Ein kluger Italien-Krimi, gewürzt mit Humor

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Ursula Zangger: «Wer die Krimis von Gianrico Carofiglio kennt, ist dem Autor aus Bari verfallen und wird unweigerlich jedes neue Buch des ehemaligen Antimafia-Staatsanwalts lesen. Seine Krimis um den Rechtsanwalt Guido Guerrieri sind immer auch Liebeserklärungen (…)

VON URSULA ZANGGER

Wer die Krimis von Gianrico Carofiglio kennt, ist dem Autor aus Bari verfallen und wird unweigerlich jedes neue Buch des ehemaligen Antimafia-Staatsanwalts lesen. Seine Krimis um den Rechtsanwalt Guido Guerrieri sind immer auch Liebeserklärungen an seine Stadt Bari voller präziser Beobachtungen und Schilderungen zwischenmenschlicher Beziehungen.

«Groll», das neuste Buch des früheren Senators, ist ein Meisterwerk des genauen Hinschauens hinter menschliche Not und Abgründe. Vor zwei Jahren kam Vittorio Leonardi ums Leben, Mailänder Hochschulprofessor und angesehener Chirurg, früherer Abgeordneter und Freimaurer. Seine Tochter, Marina Leonardi, ist überzeugt, dass ihr Vater keines natürlichen Todes starb. So sucht sie den Kontakt zu Penelope Spada, ehemalige Staatsanwältin, die heute ihren Lebensunterhalt als Privatermittlerin, allerdings ohne Lizenz, bestreitet. Die beiden Frauen treffen sich in einer Bar. Penny ist eine gute Zuhörerin, sie weiss, wo sie auf weitere Aussagen warten und wo sie nachhaken muss.

Buchdeckel Groll

Der Krimi besticht durch die vielen Gespräche, fast alle Informationen werden auf diesem Weg vermittelt. Vom Notar erfährt Penny, dass Leonardi kurz vor seinem Tod sein Testament ändern wollte, es allerdings nicht mehr dazu kam. Leonardi war reich, er besass Immobilien, Aktien, Fonds, Bargeld und viele wertvolle Bilder. Davon erhielt die Tochter nur einen Bruchteil, das Gros ging an seine 33 Jahre jüngere Ehefrau Lisa Sereni. Zu dieser hatte Marina kein gutes Verhältnis, und so überrascht es nicht, dass sie die Witwe des Mordes verdächtigt.

Um Gewissheit zu erhalten, erteilt Marina Penny den Auftrag, den Mord an ihrem Vater aufzuklären. Doch wo soll diese zwei Jahre später noch Spuren finden? Sie führt weitere Gespräche. Mit der Haushälterin, die jahrelang bei der Familie gearbeitet hat, mit dem Hausarzt, einem Freund der Familie und Studienkollegen, mit Freunden, und natürlich mit Lisa Sereni.

Rückblende. Vor fünf Jahren war Penny noch eine erfolgreiche Staatsanwältin. Eines Tages erhielt sie einen anonymen Brief. Darin stand, dass in unmittelbarer Umgebung eine irreguläre Loge existiere, gefährlich und in ganz Italien vernetzt. Mitglieder seien allesamt Männer, die an wichtigen Schaltstellen in Wirtschaft und Politik tätig seien. Sie ermittelt, zusammen mit Kollegen – doch was sie herausfindet, wird sie letztlich ihren Job kosten.

Carofiglio verwebt die beiden Stränge auf unnachahmliche Weise. Stetig baut er Spannung auf und vermittelt einen Einblick in die Verästelungen der italienischen Gesellschaft. Aus seiner eigenen beruflichen Tätigkeit kennt er nur zu gut, wovon er erzählt.  So wirkt der Roman, in den auch eine schöne Liebesgeschichte eingebaut ist, absolut glaubwürdig.

Gianrico Carofiglio, Groll. Folio Verlag, Bozen & Wien

P.S. Ergänzend empfehlen möchte ich auch seine vorherige Veröffentlichung «Drei Uhr morgens». Eine schönere Vater-Sohn-Geschichte gibt es nicht.

Die gelernte Buchhändlerin Ursula Zangger leitet seit knapp 20 Jahren die Orell Füssli-Filiale am Bellevue.

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