Was im Hintergrund ablief

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11. April 2024 – Ist der Standort Zollikerberg geeignet für eine Abfalldeponie? Welche Rolle spielen Entsorgungsfirmen bei der Evaluation? Und was geschah, bevor der Zolliker Gemeinderat vom Kanton informiert und dabei «wie von einem Blitz aus heiterem Himmel» getroffen wurde? (2 Kommentare)

11. April 2024 – Ist der Standort Zollikerberg geeignet für eine Abfalldeponie? Welche Rolle spielen Entsorgungsfirmen bei der Evaluation? Und was geschah, bevor der Zolliker Gemeinderat vom Kanton informiert und dabei «wie von einem Blitz aus heiterem Himmel» getroffen wurde?

Gebiet «Brunnenwisen», wo der Kanton eine Deponie plant (Foto: ZN)
Gebiet «Brunnenwisen», wo der Kanton eine Deponie plant (Fotos: Pixabay, ZN)

Die Kommunikation: Neue Abfalldeponien sind ein heikles Thema, Proteste von Gemeinden und aus der Bevölkerung sind absehbar. Der Kanton wäre also gut beraten, betroffene Gemeinden frühzeitig über seine Pläne zu informieren und in die Kommunikation mit einzubeziehen. Ist das geschehen? Gemeindepräsident Sascha Ullmann sagt, man habe zwar von der Gesamtüberprüfung der Deponiestandorte im Kanton Zürich gewusst, nicht jedoch vom konkreten Standort im Zollikerberg: «Die Information kam für uns wie ein Blitz aus dem heiteren Himmel.» Die Zürcher Baudirektion bestätigt dies: «Die Aussage des Gemeindepräsidenten ist korrekt. Wir haben die betroffenen Gemeinden am Tag vor der Medienkonferenz informiert.»

Die Evaluation: Wie steht es mit der Eignung der «Brunnenwisen» für den Bau einer Deponie? Die Gemeinde argumentiert, das Gebiet liege nicht nur inmitten der Naherholungszone, sondern auch im Quellgebiet des Wehrenbachtobels. Die für den Zollikerberg vorgesehenen Abfälle vom Typ B (Aushub- und Abbruchmaterial von Baustellen) dürften laut Gesetz nicht in der Nähe von Grundwasservorkommen entsorgt werden. Der Kanton hält es nach zusätzlichen Abklärungen sogar für möglich, auf den «Brunnenwisen» giftige Abfälle der Kategorien C, D und E zu lagern, für die noch strengere Sicherheitsvorkehren gelten.  

Hat folglich der Kanton nicht so «sauber evaluiert», wie er behauptet? Der Standort «Brunnenwisen» liege im Bereich von generell schlecht wasserdurchlässigem Moränenmaterial und Molassengestein und überdies «nicht im Zustrom einer genutzten Quellfassung», schreibt die kantonale Baudirektion auf Anfrage der «ZollikerNews». Man gehe davon aus, dass das Niederschlagswasser aus dem Gebiet über den Rossweidbach abfliesse. Dies seien gute Voraussetzungen für einen Deponiestandort.

Mit dem Gebiet vertraute ZollikerInnen erstaunt diese Argumentation, denn der Rossweidbach fliesst in den Wehrenbach, also in jenes Tobel, in dem der Kanton neue Naturschutzzonen errichten will. Ob sich die beiden anvisierten Ziele – Deponie und Naturschutz – vertragen? Bevor eine Deponie gebaut werden könne, müsse «mit vertieften Abklärungen nachgewiesen werden, dass die getroffenen Annahmen auch stimmen», heisst es beim Kanton. Eine Deponie werde nur bewilligt, wenn sie sicher sei. Der Schutz von Grundwasser und Oberflächengewässern habe «höchste Priorität».

Die frühen Kontakte: Der betroffene Zolliker Landwirt Michael Rüegg sagt, er habe «schon vor Monaten» von der geplanten Deponie erfahren. Es habe damals Kontakte der Landbesitzer zur potentiellen Betreiberin der Deponie gegeben, der Firma Eberhard aus Oberglatt. Die Firma bestätigt das: «Die Eberhard Unternehmungen haben sich grundsätzliche Überlegungen zum Standort Brunnenwisen im Zollikerberg gemacht. Deshalb standen wir auch mit Grundeigentümern und der Gemeinde im Kontakt.»

Mit der Gemeinde? Kommunikationschefin Melanie Marday-Wettstein bejaht: «Der Standort im Zollikerberg wurde anscheinend durch die Firma Eberhard ‹ausgemacht›, welche die Gemeinde im Januar 2024 über diese Projektidee informierte.» Allerdings sei damals nur die Rede von einer Deponie des Typs B gewesen, C, D und E seien nicht erwähnt worden. Der Gemeindepräsident habe der Firma Eberhard anlässlich des Treffens dargelegt, weshalb dieser Standort aus Sicht der Gemeinde auch für eine Deponie vom Typ B nicht geeignet sei.

