Heimspiel für Gregor Rutz vor vollen Rängen

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10. Oktober 2023 – Gestern Montag lud die Zolliker SVP zu einem öffentlichen Podiumsgespräch mit dem Ständeratskandidaten Gregor Rutz und Ueli Maurer. Zum Bedauern der rund 100 Anwesenden fehlte der Alt-Bundesrat, weil er mit dem Velo schwer gestürzt war.

Reto Brennwald, Dominik Feusi, Gregor Rutz, Marcel Janssen (v.l.n.r., Fotos: rs)

Vor einer Woche, am 2. Oktober, hatte Gregor Rutz am Gipfeltreffen der Zürcher Ständerats-KandidatInnen teilgenommen. Im Festsaal des Kaufmännischen Vereins hatte er es mit Daniel Jositsch (SP), Tiana Angelina Moser (GLP), Philipp Kutter (Die Mitte), Regine Sauter (FDP) und Daniel Leupi (Grüne) zu tun.

Im Kaufleuten war es eine Partie «Alle gegen einen», nicht zuletzt wegen der arithmetischen Ausgangslage. Wenn man den Umfragen des «Tages-Anzeigers» vertraut, ist Jositsch mit 52% der Stimmen so gut wie gewählt. Rutz steht mit 36% an zweiter Stelle. Damit ist er der eigentliche politische Gegner des kompakten Verfolgerfelds mit Regine Sauter (21%), Daniel Leupi und Tiana Angelina Moser (je 20%).

Jositsch kostete seine komfortable Situation aus und feuerte beim umstrittenen Thema Migration einen bösen Spruch in die Richtung des Zolliker Unternehmers ab: «Ich verstehe Gregor Rutz. Er ist Mitglied in einer Partei, die im wesentlichen ein Thema hat, und das sind Ausländerinnen und Ausländer. Und gäbe es sie nicht, würde er gar nicht hier sitzen.» Rutz ertrug es mit Humor und lachte mit.

Wahlpodium in Zürich. Dritter von rechts: Gregor Rutz (Foto: Urs Jaudas, TA)

Zollikon: Alle einig, statt Alle gegen einen

Gestern Abend drohte Rutz keine Häme von links. Dafür sorgte die Zusammensetzung des Podiums: Neben ihm sass Martin Janssen, der einen guten Ruf als Finanzprofessor geniesst, den er mit seinen Corona-Verschwörungstheorien zuletzt allerdings arg strapaziert hat – etwa mit der Behauptung, bewegliche Schrapnell-Teile in der mRNA-Impfung würden Blut- und andere Zellen zerstören.

Dominik Feusi ist stellvertretender Chefredaktor beim rechtskonservativen «Nebelspalter», dessen Eigenwerbung – «Wir sind liberal, dass es kracht!» – für sich selber spricht.

Gerne hätte man als Ersatz für den eben erst an der rechten Schulter operierten Alt-Bundesrat und ehemaligen Militärradfahrer Maurer eine SVP-Frau auf dem Podium gesehen, aber der Wunsch erfüllte sich nicht, obwohl im Saal auch Maja Alder (SVP Küsnacht), Susanne Brunner (Vorstandsmitglied der kantonalen SVP) und Nina Fehr Düsel (SVP Küsnacht, Kantonsrätin) sassen (Letztere hatte vor dem Gemeindesaal Schoggistängeli verteilt).

Die Männer auf der Bühne machten die Sache lieber unter sich aus – unter der wohlwollenden Leitung des ehemaligen SRF-Journalisten und «Arena»-Moderators Reto Brennwald aus Zollikon, der beim «Nebelspalter» eine politische Sendung moderierte und vor zwei Jahren in seiner Corona-Dokumentation «Unerhört!» vor allem Corona-Skeptiker zu Wort kommen liess.

Ständeratskandidat Rutz gilt als vergleichsweise umgänglicher SVP-Exponent; kein Vergleich mit dem zunehmend fanatischen Roger Köppel. Der Inhaber einer Kommunikations-Agentur mit Sitz in Zollikon ist auch Teilhaber einer Weinhandlung, Stiftungsrat des Davoser Festivals «Young Artists in Concert» und der Stiftung KMU Clima, die CO2-Emissionen der Schweizer Lackfarbenindustrie in Aufforstungsprojekten in Uruguay kompensiert.

