Sonntags geht meine Moral über Bord

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27. März 2023 – Ich habe eine Beichte abzulegen. Ich schaue Formel 1. Angefangen hat eigentlich alles ganz harmlos. Ein Freund empfahl mir die Netflix-Serie mit dem klingenden Namen «Drive to Survive.»

Ich habe eine Beichte abzulegen. Ich schaue Formel 1.  Angefangen hat eigentlich alles ganz harmlos. Ein Freund empfahl mir die Netflix-Serie mit dem klingenden Namen «Drive to Survive».

Darin erfährt man im Wesentlichen, wie es im Rennsport so zu und hergeht. Strategien, Autos, Fahrer, die an ihrer Aufgabe verzweifeln oder himmelhoch jauchzen, Geld, und natürlich viele PS.

Wie bei anderen gut gemachten Serien war es auch hier wie mit Chips: Isst man eines, isst man die ganze Packung. Beziehungsweise man schaut die ganze Staffel und dann alle weiteren Staffeln. Was ich aber nicht voraussah: Was als nette Unterhaltung für zwischendurch gedacht war, endete damit, dass ich mir auch die Rennen anschaue. Immer wieder sonntags bin ich also vor dem Bildschirm und beobachte, wie alte Männer jüngeren sagen, wie sie Auto zu fahren haben. «Sunday is race day», sagen die Fahrer.

Erzähle ich meinem Umfeld von meinem neuen Hobby, ernte ich in der Regel wenig Verständnis und bekomme vor allem eines immer wieder zu hören: «Das passt überhaupt nicht zu dir.» Damit haben sie einen Punkt. Der Sport verkörpert ganz vieles, das mich überhaupt nicht begeistert. Er ist unvereinbar mit einem nachhaltigen Ansatz, wird angetrieben von reichen Männern, Geld spielt sowieso eine riesige Rolle, alle nehmen sich wahnsinnig wichtig. All das passt tatsächlich überhaupt nicht zu mir.

Ich muss zugeben, dass eine sehr gut gemachte Serie es geschafft hat, mich zu einem Formel-1-Fan zu machen. Der sich, als wäre es noch nicht schlimm genug, nach den Rennen auch gleich noch einen Podcast mit der Rennanalyse hinten nachschiebt. Immer wieder sonntags werfe ich meine Moral über Bord und steige ins Formel-1-Boot. Wie lange das noch geht, weiss ich nicht. Produziert Netflix weitere Staffeln der Serie womöglich noch eine Weile.

Olivia Porträt

Olivia Eberhardt (geb. 1994) hat 2017 ihr Studium an der ZHAW abgeschlossen und arbeitet nun als Redaktorin beim Online-Stadtmagazin «Züri Today». Sie bezeichnet sich als «Beobachterin mit feinen Antennen und dem Wunsch, die Essenz dieser Beobachtungen mit einem humoristischen Ansatz niederzuschreiben».

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