Riedgebiete mit «Drumlins» aus der Eiszeit
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Barbara Lukesch und René Staubli: «Es heisst, das Naturschutzgebiet zwischen Wetzikon, Gossau, Hinwil und Dürnten sei für die Schweiz einmalig – wegen der ‹Drumlins› und den schönen Riedgebieten. Wir wollten uns ein Bild machen.»
Der Begriff «Drumlin» ist hergeleitet vom irisch-gaelischen «druim», was Hügel oder Rücken bedeutet. Zwischen Uster und Dürnten gibt es 150 solche Erhebungen, die eine Höhe von bis zu 30 Metern erreichen. Ihr Untergrund besteht aus Kies. Sie sind stromlinienförmig und annähernd parallel zueinander ausgerichtet, was daher rührt, dass diese Kieskissen vom fliessenden Gletscher abgelagert wurden.
Das geschah in der letzten Eiszeit zwischen 100’000 und 10’000 Jahren vor unserer Zeitrechnung. Als sich der Gletscher zurückzog, blieben die Drumlins und dazwischen feuchte Mulden, die allmählich verlandeten und sich mit niedrig wachsender Vegetation überzogen, während auf den trockeneren Hügeln Wälder entstanden.
Dass dieses Gebiet unter Naturschutz steht, begreift, wer es wandernd durchstreift. Der Mensch hat sich weitgehend zurückgezogen. Es ist lange her, dass in einigen Gebieten das «schwarze Gold», der Torf, gestochen wurde. Die Natur verdankt es mit einer grossen Artenvielfalt. Beispielsweise kommt der seltene «fleischfressende Sonnentau» vor. Insekten bleiben am klebrigen Sekret seiner Tentakel kleben, worauf sich das Blatt einrollt, die Beute gefangen hält und sie verdaut.
Rauer Beginn, dann die Belohnung
Zwischen Uster und Dürnten liegt Hinwil, und dort starten wir unsere Wanderung, die auf ziemlich raue Art beginnt. Wir kommen mit der S-Bahn und müssen auf dem Perron zurück Richtung Zürich gehen. Auf dem anderen Gleis stehen Wagen der Dampfbahn Bauma – Hinwil, die jeweils am ersten und dritten Sonntag des Monats verkehrt. Gerade wird die fauchende Lok vorgespannt. Fröhliche Kindergesichter schauen aus den Wagen.
Nach der Treppe, die zur unteren Bahnhofstrasse führt, halten wir uns links, gehen durch ein recht unwirtliches, anonymes Quartier und unterqueren die vielbefahrene, lärmige Winterthurerstrasse. Der Armee-Motorfahrzeugpark zu unserer Rechten hat eine imposante Grösse. Wir sind froh, dass wir nach wenigen Metern in den Wald eintauchen können. Wenig später müssen wir im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal untendurch, aber am Ende der Wellblechröhre erreichen wir endlich die freie Natur. Wir atmen tief durch.
Links und rechts des gelb markierten Wanderwegs tauchen nun in regelmässigen Abständen Riedgebiete auf. Sie tragen Namen wie «Griggelen», «Turpenriet», «Hinwiler Riet», «Schwändiriet», «Chuderriet» oder «Hanfländer». Bei kleinen Abstechern ins Grüne bekommen wir nasse Schuhe. Ein Hochsitz deutet darauf hin, dass es Wild in der Gegend gibt.
Am Rande eines langen, geraden Weges entdecken wir ein Bänklein direkt gegenüber dem Drumlin, der in der Karte als Hatschberg eingezeichnet ist. Die Ruhe und der Ausblick auf die Natur sind wunderbar. Einmal rauscht eine Kutsche mit zwei Pferden an uns vorbei. Wir haben leckere Aufbackbrötchen im Rucksack, gefüllt mit scharfem Chili-Brie, rezenter Chorizo (spanische Wurst), Baumnusshälften, Avocado-Schnitzen, getrockneten Tomaten und Dill. Dazu gibt es rohes Gemüse und Oliven. Die Steine werfen wir ins Riet. Wer weiss, vielleicht wachsen hier eines Tages Olivenbäume?
Nach der Mittagspause entdecken wir kurz vor dem Bahnübergang einen Wegweiser mit einer merkwürdigen Angabe: «Ambitzgiried». Unsere Nachforschung im Internet zur Bedeutung des Wortes führt zur Website einer Waldspielgruppe für Kinder. Dort lesen wir: «Ambitzgi ist ein Wort, das unsere Grossmütter im Zürcher Oberland gesagt haben, wenn sie von Ameisen sprachen. Da der Platz unserer Spielgruppe ans Ambitzgi-Riedt in Wetzikon grenzt und die Ameisen sehr faszinierende, soziale Lebewesen sind, passt dieser Name hervorragend zu unserer Spielgruppe.»
