Für 169’000 Franken das Rad neu erfinden

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17. Oktober 2024 – Der Gemeinderat hat 169’00 Franken für Workshops zur Neuentwicklung des Ortskerns im Zollikerberg bewilligt. Obwohl es seit 30 Jahren eine «Vision für ein funktionierendes Zentrum Zollikerberg» gibt, geht die Planung wieder von vorne los. Endet sie mit einer Überraschung?  

Achtseitiger Faltprospekt der «IG Drü Z» aus dem Jahr 1994 (Abb.: ZN)
Achtseitiger Faltprospekt der «IG Drü Z» aus dem Jahr 1994 (Abb.: ZN)

Vor einem halben Jahr hielt Patrick Dümmler im Gerensaal einen mit Spannung erwarteten Vortrag zum Thema Zentrum Zollikerberg. Der Gemeinderat, so der Liegenschaften-Vorsteher, wolle bei der Planung zunächst definieren, «wie und wann die verschiedenen Interessengruppen einbezogen werden sollen». Ferner erwäge man die «Bildung eines Projektausschusses» sowie ein «digitales Mitwirkungsverfahren der interessierten Bevölkerung».

Nun folgen dem Versprechen Taten. Laut dem Gemeinderat soll die Gestaltung der beiden benachbarten Areale Quartierzentrum und Roswies «in einem partizipativen Prozess mit ortsansässigen Interessensgruppen entwickelt werden». Dafür hat er einen Kredit von 169’000 Franken gesprochen. Experten für Raum-, Verkehrs- und Freiraumplanung sollen «gemeinsame Planungsworkshops» organisieren und durchführen. Der Auftrag für die Moderation der öffentlichen Anlässe geht an den ehemaligen TV-Mann Reto Brennwald.

Erinnerungen an 1994

Auf dem Zollikerberg soll das Rad also einmal mehr neu erfunden werden. Vor 30 Jahren hatte der Gemeinderat schon einmal einen Projektwettbewerb ausgeschrieben und Arbeitsgruppen aus der Bevölkerung gebildet. Bei der Festlegung der Rahmenbedingungen setzte er sich allerdings über zentrale Wünsche dieser Arbeitsgruppen hinweg. Er favorisierte das renditeorientierte Projekt «Marché» mit einem Grossverteiler. Um dieses Vorhaben zu verhindern, schlossen sich VertreterInnen des Chramschopfs, des Quartiervereins Zollikerberg, einer Zolliker Baugenossenschaft und weitere Interessierte zur «IG Drü Z» zusammen.

Die Interessengemeinschaft befragte die Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde mit einer gross angelegten Umfrage zu ihren Vorstellungen. Anschliessend goss sie die Bedürfnisse und Wünsche in folgende Leitsätze:

BEGEGNUNG – EINKAUF – FREIZEIT
KLEINERE LÄDEN, LOKALES GEWERBE
QUARTIERZENTRUM, KEIN REGIONALZENTRUM
VERBESSERTE FUSSGÄNGERVERBINDUNGEN
DORFPLATZ UND MARKTPLATZ
FREIZEITDIENST, CHRAMSCHOPF UND GEREHUUS
BEGEGNUNGSSTÄTTE DRAUSSEN WIE DRINNEN
ATTRAKTIV FÜR ALT UND JUNG, GROSS UND KLEIN
NUTZUNGSMIX: WOHNEN – ARBEIT – FREIZEIT
FINANZIELLE BETEILIGUNG DER GEMEINDE

Zusammengefasst heisst es im achtseitigen Faltprospekt, den die «IG Drü Z» eigens drucken liess: «Wir wünschen uns einen Begegnungsort, wo sich jedermann wohl fühlen kann. Einen Platz, der uns einlädt zum Einkaufen, Verweilen, Spielen, Ausführen verschiedener Aktivitäten, jahrein, jahraus, an Werk- wie an Sonntagen, bei Sonnenschein und Regenwetter.»

In der Umfrage der IG massen 80 Prozent der Befragten einem «Dorfplatz» im Zollikerberg «grosse Bedeutung» zu. 93 Prozent befürworteten eine «fussgängerfreundliche Verbindung der durch die Binzstrasse getrennten Teile» Roswies und Gerenareal.

«Kein Gigantismus»

Die «IG Drü Z» stellte klare Forderungen auf:

«Die Ladenfläche des bestehenden Projektes ‹Marché› ist zugunsten von kleineren Läden und lokalem Gewerbe zu reduzieren. Wir wollen kein Regionalzentrum und dabei im Verkehr ersticken.

Der Charakter und die Grösse der Bauten sollen den Bedürfnissen des Zollikerbergs angemessen sein, ‹kein Gigantismus›.

Der Freizeitdienst, der Chramschopf und das Gerehuus mit Mehrzweckraum erfüllen eine wichtige soziale Funktion und müssen als solche erhalten bleiben. Deshalb ist es von grösster Wichtigkeit, dass der ununterbrochene Betrieb (auch während der Bauphase) gewährleistet ist. Die Trennung der Alters- von den Familienwohnungen im bestehenden Projekt entspricht nicht den heutigen Vorstellungen von einer gemischten Wohnüberbauung.

Das Zentrum ist für die Wohnqualität im Zollikerberg wesentlich. Die Anlagen des Freizeitdienstes, die Erschliessung (Zugänge aus dem Quartier über Forchstrasse und Binzstrasse) sowie die Erstellung und Gestaltung des öffentlichen Raums sind Gemeindeaufgaben. Es sind Investitionen auf lange Zeit, welche zudem den Wohnwert der Gemeinde steigern.»

«Ganz am Anfang des Prozesses»

Soweit das Resultat aus dem Jahr 1994. Ein Projekt wurde nie umgesetzt, die Pläne und der Faltprospekt der «IG Drü Z» verschwanden in den Schubladen. Exakt 30 Jahre später sagte Gemeinderat Patrick Dümmler im Gerenhaus: «Wir stehen ganz am Anfang des Prozesses.»

Möglicherweise endet dieses Unterfangen mit einem ähnlichen Ergebnis wie vor 30 Jahren. Es könnte aber auch sein, dass die neuerliche Konsultation der Bevölkerung zu einer Überraschung führt. Jürgen Schütt, wohnhaft im Zollikerberg, Vorstandsmitglied des Quartiervereins und des Chramschopfs, Präsident des Forums 5W sagt, das Kommerzdenken in der Region sei inzwischen abgedeckt mit Zumikon: «Ich sehe keine direkte Notwendigkeit mehr, im Zollikerberg etwas Grösseres im Bereich Kommerz/Läden zu machen.» Was heute dort stehe – Freizeitzentrum, Bibliothek, Gerensaal, Chramschopf, Spielplatz – sei «nicht zerstörungswürdig». Schütt sagt, «es wäre besser, von der Idee der Gesamtüberbauung Abschied zu nehmen und auf der Roswies Genossenschaftswohnungen zu bauen». (René Staubli)

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