Stress für das Gemeindesteueramt
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29. März 2023 – Nächsten Freitag muss die Steuererklärung auf die Post, online erfasst oder ein Gesuch um Fristerstreckung eingereicht sein. Jedes Jahr müssen Amtschef Renato Casanova und seine fünf Fachspezialisten mit rund 7’000 Steuererklärungen von natürlichen Personen klarkommen.
Das kantonale Steueramt kennt kein Erbarmen. Es verlangt, dass die Gemeinden alljährlich 60% der Steuererklärungen aller natürlichen Personen selber bearbeiten. Den Rest übernimmt der Kanton. Das sind jene 35% der Steuerpflichtigen, die eine Fristverlängerung beantragen und ihre Unterlagen erst Ende November einreichen, sowie 5% überaus komplexe Fälle.
Der Grossteil der Arbeit muss also in Zollikon geleistet werden. «In den letzten 20 Jahren haben wir diese strenge Vorgabe erfüllt», sagt der Zolliker Amtschef Renato Casanova nicht ohne Stolz, «aber es wird immer schwieriger, weil immer mehr Leute die Frist verlängern und die Komplexität der Steuererklärungen ganz generell zunimmt.»
Alle haben ihre Stammkundschaft
Casanovas Mitarbeiter sitzen vor Dreifachbildschirmen. Sie sehen die Steuererklärung samt Beilagen als Bild, kontrollieren alles und nehmen mit einer separaten Software wenn nötig Korrekturen vor. Am Ende resultiert das amtlich akzeptierte steuerbare Einkommen und Vermögen, was nach der provisorischen letztlich die definitive Steuerrechnung auslöst. Jeder Mitarbeiter ist zuständig für einige Buchstaben im Alphabet, was rund 1800 Steuerpflichtigen entspricht. Man kann also sagen, dass alle ihre Stammkunden haben. Pro Tag sind 10 bis 15 Steuererklärungen abzuarbeiten.
Der Job ist durchgetaktet und anspruchsvoll. «Im März und April kommen in aller Regel die einfacheren Steuererklärungen herein, später dann die komplexeren», sagt Casanova. Ende März schwappt eine Masse von Fristerstreckungsgesuchen über das Amt hinweg, die immerhin online eingereicht werden können, aber einzeln bearbeitet werden müssen. «Ab Herbst erhalten wir dann oft Steuererklärungen, die besonders viel Arbeit verursachen – wenn man in der ersten Jahreshälfte nicht vorwärts macht, gerät man in der zweiten unter Druck.»
Keine Wut aufs Steueramt
Frage an den Amtschef: Gibt es keine Steuerpflichtigen, die ihre Wut am Steueramt auslassen, weil der Staat heruntergewirtschaftete Banken mit Milliarden rettet, Multimillionäre pauschal besteuert und im Gegenzug einfachen Steuerpflichtigen bei den Abzügen 300 Franken streicht?
Casanova erinnert an die Abstimmung vom 8. Februar 2009, als sich die Zürcher StimmbürgerInnen überraschend dafür entschieden, dass ausländische Superreiche im Gegensatz zu anderen Kantonen nicht mehr pauschal besteuert werden dürfen. Er spüre in der Gemeinde keine Ressentiments, wozu sicher beitrage, dass man bei den Abzügen unnötige Pingeligkeit vermeide. Einmal habe jemand nach dem Erhalt der Steuerrechnung sogar eine Ansichtskarte ins Amt geschickt und einen schönen Frühling gewünscht.
Abgesehen davon sei die Zahlungsmoral der Zollikerinnen und Zolliker gut. Wer in finanziellen Schwierigkeiten stecke, bekomme in aller Regel die Möglichkeit, die Steuerschuld in 6 Raten abzutragen statt in 3. Im letzten Steuerjahr habe man 170 Betreibungen einleiten müssen, das entspricht einem Anteil von knapp 2,5% der bearbeiteten Steuererklärungen. Das sei im Quervergleich mit anderen Gemeinden eher wenig.
Boom bei der elektronischen Erfassung
Die Digitalisierung hat den Umgang des Steueramts mit den Steuerpflichtigen und umgekehrt massiv verändert. Der Autor dieses Beitrags erinnert sich, wie ihm das Steueramt vor 30 Jahren die Annahme einer Steuererklärung verweigerte, die er voller Begeisterung mit einem der ersten DOS-Programme erstellt hatte. Das Amt verlangte den Übertrag der elektronisch berechneten und ausgedruckten Zahlen auf die Originalformulare, was in Handarbeit geschah.
Ab dem Jahr 2005 wurden die Steuererklärungen gescannt. Das war der grosse Durchbruch. Die Gemeinde Zollikon schloss sich dem Scan-Zentrum Winterthur an und erhielt von da an alle Daten elektronisch. Die vom Kanton gratis angebotene Software «Private Tax» wurde im Jahr 2008 insgesamt 110’000-mal heruntergeladen, ein Jahr später bereits 260’000-mal.
Seit 2014 ist es im Kanton Zürich möglich, die Steuererklärung komplett elektronisch zu erfassen und einzureichen. In Zollikon machen inzwischen mehr als 40 Prozent der Steuerpflichtigen von dieser Möglichkeit Gebrauch. «Handschriftlich ausgefüllte Steuerformulare haben inzwischen Seltenheitswert», sagt Casanova.
Scannen kommt definitiv aus der Mode
Der durchschlagende Erfolg der vollelektronischen Steuererklärung hat nun dazu geführt, dass das Scan-Center Winterthur seinen Betrieb per Ende Jahr einstellen muss. Die papierenen Zolliker Steuererklärungen werden künftig im Scan-Center der Stadt Zürich bearbeitet. Couverts aufreissen, Büroklammern entfernen, Inhalt sortieren, Papierstoss scannen, Daten am Bildschirm nachbearbeiten und an den Kantonsserver übermitteln, wo sich die Gemeinde-Steuerämter bedienen können – dieses Handwerkt stirbt allmählich aus.
Am Ende des Prozesses fliesst dann endlich das Geld. 2022 hat die Gemeinde Zollikon 317 Millionen Franken Steuergelder eingenommen. 169 Millionen führte sie an den Kanton ab, 5 Millionen gab sie den Kirchen weiter. Von den restlichen 143 Millionen flossen 63 Millionen in den Finanzausgleich. Unter dem Strich blieben der Gemeinde also 80 Millionen Franken, um ihre Aufgaben zu erfüllen. (rs)