Bevor wir die Eisenbahnlinie überqueren, die schnurgerade durchs Ried führt, rauscht die S-Bahn vorbei. Für die Lokführer muss das eine der schönsten Strecken sein. Das Ried, das sich zu unserer Linken auftut, heisst «Langer Riemen». Allmählich nimmt uns Wunder, woher all die seltsamen Namen stammen.
Wir wandern weiter Richtung Althellberg, am Ambitzgiried vorbei in den Wald. Nachdem wir die Autostrasse überquert haben, kommen wir in den Genuss der Besteigung des Drumlins Alt Hellberg. Von einer Bergtour kann man bei 30 Metern Höhenunterschied nicht gerade reden. Und doch bietet sich oben ein grandioser Blick bis weit hinein in die Berge. Die Wasserversorgung Ottikon – Grüningen – Hombrechtikon hat auf dem höchsten Punkt ein Reservoir errichtet. Wenige Meter daneben ladet ein Bänklein zur Rast.
«Tierische» Passagen
Nun wird es ziemlich tierisch. Zuerst führt uns der Weg durch ein grosses Gestüt, auf dem Dutzende Vierbeiner in Pension leben. Wir staunen über ein kleines Mädchen, das auf einem Übungsplatz wie selbstverständlich ein grosses, schwarzes Pferd voltigiert und dazu sein Handy checkt.
Bei der Bushaltestelle Hundsruggen treffen wir zwar keine Hunde, dafür weiter unten beim Hof Allenwinden herzige Kälbchen beim Ausruhen auf einer Wiese.
Links vorbei an einer Kiesgrube, die eher temporärer Natur zu sein scheint, erreichen wir ein verstecktes Biotop. Ein Holzsteg führt auf ein kleines Podest. Vor uns tut sich ein Weiher auf. Es scheint sich um ein Paradies für Libellen zu handeln. Jedenfalls entdecken wir eine ganze Menge dieser inzwischen recht seltenen Insekten.
Wikipedia entnehmen wir, dass sich die Libellen durch einen außergewöhnlichen Flugapparat auszeichnen. Sie können ihre beiden Flügelpaare unabhängig voneinander bewegen, was ihnen nicht nur abrupte Richtungswechsel ermöglicht; sie können auch in der Luft stehen bleiben oder sogar rückwärts fliegen. Mit 50 km/h Spitzengeschwindigkeit sind sie erstaunlich schnell unterwegs. Was wir auch noch entdecken und uns freut, ist die letzte blühende Seerose im Teich.
Von nun an folgen wir dem Wanderwegweiser «Bertschikon». Zuerst geht es über die Berghofstrasse, dann entlang des Drumlins Tannenberg und über die Grütstrasse. Erneut tut sich die freie, weitgehend unberührte Natur vor uns auf. Es sind Reiter unterwegs, und beim Ried «Seewadel» treffen wir auf zwei Frauen und Kinder, die mit Lamas einen Spaziergang machen. Dass Lamas eine Kamelart sind, war uns nicht bewusst. «Ueli», so heisst das grösste Exemplar, frisst auf coole Art Gras, die Bananenohren auf Empfang gestellt, aber er würdigt uns keines Blickes.
Nach kurzer Zeit erreichen wir eine Krete, unter uns das Dörfchen Bertschikon. Ältere Sportbegeisterte verbinden damit den Namen von Hermann Gretener. In den 1960er- und 70er-Jahren gewann er als Querfeldein-Rennfahrer mehrere Schweizer Meistertitel und stand bei Weltmeisterschaften viermal auf dem Podest, wenn auch nie ganz oben.
Unten bei der Kreuzung führt der Wanderweg geradeaus Richtung Schloss Uster. Wir biegen hier rechts ab nach Aathal. Auf einer Länge von rund 200 Metern sind wir dem nicht allzu starken Verkehr ausgesetzt, ehe uns das Hüttenmoos-Strässchen wieder vollen Wandergenuss bietet. Entlang einer Siedlung mit gepflegten Gärten erreichen wir schliesslich die Gstalderstrasse, die mit einem Gefälle von 16% hinunter zum Bahnhof Aathal führt.
Der grosse Parkplatz beim Bahnhof erinnert uns daran, dass in Aathal das Saurier-Museum jedes Wochenende unzählige Familien anlockt. Wir sind froh, auf ein Bänklein sitzen zu können und auf die S-Bahn zu warten, die uns schnell und bequem zurück in die Stadt bringt. (Barbara Lukesch/René Staubli)
Anreise: Mit der S-Bahn
Anforderungen: 10,7 km, 163 m aufwärts, 214 m abwärts, 2 ¾ Stunden (wir haben 4 gebraucht).
Route: PDF von SchweizMobil