht immer noch schlecht.»

Was für eine eklige Brühe mit Fischabfällen aller Art
Was für eine eklige Brühe mit Fischabfällen aller Art

Also rein ins Vergnügen, die einen mit einem wagemutigen Sprung, die andern zaghaft mit den Zehenspitzen voraus. Die Sinne betäuben mit einem Schnaps, Zähne zusammenbeissen, untertauchen, auftauchen und wieder untertauchen, um den persönlichen «Taufbecher» zu finden und tapfer zu leeren. Schliesslich der erlösende Ruf von Seeretter-Chef Stefan Meier: «Wir heissen unsere neuen drei Kollegen und die Kollegin herzlich im Kreis der Seeretter willkommen!»

Endlich: der «Taufbecher» ist gefunden – welche Erlösung!
Endlich: der «Taufbecher» ist gefunden – welche Erlösung!

Im Einsatz seit mehr als 100 Jahren

Der Zolliker Seerettungsdienst hilft seit 1917 Personen und Tieren, die in Not geraten sind, bei Unfällen aller Art sowie bei Gewässer­verschmutzungen. Zudem unterstützt er andere Organisationen bei Grossanlässen wie dem Zürifäscht, der Streetparade oder bei Seeüberquerungen.

Mitmachen kann, wer zwischen 18 und 50 Jahre alt ist und in der Gemeinde oder im näheren Umkreis wohnt oder arbeitet. Wer die Altersgrenze erreicht hat, tritt in aller Regel zu den «Seegruftis» über. Unter anderem wohnte, wie meist, der ehemalige Seeretter-Chef Fredi Oleram dem Spektakel bei, auch er ein Mitglied der «Seegruftis». Er hat kürzlich seinen 80sten gefeiert – man sieht es ihm nicht an.

Die erste Hälfte des Jahres sei ruhig verlaufen, sagt Seeretter-Chef Stefan Meier: «Die Böötler mussten auf das schöne Sommerwetter warten.» Im zweiten Halbjahr habe es dann überdurchschnittlich viele Einsätze gegeben: «Der schwere Verkehrsunfall an der Seestrasse, als ein Fahrer mit seinem Auto das Geländer durchbrach und aus der Tiefe gerettet werden musste, hat unser ganzes Team gefordert.» (René Staubli)

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Lieber René, vielen Dank für den super Taufbericht und die netten Worte über mich. Mit patschnassem Gruss, Fredi

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