«Ein neues Thema muss mich anspringen»

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8. Dezember 2021 – Für Mirjam Bernegger gibt es nach der gut besuchten Wald-Ausstellung «Bäumig» keine Pause. Die Leiterin des Ortsmuseums bereitet bereits das nächste Projekt vor. Es geht um das Zolliker Seebad, das 100 Jahre alt wird.

Porträt Mirjam Bernegger
Museumsleiterin Mirjam Bernegger (Foto: Kathrin Schulthess)

Trotz Corona-Einschränkungen war «Bäumig» ein schöner Erfolg. Rund 700 Besucherinnen und Besucher interessierten sich für die reichhaltige Ausstellung im «Spannungsverhältnis zwischen Mensch und Wald». Der thematische Bogen reichte von der Gründung der Holzkorporation im Jahr 1330 über die Präsentation hölzerner Objekte aus der Museumssammlung wie Hobel und Leiterwagen bis hin zu Audioporträts und Waldspaziergängen mit dem Förster Arthur Bodmer.

Noch während bei «Bäumig» die letzten Veranstaltungen über die Bühne gingen, widmete sich Mirjam Bernegger bereits der nächsten Ausstellung, die auf den Frühling 2022 terminiert ist. Dann dreht sich alles um das Zolliker Seebad, das am 10. Juni 1922 in seiner heutigen Form eröffnet wurde. Das alte Badehäuschen, seit 1883 in Gebrauch und morsch, wurde damals abgerissen.

Lust zur Umsetzung

Auf die Leiterin des Ortsmuseums kommt enorm viel Arbeit zu. Sie ist zuständig für die Gestaltung der Website, auf der momentan nur ein Versprechen steht: «DIE NÄCHSTE AUSSTELLUNG KOMMT BALD!». Es ist ihre Aufgabe, den Newsletter zu gestalten und die Medienarbeit zu organisieren. Zunächst aber muss sie sich einlesen, sich über mögliche Themen Gedanken machen und überlegen, was man mit Objekten aus der Sammlung oder mit Inszenierungen zeigen könnte. Entschieden ist bereits, dass der hölzerne Steg aus der «Bäumig»-Ausstellung als Badesteg wiederverwendet wird.

Letzten Sommer war die Ausstellungskuratorin an manchen Tagen als Rechercheurin unterwegs. Sie sammelte in der Seebadi Originaltöne, machte Interviews und Fotos und suchte in der Gemeinde Zeitzeugen aus den frühen Badi-Jahren, von denen es offenbar noch einige gibt. «Ein Thema muss mich anspringen, damit ich Lust zur Umsetzung habe», sagt Mirjam Bernegger bei unserem Gespräch. Das ist bei der Seebadi offensichtlich der Fall.

Fundierte Ausbildung

An Fachwissen und Erfahrung mangelt es der 1982 geborenen Museumsleiterin nicht, die seit 2013 in Diensten der Gemeinde steht. Sie startete damals mit einer vielbeachteten Ausstellung über Eugen Bleuler, den Psychiater und Direktor der Klinik Burghölzli, der 1857 in Zollikon geboren und 1939 auch hier bestattet wurde. Mit seinen Eltern wohnte er im Haus «Gugger» an der Seestrasse 123, sein Vater war Landwirt. «Es kamen gut 1250 Besucherinnen und Besucher in diese Ausstellung», sagt Mirjam Bernegger nicht ohne Stolz, «die Psychiatrische Universitätsklinik organisierte bei uns sogar diverse Teamanlässe.»

Zur Eröffnung des Alters- und Pflegeheims Blumenrain kuratierte sie die Ausstellung «Altern». Das Projekt «Dienstmädchen, Nanny & Dogsitter» befasste sich mit dem Wandel des Arbeitsmarktes in Privathaushalten seit 100 Jahren. «Sagenhaft» war eine Ausstellung «fürs Auge und Ohr über Zolliker Sagen, die unter die Haut gehen». Bei der Wanderausstellung «Zürcher!nnen machen» ging es um die gesellschaftrelevante Frage, wann Zugezogene zu Einheimischen werden, wann man sich als Zürcher!n fühlt, und wann man als solche(r) wahrgenommen wird.