Diskussion über die Köpfe hinweg

Wer eine scharfe, SVP-typische Diskussion erwartet hatte, traute in den ersten 30 Minuten seinen Ohren nicht. Das Podium diskutierte zunächst Themen weit entfernt von der Erwartung der Anwesenden. Etwa über die zunehmende Regulierung in der Verwaltung oder über Geldwäscherei-Bestimmungen, denen Notare, Berater und Banken seit geraumer Zeit unterworfen sind. Die Lösungsvorschläge blieben vage: «In der Verwaltung könnte man ohne Probleme sehr viel streichen», «im Raumplanungsgesetz könnte man einiges streichen», «im Gesundheitswesen könnte man fast alles streichen».

Lebhafter wurde die Diskussion beim Thema Europäische Union. «Die Schweiz macht sich klein, sobald Kritik aus dem Ausland kommt – wir sind harmoniesüchtig!» (Rutz, Applaus). «Wenn wir europäisches Recht übernehmen, ist der Standort Schweiz tot!» (Feusi, Applaus). «Das Schlimmste für die EU ist eine erfolgreiche Schweiz in ihrer Mitte!» (Janssen, Applaus). Brennwald gab den Hardliner: «Liefern wir doch keinen Strom mehr nach Deutschland und schliessen den Gotthard für den Warenverkehr!»

Das Thema Zuwanderung – im Saal mit Spannung erwartet – wurde überraschend zahm diskutiert. Insbesondere Rutz bemühte sich um eine sachliche Argumentation. So kritisierte er, dass ein Arbeitsvertrag für 12 ½ Stunden pro Woche bereits für eine Aufenthaltsbewilligung genüge: «Davon kann doch kein Mensch leben.» Natürlich propagierte er auch wieder seine Idee aus der SVP-Wahlzeitung: die Einrichtung einer Schweizer Aussenstelle in Ruanda, um dort über die Asylanträge zu entscheiden und damit Schleppern das Handwerk zu legen. Details zur Ausgestaltung dieses Vertragswerks mit dem afrikanischen Staat blieb er allerdings einmal mehr schuldig.

Als das Publikum loslegte

Es war 20.30 Uhr, als das Publikum dazu eingeladen wurde, Fragen zu stellen. Der Ton verschärfte sich augenblicklich. Warum die SVP «all die Klimalügen» nachbete – etwa die, dass der CO2-Ausstoss an der Klimaerwärmung schuld sei?

Rutz wollte sich nicht auf die Äste hinauslassen, er sei schliesslich kein Physiker oder Klimatologe. Den Klimawandel stritt er keineswegs ab, ihm missfalle lediglich der Umgang mit dem Problem. Wenn ein Gletscher schmelze und plötzlich ein alter Römerweg sichtbar werde, sei das ein Beleg dafür, dass sich das Klima immer schon verändert habe. Der Klimawandel sei eine Herausforderung, biete aber auch Chancen. Mit «Ideologien und Wunschvorstellungen» sei dieser Herausforderung nicht beizukommen.

«Wir sind hier drinnen eigentlich alle einer Meinung», fasste ein Besucher die Stimmung gegen Ende der Veranstaltung treffend zusammen. Ob das beim letzten Statement des Nebelspalter-Chefs zum Thema Ausländer-Kriminalität immer noch der Fall war, bleibe dahingestellt. Feusi sieht diesbezüglich die USA als Vorbild: «Wir müssen das Waffenrecht liberalisieren, die Polizei allein wird mit dem Problem nicht mehr fertig.»

Gregor Rutz tat in dieser heiklen Situation, was er immer tut. Er distanzierte sich nicht, sondern rief dazu auf, «Ordnung in die Sache zu bringen und die bestehenden Gesetze konsequent anzuwenden».

Er war es auch, der das Bonmot des Abends lieferte: «Der Fachkräftemangel in der Schweiz ist immens, am schlimmsten im Parlament.» Diesem Missstand will er als Ständerat zu Leibe rücken. (rs)

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Der Zürcher Zeitplan für den Fall der Fälle

22.10.23: Wahlen für den National- und Ständerat.

19.11.23: Zweiter Wahlgang für den Zürcher Ständerat. Die zwei spannendsten Fragen: Wer zieht sich zurück? Und wohin gehen die Stimmen von Daniel Jositsch (SP), dem ein zweiter Wahlgang wohl erspart bleibt? Rutz will sich dazu nicht äussern, sondern sagt: «Mein Ziel ist es, am 22. Oktober in den Ständerat gewählt zu werden.»

13.12.23: Bundesratswahl. Wird Jositsch gewählt? Wenn ja, wird sein Ständeratssitz vakant.

03.03.24: Ständerats-Ersatzwahl im Kanton Zürich. Das Rennen beginnt für alle KandidatInnen wieder bei Null.

07.04.24: Zweiter Ständerats-Wahlgang, falls nötig.

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