«Natürlich bin ich ein Heimweh-Schweizer»

0 KOMMENTARE

5. April 2024 – Zuweilen erreichen uns Kommentare zu unseren Artikeln von weither: Asien, USA, Australien, Frankreich. Über die «ZollikerNews» haben diese Menschen einen Draht zur Heimat. Einer von ihnen ist der 66-jährige Max Häusermann, der mit seiner Familie in Thailand lebt.

Familie Häusermann
Familie Häusermann im Garten ihres Hauses in Thailand (Foto: zvg)

Max Häusermann hatte es schon immer in die Ferne gezogen. Mit Anfang 30 erfüllte er sich einen Traum und unternahm eine zweijährige Weltreise. Dabei stellte er fest, dass ihm Asien gut gefiel und er sich in Thailand ganz besonders wohlfühlte.

Gleichzeitig ist er aber auch eine treue Seele und legt Wert auf Konstanz in seinem Leben. Das zeigt sich daran, dass er 40 Jahre lang Mitglied des Musikvereins Harmonie Zollikon war, wo er das zweite Flügelhorn spielte. Auch im Organisations-Komitee des Chilbivereins engagierte er sich viele Jahre. Seine Stelle als Sachbearbeiter in der Finanzindustrie nahm er direkt nach der Rückkehr von einer Weltreise an; erst 26 Jahre später, inzwischen zum Vizedirektor befördert, verliess er das Unternehmen und liess sich mit 58 frühpensionieren.

Ein goldrichtiger Entscheid

Heiraten wollte er im Grunde genommen nie; auch an die Gründung einer Familie dachte er nicht. Doch mitunter geschehen Dinge, die die eigene Lebensplanung über den Haufen werfen. Bei Max Häusermann verlief dieser Prozess mehrstufig.

Angefangen hatte es damit, dass sein Vater an Demenz erkrankte und professionelle Pflege brauchte. Der Sohn fand einen Platz für ihn in einem Heim. Doch schnell stellte sich heraus, dass der alte Mann dort todunglücklich war. Er fühlte sich eingesperrt und hasste es, dass man ihn bereits gegen 18 Uhr mit Schlaftabletten ruhigstellte.

In dieser Zeit sah Max Häusermann im Fernsehen einen Bericht über einen Schweizer, der in Thailand gerade ein Altersheim für Demenzkranke gegründet und seine Mutter dort untergebracht hatte. Die Patienten leben in kleinen Häuschen in einem schönen Quartier etwas ausserhalb der zweitgrössten thailändischen Stadt Chiang Mai und werden rund um die Uhr betreut. Häusermann machte den Initianten ausfindig und meldete seinen Vater an, der damit der erste zahlende Patient in der neugegründeten Einrichtung war. Der Sohn wusste ja, dass sein Vater früher viel nach Thailand gereist war und immer von dem Land geschwärmt hatte. Der Entscheid erwies sich als goldrichtig; der alte Mann war wieder happy und genoss die drei Lebensjahre, die ihm noch vergönnt waren.

Liebe auf den ersten Blick

Einmal pro Jahr besuchte ihn Max Häusermann und verbrachte jeweils einige Tage in der grosszügigen Anlage. Bei einem dieser Aufenthalte passierte es: Eine der Pflegerinnen gefiel ihm ausnehmend gut. «Sie war sehr freundlich und ausgesprochen hübsch», erinnert er sich, «und wir verliebten uns ineinander.» Das Paar beschloss, gemeinsam in der Schweiz zu leben und bezog eine Wohnung im Zollikerberg. Die junge Frau lernte Deutsch und Schweizerdeutsch und lebte sich gut ein. Als Ausländerin aber war ihre rechtliche Situation auf Dauer prekär, und so entschied sich Max Häusermann, sie zu heiraten. Das Paar bekam zwei Töchter, die eine inzwischen 15, die andere 11 Jahre alt. Die Eltern planten, zehn Jahre in der Schweiz zu bleiben und dann für die nächsten zehn Jahre nach Thailand überzusiedeln. Was später passieren würde, liessen sie offen.

