Kampf gegen «Südstarts geradeaus»
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11. Februar 2025 – Das Fluglärmforum Süd versucht die geplanten «Südstarts geradeaus» zu verhindern. Die gestern verschickte Medienmitteilung wirft allerdings mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Wir versuchen auf einfache Art darzulegen, worum es in der Sache geht und was für Zollikon wesentlich ist.

VON RENE STAUBLI
Zollikons Gemeindepräsident Sascha Ullman ist auch Präsident des Fluglärmforums Süd. Dieses vertritt rund 300’000 Menschen in 17 Gemeinden und Städten, die seit Jahren von Südanflügen betroffen sind. Nun sollen nach dem Willen des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl) auch noch wesentlich lärmigere Südstarts dazukommen. Dagegen wehrt sich das Fluglärmforum Süd. Es hat Ende Januar beim Bazl im Rahmen des «Mitwirkungsverfahrens zum revidierten SIL-Objektblatt Flughafen Zürich» eine kritische Stellungnahme eingereicht.
In der Medienmitteilung vom Montag wirft das Fluglärmforum Süd dem Bazl «schwerwiegende inhaltliche und rechtliche Mängel» bei der Überarbeitung des «SIL-Objektblatts» vor. Es führe die «Südstart-geradeaus»-Variante durch die Hintertüre ein und verunmögliche es so der Bevölkerung und den Gemeinden, dagegen rechtliche Schritte zu ergreifen.
Fazit des Fluglärmforums Süd: «Die geplanten Südstarts sind für den Süden des Flughafens ein Worstcase-Szenario, welches es mit allen politischen und juristischen Mitteln zu verhindern gilt.»
Betroffen vom neuen Abflugverfahren wäre auch der Zollikerberg, denn die «Südstarts geradeaus» würden – wie die heutigen Südanflüge – direkt über den Sennhof führen. Angedacht sind 13’000 Starts pro Jahr.
Wir versuchen uns dem komplexen Thema mit Begriffsklärungen und Faktenchecks zu nähern:
SIL-Objektblatt: Mit dem «Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt» (SIL) legt der Bund fest, wie jeder einzelne Schweizer Flugplatz gebaut, betrieben und ausgebaut werden kann. Diese Rahmenbedingungen werden für jeden Flugplatz in einem Objektblatt festgehalten.
Beinahe-Zusammenstoss: Am 15. März 2011 stiessen auf dem Zürcher Flughafen zwei startende Flugzeuge beinahe zusammen. Es folgte eine umfassende Sicherheitsabklärung, deren Erkenntnisse in das «SIL-Objektblatt Zürich» einfliessen sollen, das gegenwärtig überarbeitet wird.
«Südstart geradeaus»: Zu den geplanten Massnahmen gehört die Einführung des «Südstarts geradeaus», der aber nur dann erfolgen soll, wenn gleichzeitig von Norden her gelandet wird. Mit diesem Lande- und Startregime gäbe es keine gefährlichen Kreuzungen von Flugwegen mehr.
Meinungsstreit: Das Bazl sagt, dass sich mit der Einführung der Südstarts «eine klare Verbesserung der Sicherheitsmarge» erzielen lasse. Das Fluglärmforum Süd ist anderer Meinung: die Südstarts seien nicht vertretbar, denn es gebe «keine Flugroute, die mehr Menschen einem Absturzrisiko aussetzt als An- und Abflüge über dem dichtbesiedelten Süden».
Faktencheck I: Ein von uns befragter ehemaliger Swiss-Pilot stimmt der Argumentation des Fluglärmforums zu: «Die Folgen eines Unfalls bei einem An- oder Abflug über dem dichten Siedlungsgebiet im Süden des Flughafens wären deutlich gravierender als bei den anderen Routen.»
Lärmbelastung: Das Bazl sagt, die Südstarts würden nur bei Bise oder Nebel durchgeführt; mit dieser Einschränkung könne man die Lärmbelastung für die Bevölkerung in einem erträglichen Rahmen halten. Das Fluglärmforum Süd verweist auf das Jahr 2000, als während dreier Monate Südstarts geflogen wurden. Insbesondere in Dübendorf und Schwamendingen seien die Auswirkungen unzumutbar gewesen. Der Lärm habe in diesen Gemeinden unter anderem den Schulunterricht erheblich erschwert.
Topographische Hindernisse: Das Bazl sagt, mit der Variante «Südstarts geradeaus» bei Bise oder Nebel könne «unter den Aspekten der Sicherheit, Kapazität und Lärmbelastung» eine «klare Verbesserung der Sicherheitsmarge erzielt werden». Das Fluglärmforum Süd entgegnet, Südstarts seien bei Bise «flugtechnisch nicht sinnvoll», ausserdem stünden der Zürichberg, der Adlisberg und der Pfannenstil im Weg, «was bei Nebel gefährliche Situationen erwarten lässt».
Faktencheck II: «Da werden Äpfel mit Birnen verglichen», sagt der ehemalige Swiss-Pilot. Bei Bise habe ein nach Süden startendes Flugzeug Seitenwind. Das sei innerhalb gewisser Grenzen kein Problem. Wenn der Wind zu stark sei, werde auf eine andere Piste gewechselt. Der Nebel spiele bei den topographischen Hindernissen überhaupt keine Rolle. «Entscheidend ist die Sicherheit der Abflugroute bei einem Motorausfall, weil dann die Steigleistung des Flugzeugs beeinträchtigt ist.» Dann müsse die Möglichkeit bestehen, vor einem Hindernis rechtzeitig abzudrehen.
Rechtsweg: Das Fluglärmforum Süd sagt, mit der Aufnahme der Südstarts ins «SIL-Objektblatt Zürich» werde «praktisch verhindert» dass die Gemeinden und die Bevölkerung die Südstarts auf dem Rechtsweg verhindern können. Das Bazl hingegen schreibt, das neue Betriebsreglement für den Flughafen könne auf dem Rechtsweg angefochten werden. Die Südstarts könnten erst nach Abschluss eines solchen Gerichtsverfahrens eingeführt werden.
Fazit: «Auf dem Papier sieht das Versprechen des Bazl gut aus», räumt Stephan Oehen ein, der das Fluglärmforum Süd in der Öffentlichkeit vertritt. «Man kann tatsächlich bis vor Bundesgericht gehen. Die Realität sieht aber so aus, dass rechtlich fast nichts mehr zu machen ist, wenn die Variante Südstart im SIL-Objektblatt ‹zementiert› ist. Deshalb ist es für uns wichtig, sie vorgängig aus dem Objektblatt zu streichen.»
Stellungnahme des Flugforums Süd
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