Endlose Weiten, weisse Dünen, grossartig

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Adrian Michael: «Bei meinen jährlichen Besuchen bei meinem Bruder in Brasilien steht jeweils auch eine Fahrt zu einem Naturpark auf dem Programm. Diesmal waren es die ‹Lençois Maranhenses›, die einzige Wüste Brasiliens.» (1 Kommentar)

VON ADRIAN MICHAEL

Ausgangspunkt ist die kleine Stadt Barreirinhas im Bundesstaat Maranhão, wo wir in der netten Pousada (Pension) «Vida Nova» untergebracht sind mit wunderbarem Blick auf den Rio Preguiças, der wenige Kilometer entfernt in den Südatlantik mündet.

Pousada (Pension) «Vida Nova» (Fotos: Adrian Michael)

Am ersten Morgen werden wir von einem Boot abgeholt, das uns in zügiger Fahrt durch dichte Mangrovenwälder flussabwärts bringt.

Im Boot flussabwärts

Nach ein paar Zwischenhalten ist bald einmal Mittagszeit. Das ‹Restaurant›, eines von mehreren, ist mit Palmwedeln gedeckt und mit WLAN ausgestattet, so viel Zivilisation muss sein. Serviert wird ein gegrillter Fisch mit Mandioca, eine Art Pommes-Frites aus Maniokwurzeln und eine kleine Schale mit dem Maniokmehl Farofa, das praktisch zu jedem Essen gereicht wird. Dazu gibt’s Bier.

Dass nicht alle Restaurants gut laufen, zeigt das verlassene Lokal gleich daneben, das langsam aber sicher vom Sand verschluckt wird. Auch ein Toilettenhäuschen steht zur Verfügung.

Buntes Toilettenhäuschen

Zu einem Mittagessen gehört eine Siesta, die wir in einer der Hängematten verbringen können, die – ein schöner Brauch – oft für Gäste aufgespannt sind. Dass zwei Angestellte ihre Matten für uns freigeben, schätzen wir sehr.

Abhängen in der Matte

Nachher reicht die Zeit noch für eine kleine Erkundungstour. Es stellt sich heraus, dass unser Restaurant auf einer schmalen Landzunge steht: auf der einen Nordseite der Fluss, auf der anderen Seite der Südatlantik. Auf dem endlos scheinenden flachen Sandstrand steht da und dort ein zerfallender Unterstand. Radspuren zeugen von den Fahrten der Quads, die bei den Restaurants gemietet werden können.

Die Spuren der Squads

Die Dünen müssen wir uns verdienen

Der nächste Tag soll uns nun in die Dünen bringen, ein Toyota Pick-Up, ausgestattet mit Sitzbänken, holt uns ab. Der Ausflug beginnt mit einem abenteuerlichen Transport per Fähre über den Fluss. Bei der Anlegestelle müssen wir aussteigen, zuerst fahren die Autos auf die Fähre. Dann sind die Passagiere dran, ein paar Meter müssen wir durchs Wasser gehen, das zum Glück erstaunlich sauber ist. Da eh alle Flip-Flops tragen, geht das ohne nasse Socken und Schuhe. Dann legt die Fähre ab. Da sie keinen eigenen Motor hat, wird sie von einem kleineren Boot geschoben. Auf der gegenüberliegenden Seite müssen wir wieder durchs Wasser gehen, dann fahren die Autos an Land und die Reise geht weiter.

Durchs Wasser auf die Fähre

Jetzt beginnt eine fast einstündige Fahrt über eine schmale Sandpiste. Schleudernd, stampfend und schaukelnd kämpft sich der Wagen durch den knöcheltiefen feinen Sand, wir sind dankbar für den Vierradantrieb, die gute Federung und die Stangen, an denen man sich festhalten kann.

Hin und wieder bietet sich von einer Anhöhe aus ein Blick über das Buschland, das sich auf allen Seiten unendlich weit zu erstrecken scheint. Einmal nützen auch alle Fahrkünste nichts: Ein Anstieg ist für den Wagen nicht zu schaffen, wir müssen aussteigen und eine kurze Strecke zu Fuss zurücklegen.

Zu Fuss steil bergan

Dann grosses Aufatmen: Der Ausgangspunkt ist erreicht, in mehreren Hütten werden handgefertigte Artikel und Getränke angeboten. Und natürlich gibt’s auch hier WLAN.

