«Ich empfinde die Jagd als Berufung»
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18. November 2024 – Thomas Gugler, Anwalt und viele Jahre Präsident der SVP Zollikon, liebt die Jagd. Er betont allerdings auch, wie wichtig es sei, sich fair gegenüber dem Tier und gesetzeskonform zu verhalten. Schliesslich erfülle man einen Leistungsauftrag.
INTERVIEW: BARBARA LUKESCH
Thomas Gugler, was müssen Jäger beziehungsweise Jägerinnen an Kenntnissen und Kompetenzen mitbringen?
Sie müssen zuallererst einmal über ein profundes theoretisches, aber auch praktisches Wissen verfügen. Konkret: sie müssen die Schon- und die Jagdzeiten kennen, die in ihrem Kanton gelten. In Zürich wird beispielsweise das Rehwild vom 1. Januar bis zum 1. Mai geschont. Vom 2. Mai bis Ende Jahr ist die Rehjagd offen. Die ersten vier Monate allerdings nur auf Böcke und sogenannt trockene Geissen, das sind Tiere, die nicht trächtig sind und keine Jungen bei sich haben. Die Rehkitze kommen Mitte Mai bis Mitte Juni auf die Welt und dürfen – wie die Rehgeissen – erst ab September geschossen werden.
Sie schiessen auch Rehkitze?
Wir müssen. Das entspricht dem Leistungsauftrag der Förster an uns Jäger. Eine Geiss hat bis zu drei Junge. Das ist zu viel, und so schiessen wir das schwächste Tier im Interesse einer gesunden Population.
Woran erkennen Sie denn die jagdbaren Tiere, also beispielsweise «trockene» Geissen oder das schwächste Jungtier?
Eine milchgebende Geiss, deren Zitzen, man spricht auch von deren Spinne, voll ist, kommt sicher nicht in Frage. Ein jagdbares Kitz werde ich problemlos erkennen, wenn ich mir Zeit lasse und eine Geiss und ihre Jungen mit dem Feldstecher sorgfältig beobachte. Dazu hilft mir natürlich auch meine langjährige Erfahrung.
Als Jäger muss man also auch viel Zeit mitbringen.
Ich würde sogar sagen, sehr viel Zeit. Vorletztes Jahr habe ich 40 Anläufe genommen – wir sagen, ich bin auf dem Hochsitz 40mal «angesessen» – und habe nicht mehr als drei Tiere geschossen. Das heisst, man muss über Geduld verfügen und warten können. Nichts Schlimmeres als Jäger, die angesichts eines Tiers überhastet und unkonzentriert loslegen. Das führt schnell einmal zu Fehlschüssen, die bei den betroffenen Tieren Leid und Schmerzen verursachen.
Wie wird denn sichergestellt, dass nur Jäger und Jägerinnen, die sauber schiessen können, in unseren Wäldern unterwegs sind?
Wir verfügen alle über einen Treffsicherheitsnachweis, den wir Jahr für Jahr bei einem obligatorischen Schiessen erneuern müssen.
Welchen Gewinn ziehen Sie aus der Jagd?
Ich geniesse die Ruhe, kann über vieles, auch über mich selber, nachdenken und erlebe einen Zustand der Entschleunigung wie in keinem anderen Bereich meines Lebens. Es ist ein Genuss, mich ungestört im Wald aufhalten zu können, was in mir durchaus auch Gefühle wie Demut vor der Natur und dem Tier auslöst.
Demut vor dem Tier, das Sie kurz danach abknallen?
Abknallen ist der falsche Ausdruck. Ich ziele extrem präzise, warte bis das Tier ideal, nämlich mit der Breitseite zu mir steht und ziehe dann ab. Das entspricht – wie gesagt – unserem Leistungsauftrag als Jäger.
Welche Tageszeit ist ideal für die Jagd?
Im Hochsommer bin ich gern schon um 4 Uhr im Wald, wenn es noch nicht ganz hell ist. Oder dann am späten Abend, so gegen 22 Uhr, beim letzten Büchsenlicht. Tagsüber sind die Bedingungen nicht optimal, wenn es zu viele Spaziergänger und Wanderer hat, die die Ruhe stören.
Und welches Wetter bevorzugen Sie?
Es sollte klar und windstill sein. «Wenn der Wind jagt, jagt der Jäger nicht», lautet ein Bonmot unter Jägern. Sobald es windig ist, riecht uns das Tier unglaublich schnell.
Welche Stärken, abgesehen von ihrem guten Geruchssinn, können die Tiere sonst noch ausspielen, um den Jägern zu entgehen?
Ihre Sinne sind generell hervorragend. Sie sehen und hören fantastisch. Als Jäger muss ich also bockstill sein und sie auf diese Art zu überlisten versuchen.
Wie sind Sie zur Jagd gekommen?
Mein Vater war schon Jäger, ich bin also mit der Jagd aufgewachsen. Ich erinnere mich noch gut an das erste Rehböckli, das ich selber geschossen habe. Den Abzug zu betätigen, hat mich damals einiges an Überwindung gekostet.
Und heute? Keinerlei Tötungshemmung mehr?
Ich darf behaupten, dass ich ein wirklich guter Schütze bin. Auch im Militär war ich Scharfschütze. Ich empfinde das Schiessen jedes Mal von Neuem als Herausforderung, der ich mich mit voller Konzentration stelle.
Würden Sie die Jagd als Ihr Hobby bezeichnen?
Für mich ist es wesentlich mehr, es ist eine Berufung. Und noch dazu eine, für die wir zahlen. Unsere siebenköpfige Jagdgesellschaft Zollikon zahlt dem Kanton rund 4000 Franken Pachtzins pro Jahr. Davon erhält die Gemeinde 20 Prozent.
Was war Ihr grösster Triumph als Jäger?
Das war ein 200 Kilogramm schwerer Hirsch, ein sogenannt «ungerader 26-Ender», den ich auf einer Jagd im ostdeutschen Mecklenburg-Vorpommern geschossen habe. Grösser und toller geht es nicht, und ich gebe zu, dass ich damals wirklich stolz war. Stolz, aber auch demütig, was dazu geführt hat, dass ich auf die in jenem Jahr noch geplante Jagd im Bündnerland verzichtet habe.
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