Die Gestaltung derartiger Themen erfordert ein breites Wissen und viel Erfahrung. Mirjam Bernegger bringt beides mit. Geboren in Luzern, schloss sie in Basel und Bologna ein Studium in Volkskunde/ Europäische Ethnologie, Soziologie und Gender Studies ab. An der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur folgte ein CAS in Museumsarbeit. Sie sammelte Erfahrungen als wissenschaftliche Rechercheurin, Ausstellungsvermittlerin, Medienverantwortliche und Kuratorin beim Stapferhaus in Lenzburg und beim Aarauer Stadtmuseum. Auf ihrer Publikationsliste findet sich unter anderem ein Praxisbericht zum Thema «Sind kleine Museen nachhaltig?»

Umfassendes Pflichtenheft

Damit dem in Zollikon so ist, verlangt der Gemeinderat von seiner Museumsleiterin und Kuratorin im Stellenbeschrieb, dass sie mit ihrem 85%-Pensum «regelmässig mittels wechselnder Ausstellungen Aspekte der Geschichte des Dorfes vermittelt», Führungen und Workshops mit Schulklassen veranstaltet, die umfangreiche Sammlung betreut und nebenbei auch noch das Sekretariat der Kulturkommission führt. Dort fallen Aufgaben wie die Organisation von Kunstpreisverleihungen, Lesungen oder die Durchführung der JungbürgerInnenfeier an.

Mirjam Bernegger macht nicht den Eindruck, dass diese vielfältigen Aufgaben sie erdrücken, «Aber es ist schon nicht ganz einfach, eine Ausstellung innerlich abzuhaken und gleich die nächste grosse Aufgabe in Angriff zu nehmen», sagt sie. Man kann ihr das nachfühlen.

Strikte Trennung der Geschlechter

Für Entspannung bleibt tatsächlich kaum Zeit, denn die Seebadi ruft. Bis zum Ausstellungsbeginn stehen nur drei bis vier Monate für die Vorbereitung und den Aufbau zur Verfügung. Was steht heute schon fest?

«Ein wichtiges Unterthema ist sicher die Architektur des Seebads, die nicht zuletzt der damals üblichen strengen Trennung der Geschlechter diente», sagt Mirjam Bernegger. Von der Fotografie her wäre die damalige Bademode natürlich äusserst interessant und amüsant. Auch die Tatsache, dass das Baden (und Sonnenbaden) damals noch weit mehr als heute der Körperhygiene und Erhaltung der Gesundheit diente, möchte sie gerne in geeigneter Weise aufgreifen.

Besonders wichtig ist ihr der Einbezug von Zeitzeugen, die erzählen, wie es damals war – «oral history». Solche Statements möchte sie dem Publikum mit Hilfe von Audioinstallationen anbieten. Was die Ausstellungsobjekte angeht, so gibt es in der Sammlung einen alten Schwimmgurt. Zeigen könnte man auch Fotos von Gemälden und Friesen, die der Zolliker Kunstmaler Fritz Boscovits extra für die Badi schuf, unter anderem ein wunderliches Werk mit Nymphe, Ungeheuer und Fisch über dem Haupteingang.

Relativ grosszügiges Budget

Um ihre Ideen zu realisieren, ist die Museumsleiterin auf die Hilfe von Fachleuten angewiesen, etwa einem Schreiner, einer Grafikerin, einem Webdesigner oder einer Druckerei. Letztlich müssen die Ausstellung und das Veranstaltungsprogramm unter einem Kostendach von 25’000 bis 30’000 Franken realisiert werden, auch dafür ist die Kuratorin verantwortlich. «Für grosse Museen wäre das natürlich ein geringer Betrag», sagt Mirjam Bernegger, «aber mit viel Kreativität kann man damit auch in unserem  kleinen Ortsmuseum eine ansprechende Ausstellung organisieren.» (rs)

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Aufruf: Wer besitzt Fotomaterial über das Zolliker Seebad und würde dieses dem Ortsmuseum zur Verfügung stellen? Wir suchen Fotografien von Badeerlebnissen seit den 1920er-Jahren bis in die Gegenwart sowie über spezielle Aufnahmen vom Seebad, z.B. während der Seegfrörni 1929 oder 1962/63. Über Ihre Kontaktaufnahme per Mail oder Telefon freuen wir uns: ortsmuseum@zollikon.ch; 044 395 33 65

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