Als der Wechsel langsam näherrückte, kam Max Häusermann ins Grübeln. Wollte er wirklich seinen ganzen Freundeskreis zurücklassen, all die Kollegen von der Harmonie, mit denen er ein-, zweimal pro Woche geprobt und dann jeweils in der «Alten Laterne» ein paar Bierchen getrunken und stundenlang gequatscht hatte?

Andererseits war ihm klar, dass er es seiner 23 Jahre jüngeren Frau schuldig war, mit ihr in ihre Heimat zurückzukehren, wo sie in der Nähe ihrer Mutter, zwei Schwestern und Schwäger wohnen würden. «Weil es ja ziemlich wahrscheinlich ist, dass ich früher als meine Frau sterben werde», konstatiert er pragmatisch, «war es mir besonders wichtig, dass sie an dem Ort lebt, der ihr vertraut ist.» Weil ihm Thailand immer gefallen hatte, empfand er den Umzug letztlich als «Win-win-Situation».

Häusermann hatte sich im Wissen frühpensionieren lassen, dass er in Thailand auch mit einer reduzierten Altersrente gut leben könnte. Um all seine Bagage – Möbel, Kleider, Bücher und vieles mehr – mitnehmen zu können, buchte er einen Container. Er seufzt: «Inzwischen habe ich die Hälfte der Ware weggeschmissen, darunter meine ganze Elektronik, die das feuchte, oft auch heisse Klima nicht vertragen hat.» Er wäre gescheiter «nur mit einem Koffer und dem Nötigsten» aufgebrochen.

Ein Haus nach eigenen Wünschen

Heute lebt die Familie in Chiang Mai in genau jenem Quartier, in dem auch das Altersheim für Demenzpatienten steht. In einem einstöckigen Haus mit einem grossen Garten und Swimmingpool. Häusermann selber, der ursprünglich Tiefbauzeichner war, hatte die Bauleitung übernommen und zwei Jahren lang dafür gesorgt, dass alles gemäss seinen Wünschen realisiert wurde. Finanziert hat er die Immobilie mit einem beträchtlichen Teil seiner Pensionskasse.

Das Haus von Max Häusermann
Selber die Bauleitung übernommen: Häusermanns Haus

Während unserem Zoom-Gespräch zwitschern die Vögel im Hintergrund, und der Hausherr zeigt sein Anwesen mit sichtlichem Stolz. Er hat es sich in Shorts und T-Shirt auf einem Liegestuhl bequem gemacht und stöhnt etwas über die Hitze: «36 Grad ist mir fast zu viel.»

Normalerweise schätze er das Klima sehr, die angenehm warmen Tage und die kühlen Nächte, dazu den Wechsel zwischen Regen- und Trockenzeit. Seinen Alltag gestalte er ganz nach seinen Bedürfnissen; zweimal pro Woche stehe er bereits morgens um 7 Uhr im Fitness-Center. An den anderen Tagen schlafe er aus, frühstücke dann ausgiebig, lese Zeitungen und schaue Nachrichten, um sich so gegen 11 Uhr zu überlegen, was er wohl mit dem Tag anfangen wolle. Den Swimmingpool putzen oder Hecken und Bäume schneiden? Oder doch einen Trip in die Berge, wo es auf 1400 Metern über Meer deutlich kühler ist?

Teure Ausbildung für die Tochter

Für den Haushalt und die Küche sei seine Frau zuständig. Sie wisse, dass er gern Käse und Salami habe und zum Nachtessen auch mal ein Glas Rotwein. Das seien in Thailand allerdings Luxusprodukte, die ihren Preis hätten, erzählt Häusermann. Das Land sei sowieso deutlich teurer, als es sich viele Europäer vorstellen würden. Klar, wenn er ausschliesslich Thaifood essen und sich mit einer sehr bescheidenen Bleibe zufriedengeben würde, käme er mit wenig Geld aus: «Ich möchte mir aber auch hier in etwa den Lebensstandard bewahren, den ich mir von der Schweiz gewohnt bin.» Teuer sei auch die Ausbildung seiner älteren Tochter, die die «International School» besuche, was umgerechnet mehr als 11’000 Franken pro Jahr koste. Sie wolle unbedingt an einer Schweizer Universität studieren und müsse dazu auch ihre Sprachkenntnisse auf ein Toplevel bringen. Zu diesem Zweck bekommt sie noch zusätzlich einmal pro Woche privaten Deutschunterricht.

