Vom Bünzli-Hobby zur Volksbewegung
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8. April 2022 – Der Schweizer Wanderpapst Thomas Widmer war gestern zu Besuch im «Talk am Puls» und plauderte mit Barbara Lukesch über das Wandern als Therapie, emotionale Achterbahnfahrten und darüber, dass er selber trotz seines Spitznamens nur sehr dürftig Karten lesen kann.
Rund 40 Zollikerinnen und Zolliker genossen im Café am Puls einen äusserst lebhaften und interessanten Gesprächsabend. Auf die Einstiegsfrage von Lukesch, wie es denn das Wandern geschafft habe, sein biederes Bünzli-Image abzulegen, erklärte Widmer, dass das Wandern mittlerweile für viele Menschen zu einer attraktiven Freizeitbeschäftigung geworden sei. Es sei nicht mehr nur eine Disziplin für die klischierten «männlichen Rotsocken-Kampfwanderer mit ihren verschwitzten Salamibrötchen im Tupperware»; vielmehr treffe man heute eine immer buntere Mischung von Menschen jeden Alters, Geschlechts und Herkunft auf den Wanderpfaden an.
Zu dieser positiven Entwicklung habe nicht zuletzt die Corona-Pandemie beigetragen, so Widmer. Die Bewegung in der Natur sei für viele Menschen die perfekte Kompensation für die vielen trägen Stunden im Home-Office und eine willkommene Möglichkeit, die eigenen Sinne zu schärfen und die Alltagsprobleme an der frischen Luft für eine Weile in den Hintergrund treten zu lassen. Auch für ihn habe das Wandern eine richtiggehend therapeutische Wirkung.
«Nie zweimal die gleiche Route»
Als Journalist mit dem Fokusthema Wandern bei der Zeitschrift «Schweizer Familie» hat Widmer das Privileg, dass er seiner grossen Leidenschaft auch beruflich nachgehen kann. Sein Motto: «Das Leben ist zu kurz, um zweimal die gleiche Route abzuwandern.» Mit diesem Grundsatz erkundet Widmer als Führer einer kleinen Wandergruppe jeden Samstag eine neue Route und wandert teilweise auch unter der Woche noch ein zweites Mal.
Obwohl Widmer seit Jahren wandert und genau weiss, welche Rolle eine gute Vorbereitung spielt, betonte er vor dem Publikum im CaP, dass es wichtig sei, bei der Vorbereitung nicht immer ins kleinste Detail zu gehen, nicht jede Wanderung müsse «zu Boden geplant werden», etwas Spontaneität müsse übrigbleiben, damit die Erkundung der Natur einen auch immer etwas überraschen könne. Er selber könne übrigens auch nicht wirklich gut Karten lesen, er sei froh um sein Handy, wenn es orientierungstechnisch mal brenzlig werde.
Im Vorfeld sei vor allem das Abklären des Wetters ein entscheidender Faktor, schliesslich könnten unvorhergesehener Nebel, Regen und Gewitter durchaus zu riskanten Momenten führen. In solchen Situationen ermutige er seine Begleiterinnen und Begleiter zur Ruhe: «Das Wichtigste in solchen Stresssituationen ist, sich nicht aufzuregen und sich kurz hinzusetzen.» Unüberlegte Aktionen könnten schnell mal schiefgehen und zu Stürzen oder anderweitigen Unfällen führen.
Des weiteren habe jeder Wanderer seinen eigenen Stil, so Widmer; je nach Tagesverfassung könne eine Wanderung durchaus auch mal zu einer emotionalen Achterbahnfahrt werden, Frustration und Glücksgefühle könnten sich dabei wie die Anstiege und Abstiege einer Höhenwanderung gerne mal abwechseln. Letztlich überwiege aber die positive Wirkung der Bewegung.
Die Leidenschaft zur Berufung gemacht
Angesprochen auf seine eigenen Wanderwurzeln verriet Widmer dem CaP-Publikum, dass er seine Leidenschaft für die Natur und das Wandern bereits frühzeitig als Kind entdeckte, als er seinen Vater – Postbote im ländlichen Appenzell – beim Austragen der Post begleiten durfte und dabei die Bauernhöfe und Landschaften schätzen lernte.
Die damals entzündete Faszination begleitet den Schweizer Wanderpapst seither auf Schritt und Tritt. Bereits seit 13 Jahren führt Widmer neben seiner Tätigkeit als Wanderjournalist, -kolumnist und -autor nun schon seinen persönlichen Blog «Widmer wandert weiter» und gibt darin Tausenden von Besucherinnen und Besuchern tagtäglich Ideen, Tipps und spannende Hintergrundinformationen zu Routen, guter Vorbereitung und den speziellsten Dorfnamen, die er auf seinen Touren jeweils antrifft. Den Abend im CaP rundete Thomas Widmer auf gebührende Art und Weise ab: Mit einer Wanderempfehlung auf den Napf (ys)