«Manche Hunde brauchen ein Mäntelchen»

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8. November 2024 – «Alles über Tiere, Tiere über alles» – unter diesem Motto war am Donnerstag die Zolliker Tierärztin Claudia Nett zu Gast bei Barbara Lukesch. Sie erzählte aus ihrer Praxis und beantwortete unter anderem auch die Frage, ob Hightech-Behandlungen bei Tieren Sinn machen.

«Warum haben Sie sich für die Tiermedizin und nicht für die Menschenmedizin entschieden – haben Sie Tiere lieber?», fragte Barbara Lukesch. Die Suggestivfrage sorgte im Publikum für Erheiterung, die Tierärztin musste ebenfalls lachen und holte ein wenig aus. Sie habe nach dem Gymnasium nicht recht gewusst, was sie machen wolle, auch Physiotherapie wäre eine Möglichkeit gewesen. Humanmedizin sei nicht in Frage gekommen – «immer nur mit Menschen zu reden, reizte mich nicht so, die Kombination mit Tieren passte besser zu meinen Vorstellungen».

Vor allem deshalb, weil ihr die Tiere schon immer am Herzen gelegen hätten, und in der Tiermedizin sei es natürlich ebenfalls «wichtig, zuweilen nicht ganz einfach, aber immer interessant, mit den Besitzern über den Gesundheitszustand ihrer Tiere zu reden und beiden zu helfen». Unter dem Strich sei sie mit ihrer Berufswahl mehr als zufrieden.

Das Problem mit dem Immunsystem

Letztlich hat sich Claudia Nett dann nicht als Haustierärztin niedergelassen, sondern sich auf  Tierdermatologie spezialisiert, also auf den Fachbereich Haut & Fell und Federn. In der Praxis hat sie es mit Ohrenentzündungen, Parasiten, Pilzerkrankungen, Räude, Nahrungsunverträglichkeiten und immer häufiger mit Allergien zu tun – «von Letzterem lebe ich», schmunzelte sie. Die starke Zunahme von Allergien führt sie auf die Lebensbedingungen in den Städten zurück. Dort werde das Immunsystem der Tiere nicht wie auf dem Land permanent trainiert und somit auch nicht genügend gefordert. Mit den heutigen Medikamenten sei man aber in der Lage, dieses Problem in den Griff zu bekommen.

Überhaupt habe die Tiermedizin grosse Fortschritte gemacht. Heute sei es selbstverständlich, wie in der Humanmedizin Hightech-Geräte wie MRI, CT, Röntgen und Ultraschall einzusetzen. Standard seien auch Blut- und Urinuntersuche in Labors. Was zur Frage von Barbara Lukesch führte, ob es denn sinnvoll sei, so viel Geld für die Behandlung von Tieren auszugeben, beispielsweise auch für Chemotherapien bei Krebserkrankungen.

Nicht leichtfertig einschläfern

Was Chemotherapien angehe, so Claudia Nett, vertrügen die Tiere diese besser als Menschen. Weil sie weniger alt werden, sei ihr Gewebe bei den Behandlungen jünger. Man müsse aber jeden Fall einzeln anschauen, denn Tumor sei nicht gleich Tumor. Gewisse Krebsarten könne man heute heilen, andere nicht. Dann gebe es noch den sozialen Aspekt: «Wenn ein Tier stark in einer Familie integriert ist, sagt man nicht so leicht wie früher, wir schläfern es ein.»

Anderseits gelte es, immer auch das Tierwohl zu berücksichtigen und auch das Tiergesetz: «Wenn man einen Hund operiert und er dann vier Wochen fast ohne Bewegung in einem Käfig verbringen muss, tut man ihm kurzfristig ein Leid an.» Aber wenn er dann noch sechs Jahre lang ein gutes Leben führen könne, gelte es das eine gegen das andere abzuwägen.

Claudia Nett erzählte das Beispiel einer Frau mit einer höchst depressiven Tochter, die sehr an ihrem Hund hing. Doch dieser war so krank, dass man ihn eigentlich von seinen Qualen hätte erlösen müssen. Das war kurz vor Weihnachten, und die Mutter habe zu ihr gesagt, wenn man das Tier töte, fürchte sie, dass sich die Tochter etwas antun könnte. «Dann sind dann extreme Gratwanderungen», sagte die Tierärztin. Sie habe sich damals entschlossen, dem Hund Infusionen zu geben, und er lebe immer noch.

Kommerzialisierung der Tiermedizin

Natürlich verteuern solche Behandlungen die Tiermedizin. Es komme aber noch ein zweites, Phänomen dazu, das die Preise ebenfalls hochtreibe: der Eintritt grosser schwedischer Ketten in den Schweizer Markt der Tiermedizin. Solche Ketten übernehmen seit einiger Zeit Praxis für Praxis und trimmen sie unerbittlich auf Profit. Diese Entwicklung bereite ihr Sorgen.

Barbara Lukesch streute immer wieder auch praktische Fragen ins Gespräch ein. Zum Beispiel: «Kann man einem Hund Katzenfutter geben?» Viele im Saal wussten nicht, dass Katzen nach wie vor reine Fleischfresser sind, während Hunde im Lauf der Jahrzehnte ziemlich stark «umerzogen» worden sind – «Hunde sind keine Carnivoren mehr», erklärte Claudia Nett, sie vertragen sogar sehr gut vegetarische Kost. Von veganer Ernährung würde sie allerdings abraten, denn das wäre nicht tiergerecht und würde gegen die Tierschutzvorschriften verstossen, die eine korrekte Ernährung und Haltung verlangen.

Wann kann man Kindern ein Tier schenken

Zum Thema «korrekte Haltung» gehört auch die Frage, ab wann man einem Kind einen Hund oder eine Katze schenken kann. «Katzen benötigen weit weniger Aufmerksamkeit als ein Hund, weil sie sehr selbständig sind», sagte Claudia Nett. Einen Hund müsse man regelmässig ausführen und sich generell mehr mit ihm beschäftigen. Ein Kind müsse so alt sein, dass es diese Aufgabe regelmässig übernehmen könne, aber nicht immer: «Man kann einem Kind nicht die ganze Verantwortung für ein Tier aufbürden, und man muss auch damit rechnen, dass das Interesse des Kindes am Tier nach einiger Zeit nachlässt – dann müssen die andern Familienmitglieder einspringen.»

Claudia Nett entpuppte sich als Person, die unermüdlich beschäftigt und unterwegs ist: Berufstätigkeit, Volleyball, Stand up-Paddeln, Familie, Haustiere, Naturbeobachtung, Fotografie als Hobby. Ob sie in der Natur auch gerne Tiere fotografiere, fragte Barbara Lukesch. «Wahnsinnig gern», antwortete ihre Gesprächspartnerin, «ich liege lieber mit dem Fotoapparat vier Stunden in der Kälte unter einem Tarnnetz und beobachte Tiere als einen Tag am Strand.» (René Staubli)

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