Die Rolle der Entsorgungsfirmen: Hat der Kanton die Firma Eberhard also weit vor den betroffenen Gemeinden über die geplanten Standorte informiert? «Nein», heisst es bei der Baudirektion, auch die Deponiebetreiber seien erst am Tag vor der Medienkonferenz über die definitiven Vorschläge für neue Standorte informiert worden. Dennoch spielten sie laut Kanton eine besondere Rolle: «Da sie die Anforderungen für einen Deponiestandort sehr gut kennen, konnten Deponiebetreiber Vorschläge für aus ihrer Sicht geeignete Standorte in den Prozess einbringen.»

Die Vorschläge der privaten Entsorgungsfirmen habe der Kanton «anhand der gleichen Kriterien evaluiert wie alle anderen der rund 400 potenziellen neuen Deponiestandorte». Wenn solche Firmen bereits vor der Veröffentlichung der Standorte am 5. April auf Gemeinden oder Landeigentümer zugegangen seien, «so geschah dies ohne Wissen, ob der jeweilige Standort definitiv für einen Richtplaneintrag vorgeschlagen werden soll oder nicht».

Der Profit: Die präventiven Aktivitäten der Entsorgungsfirmen sind aus kommerzieller Sicht nachvollziehbar. In der Deponie Zollikerberg hätten 1,6 Millionen m3 Abfälle Platz, was ungefähr 2,8 Millionen Tonnen entspricht. Laut der Firma Schneider Umweltservice kostet die Entsorgung einer Tonne Abfall vom Typ B mittels Lastwagen knapp 60 Franken. Das ergibt ein Umsatzvolumen von rund 170 Millionen Franken. Dieser Betrag vergrössert sich markant, wenn es um die Endlagerung von gefährlicheren Abfallstoffen der Typen C, D und E geht.

Der zweite Anlauf: Wie geht der Kanton nach der Kampfansage von Sascha Ullmann mit der Gemeinde Zollikon um? Der Gemeindepräsident sagte, man werde sich «mit allen Mitteln gegen den möglichen Deponiestandort im Zollikerberg zur Wehr setzen». Die vorgeschlagenen Deponiestandorte würden im Verlauf des 2. Halbjahres öffentlich aufgelegt, heisst es bei der Baudirektion. Parallel dazu höre man die Gemeinden an. Man wolle die Direktbetroffenen wie auch die Öffentlichkeit bereits vor der öffentlichen Auflage der Richtplan-Teilrevision über den Prozess der Deponieplanung informieren, damit sich alle selber ein Bild machen könnten. Den Entscheid, welche Deponiestandorte schliesslich im Richtplan 2024 festgesetzt werden, fälle letztlich der Kantonsrat.

Die Gefahr der Enteignung: Der Zolliker Landwirt Michael Rüegg hegt die Hoffnung, dass der Kanton keine Deponie gegen den Willen der Landbesitzer und der Landwirtschaftsbetreiber durchsetzen wird – zurecht? 

Die Grundlage für den Bau und Betrieb einer Deponie sei eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen dem Grundeigentümer und dem Deponiebetreiber, schreibt die Baudirektion: «Enteignungen sind rechtlich grundsätzlich möglich, aber immer nur, wenn man das Ziel nicht anders erreichen kann.» Mit der «Gesamtschau Deponien» schlage der Kanton genügend geeignete Standorte vor, «sodass heute davon auszugehen ist, dass die Entsorgungssicherheit ohne Enteignungen gewährleistet werden kann». (René Staubli)

Allgemeine Informationen zu Deponien

Anmeldung zu öffentlichen Veranstaltungen

Gesamtschau Deponien – Grundlage für Richtplan Teilrevision 2024

Gesamtschau Deponien – Standortdossier mit Zollikon auf den Seiten 36/37

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Bedenklich aus kommunaler Sicht ist vor allem, dass sich der Gemeinderat einmal mehr überrumpelt sieht und sich als Opfer übergeordneter Stelle darstellt. Erinnert sei da beispielsweise an die vom Kanton verfügte, sicherheitsmässig problematische Umfahrungsregelung des Verkehrs durch Zollikon wegen einer Baustelle an der Seestrasse in Küsnacht oder die bezüglich Ortsbild und Nachbarn eher brachiale Gestaltung des Umbaus der Bushaltestelle Felbenstrasse. Der nun vorgebrachte hilflose Hinweis auf die überraschende Publikation der Planungsvorschläge am Vortag einer Pressekonferenz verdeutlicht die Misere, obwohl nur die Naivsten dem Glauben schenken werden. Selbst die Baudirektion gibt sinngemäss zu, dass an der Pressekonferenz lediglich die definitive Version der Vorschläge erstmals vorgestellt wurde. Es stellt sich somit die Frage, wann der GR endlich einen tragfähigen und kompetenten Kommunikationskanal und Zusammenarbeitsmodus mit den kantonalen Verwaltungsbehörden, aber auch zweckdienliche Netzwerke mit anderen planungsrelevanten Gremien etablieren kann, sodass er die Wahrung der berechtigten Interessen der Zolliker Bürger pflichtgemäß rechtzeitig und effektiv sicherstellen kann.

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