Ausgangspunkt für die Exkursion in die Dünen

Nun sind wir gespannt, die Dünen, das Ziel des Ausflugs, sollen nur wenige Dutzend Meter entfernt sein. Und tatsächlich, nach einem kurzen Anstieg verlassen wir den Buschwald, und vor uns breitet sich weiss und endlos weit ein kleiner Teil der einzigen Wüste Brasiliens aus. Wir bleiben stehen und lassen dieses grossartige Bild auf uns wirken. Es ist schwierig, wenn nicht unmöglich, eine Distanz abzuschätzen, nur auf einem fernen Hügel machen zwei Personen diese Weite erfassbar. Ein kleiner Wind lässt feine Sandschleier über die Flächen ziehen.

Zwei winzige Personen am Horizont

Fast wie ein Fremdkörper wirkt die vom Wüstensand umgebene Wasserfläche der Lagune, in der vergnügte Menschen planschen. Das warme Wasser steht niedrig, man kann problemlos weit in den See hinein gehen. Bräunliche Flächen, die den See umgeben, zeigen, wie viel höher das Wasser in der Regenzeit steht. Aber auch bei niedrigem Wasserstand wie jetzt ist der Anblick beeindruckend.

Je mehr sich die Sonne dem Horizont zuneigt, desto mehr verwandelt sich das Weiss der Dünen in ein feines Rosa, und beim Sonnenuntergang stehen zahlreiche Menschen auf dem langgezogenen Kamm einer Düne und lassen das Naturschauspiel auf sich wirken.

Die Wasserfläche wirkt fast wie ein Fremdkörper
Grandioses Naturschauspiel

Endlose Weiten

Am nächsten Tag steht ein Ausflug zu einem anderen Teil der knapp 1600 km2 grossen Dünenlandschaft auf dem Programm. Dass nun die holprige Anfahrt nur noch halb so lang ist wie am Tag zuvor, ist uns nur recht. Auch wenn die Szenerie – unendliche Weite, weisse Dünen und dazwischen eine Lagune mit badenden Menschen – vergleichbar ist mit derjenigen des vergangenen Tages, wirkt der Anblick dadurch, dass wir auf dem Gipfel eines kleinen Hügels stehen und rundum freie Sicht haben, völlig anders. Aber auch hier werden die Grössenverhältnisse erst durch die badenden Menschen deutlich. Den Abhang hinunter zu rutschen erweist sich als bedeutend einfacher, als ihn wieder hinauf zu klettern, der feine Sand gibt einem das Gefühl, durch frisch gefallenen Pulverschnee zu stapfen.

In der Ferne kaum zu erkennen: mein Bruder
Parkplatz mit Fernblick
Ein Badesee in der Wüste

Abendprogramm

Abends gehen wir etwa 20 Minuten zu Fuss zum Ufer des Flusses, wo sich Beiz an Beiz reiht. Die Angebote unterscheiden sich nur geringfügig; überall gibt es Fleischspeisen, Fische und Seafood aller Art sowie Hamburger. Gemüse oder gar Salate sucht man vergeblich. Auch Wein gibt es nicht, wir trinken Caipirinha mit «poco açùcar»; Markus mit Maracuja, ich mit Limonen. Eine feine Art, Vitamine zu sich zu nehmen.

Die Rückkehr zur unserer Bleibe ist etwas speziell. Beim Kellner bestellen wir zwei Mototaxi, die nach wenigen Minuten vor dem Restaurant ankommen; junge Männer auf Motorrädern in gelben Westen, die sie als offizielle Fahrer ausweisen.

Nachdem das Ziel bekannt gegeben ist, nicken sie, wir steigen auf, halten uns am Gepäckträger fest und los geht’s. Helm? Fehlanzeige, die trägt hier kaum einer. Zügig, aber doch verantwortungsvoll brausen wir durch die belebten Strassen heimzu. An Weihnachten erinnert so gut wie nichts, ab und zu blinken am Strassenrand farbige Lämpchen, und da und dort steht ein «Papai Noel» in einem Schaufenster. Die gut fünfminütige Fahrt kostet für uns beide etwa drei Franken.

Im Beizenviertel
Unterwegs mit dem Mototaxi
Eine Düne mitten in der Stadt
Wieder «zuhause»

Mit dem Kopf voller grossartiger Bilder schlafen wir ein; auch diese Reise hat sich mehr als gelohnt. Anderntags geht es weiter zum «Heimetli» meines Bruders, über das ich im März letzten Jahres berichtet habe.

«Lençois Maranhenses» am Südatlantik

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Hoi zäme – ich bin begeistert!! Man bekommt richtig Lust auf eine Reise wie diese! 💙 Aber mit den tollen Bildern ist es als wäre man mittendrin.. Viele Grüsse, Mireille

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