Wachhunde mit Beisshemmungen
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Balz Spörri: «Zwei Jahre nach dem Untergang der Credit Suisse (CS) wirft der Fall erneut hohe Wellen. Das Buch ‹Game Over› von Arthur Rutishauser, der den Zusammenbruch der Bank nachgezeichnet hat, steht weit oben auf der Bestsellerliste, ebenso der gleichnamige Film dazu.»

VON BALZ SPÖRRI
Zwei Jahre nach dem Untergang der Credit Suisse (CS) wirft der Fall erneut hohe Wellen. Das Buch «Game Over» von Arthur Rutishauser, der den Zusammenbruch der Bank nachgezeichnet hat, steht weit oben auf der Bestsellerliste, ebenso der gleichnamige Film dazu.
Im Zentrum der Kritik steht (neben den Managern, Verwaltungsräten und Politikern) auch die Finanzmarktaufsicht Finma. Nicht zuletzt wegen ihrer Nähe zur Bank. So hatten vier der acht Finma-Verwaltungsräte früher einmal für die CS gearbeitet.
Wie eng die Beziehungen zwischen Banken und ihren Aufsehern in der Schweiz traditionell sind, zeigt eine neue Studie des Historikers Thibaud Giddey von der Universität Zürich.
Er hat die Biografien aller 170 Männer und Frauen untersucht, die zwischen 1907 und 2008 dem sogenannten Bankausschuss der Schweizer Nationalbank (SNB) oder dem Verwaltungsrat der Eidgenössischen Bankenkommisison angehörten – also den Führungsorganen der beiden «Wachhunde» über den Finanzplatz. Die Bankenkommission ging 2009 in der heutigen Finma auf.
Giddeys Fazit: Über 60 Prozent der Verwaltungsratsmitglieder hatten vor oder bei ihrer Ernennung enge Verbindungen zum Bankensektor. «Die meisten Wachhunde teilten eine kollektive Mentalität und eine Gemeinschaft von Praktiken mit den Unternehmen, die sie beaufsichtigten.» Dieser Einfluss des Bankensektors auf die Aufsichtsorgane, so Giddey, habe Auswirkungen auf politische Entscheide gehabt.
Der typische Aufseher über die Schweizer Banken ist gemäss der Studie männlich, um die 60 Jahre alt, verfügt über langjährige Erfahrung im Finanzbereich oder in der Wirtschaft, besitzt einen Doktortitel in Recht oder Wirtschaft und hat Verbindungen zu einer der Bundesratsparteien.
Von den 112 Mitgliedern des SNB-Bankausschusses zwischen 1907 und 2008 waren nur neun Frauen. In die Bankenkommission wurde erstmals 1997 eine Frau gewählt. Spärlich vertreten waren aber auch Sozialdemokraten, Gewerkschafter oder Bauern.
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts lässt sich ein Wandel feststellen: Die Aufseher werden jünger und akademischer. Praktiker, die einst als Lehrling in einer Bank begonnen und sich hochgearbeitet haben, verschwinden.
Insgesamt kann man sagen, dass Aufseher und Akteure des Finanzplatzes aus der gleichen, kleinen Elite stammen.
Ob solch homogene Gruppen stets die besten Entscheidungen treffen, darf bezweifelt werden. Eine Studie der Technischen Universität Berlin kam gerade zum Schluss, dass verschiedene Perspektiven innerhalb einer Gruppe zu klügeren kollektiven Entscheidungen führen.
Hier geht es zur Studie von Thibaud Giddey
Hier geht es zur Studie der TU Berlin

Balz Spörri (geb. 1959) lebt als Journalist und Autor in Zürich.