Um all diese Ausgaben begleichen zu können, gingen die Kindergelder der AHV für beide Töchter drauf, erzählt Häusermann. Er zuckt mit den Achseln. Er wisse, dass dies ein Thema sei, das politischen Zündstoff berge: «Die alten Männer aus der Schweiz, die sich in Asien eine junge Frau angeln, mit ihr Kinder auf die Welt stellen und dann mit dem Kindergeld aus der Schweiz in Saus und Braus leben.» Bei ihm sei es tatsächlich anders: Beide Mädchen seien in der Schweiz geboren, hätten auch einen Schweizer Pass und er als Vater damit das Anrecht auf diese finanzielle Unterstützung bis zu ihrem 25. Lebensjahr.

Häusermann zögert etwas: «Unsere Töchter sind vielleicht diejenigen, bei denen der Umzug am meisten Spuren hinterlassen hat.» Sei es sprachlich, kulturell, sei es vom Kreis ihrer Freundinnen her, die sie alle zurücklassen mussten. Von dem her fühle er sich doppelt verpflichtet, sie auf ihrem Weg so gut wie möglich zu unterstützen.

Er selber geniesse sein Leben in Chiang Mai sehr. Schön sei auch, dass er sich mit der Familie seiner Frau bestens verstehe und sich in diesem Kreis gut aufgehoben fühle. Er spreche nebst Englisch inzwischen auch etwas Thai. Ihr Quartier sei gut durchmischt, Einheimische wohnen neben Engländern, einem Amerikaner und einigen Schweizern. Er habe auch Anschluss an eine vierköpfige «Fressgruppe» gefunden, alles Schweizer Männer, die sich einmal pro Monat zum Auswärtsessen treffen würden.

Gleichzeitig habe er immer wieder Besuch aus der Schweiz: «Alte Freunde, die mich nicht vergessen haben.» Gefreut habe ihn auch, als er zu seinem 66. Geburtstag, den er im Februar gefeiert hat, von mehr als 50 Gratulationsmails aus der Schweiz regelrecht überrollt worden sei: «Ich habe zwei Abende gebraucht, um alle zu beantworten.»

«Dieser Zug ist abgefahren»

Er seufzt. Natürlich sei auch er ein «Heimweh-Schweizer» und vermisse sein altes Leben immer mal wieder. Die Musikproben und gemeinsamen Auftritte, die Gespräche mit den Kollegen oder Einladungen zum Essen, die sich bis tief in die Nacht hinziehen konnten. Das sei etwas, was man in Thailand nicht kenne: «Da geht man essen, bumm, bumm, bumm und ist spätestens in ein, zwei Stunden wieder daheim.»

In zwei Jahren ist die Familie zehn Jahre in Thailand. Zeit für einen neuerlichen Wechsel zurück in die Schweiz? Max Häusermann winkt ab: «Auf keinen Fall.» Er verfolge die wirtschaftliche Entwicklung in seiner alten Heimat sehr genau, steigende Mieten, gewaltige Krankenkassenprämien, Inflation. Mit seiner Altersrente würde er im Zollikerberg wohl an der Grenze zur Armut landen. Er lacht: «Dieser Zug ist abgefahren.»

Daran ändere auch nichts, dass Thailand seit dem 1. Januar neu auch von den Ausländern Steuern verlange, «und zwar happige». Zur Zeit herrsche auf den Ämtern zwar noch ein gigantisches Chaos, die Unterlagen zu dem neuen Gesetz seien bisher nur auf Thai erhältlich und niemand wisse, «wer, wie, wo, was und wieviel genau». Was sicher sei, grinst Häusermann zerknirscht: «Das Steuerparadies Thailand gibt es definitiv nicht mehr.» (Barbara Lukesch)

Max Häusermann
Max Häusermann: definitiv keine Rückkehr in die Schweiz

WIR FREUEN UNS ÜBER IHREN KOMMENTAR

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

zehn − zehn =

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht