«Ich denke, also bin ich verwirrt»

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In seinem Podcast ‹Gemischtes Hack› gab der bekannte deutsche Comedian Felix Lobrecht so etwas Ähnliches von sich wie: Je älter er werde, desto mehr wisse er, desto verwirrter sei er. Aber verwirrt eben auf einem höheren Level.

In diesen Worten habe ich mich sofort wiedererkannt. Mit 20 glaubte ich noch, ich hätte die Welt, die Politik und die Wirtschaft verstanden. Ich lag falsch. Je älter ich werde, je mehr ich weiss, desto mehr Mühe habe ich, mir überhaupt eine Meinung zu bilden.

Angesichts der unfassbaren Komplexität dieser Welt ist das ja auch nicht total überraschend, sondern Ausdruck davon, dass ich in der Lage bin, mein Wissen – und vor allem mein Nichtwissen richtig einzuschätzen. Leider macht diese Erkenntnis mein tägliches Leben nicht wirklich einfacher.

Mein Denken ist und bleibt eine komplizierte Angelegenheit. Jeder Gedanke führt mich nämlich spinnennetzartig zu zehn weiteren Fragen, deren Beantwortung unzählige weitere auslöst. Sie erkennen das Muster? Am Ende lande ich oft bei der Frage, wieso ich so denke, wie ich denke, und beginne alle Entscheidungen zu hinterfragen, die ich in jüngster Vergangenheit getroffen habe. Eine unendliche Geschichte.

Um so mehr wundere ich mich, wie schnell und überzeugt meine Mitmenschen ihre Meinung in Diskussionen äussern. Fragt man mich nach meinem Standpunkt, gebe ich in erster Linie die Argumente der anderen in eigenen Worten wieder und schliesse nicht selten mit einem zurückhaltenden: ‹Ich glaube halt, dass ….› Damit räume ich mir wohl unterschwellig das Recht ein, falsch zu liegen.

Mein Verhalten erstaunt mich nicht. Im Gegenteil. Seitdem ich denken kann, weiss ich, dass meine Stärken darin liegen, zuzuhören, zu beobachten und irgendwann Fragen zu stellen. Qualitäten, die – so glaube ich zumindest – im 21. Jahrhundert zu wenig Anerkennung finden. Dafür ist unsere Zeit viel zu laut, ja lärmig.

Mit einer Aussage wie ‹Angesichts der Komplexität der Welt wird die Lösung wohl irgendwo in der Mitte liegen›, gewinnt man keine Follower. Heute verkündet jeder, der auf seine Wirkung bedacht ist, eine eigene Meinung. Jemand, der Tacheles redet und mit der Faust auf den Tisch schlägt, lässt sich besser vermarkten als jemand, der zuhört und aufmerksam seine Fragen stellt.

Aber beraubt der beharrliche Kampf um Aufmerksamkeit diese Menschen nicht um die Möglichkeit, etwas dazuzulernen und die eigene Meinung auch mal zu ändern?

Ich traue es mir nicht zu, diese Fragen abschliessend zu beantworten (wer diesen Text bis hierhin gelesen hat, den wird diese Aussage auch kaum erstaunen). Aber ich erlaube mir die These, dass es total legitim ist, auch mal nicht genau zu wissen, was man denken soll. Vielleicht ist das sogar erwachsen.

Olivia Porträt

Olivia Eberhardt (geb. 1994) hat 2017 ihr Studium an der ZHAW abgeschlossen und seither vor allem in der Musikbranche gearbeitet. Sie bezeichnet sich als «Beobachterin mit feinen Antennen und dem Wunsch, die Essenz dieser Beobachtungen mit einem humoristischen Ansatz niederzuschreiben».

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Schöner Text. Darauf gestoßen dank Adrian Michael, mit ich jetzt ein Bier trinke am Albisriederplatz.
Weiter so!

Danke Olivia für deinen Denkanstoss! Ich sitze gerade am Zürichsee, und die Sonne glitzert mir entgegen. Beim Beobachten und lauschen des Mövengeschwätzes übe ich mich in deinen Fähigkeiten und denke an unsere Zusammenarbeit zurück. Ja, ich war die Late und du die Zuhörerin:) Ich hoffe, wir konnten beide voneinander lernen, um etwas mehr Mittelweg zu finden…
Alles Liebe und weiter so!

Mhm.. das ressoniert.

Um einfach mal noch eine weitere Frage in den Raum zu werfen: Wenn das Zuhören zur Rarität wird, gewinnt es dann nicht an Wert?

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